Der FC Chelsea hat eine katastrophale Saison hinter sich. Antonio Conte soll nicht nur Wunden heilen, sondern die Blues auch neu erfinden. Doch die Aufgabe ist schwieriger als gedacht. Das zeigt auch die Kaderanalyse.
Torhüter: Thibaut Courtois, Asmir Begovic, Jamal Blackman
Die Vorzeichen sind eigentlich recht klar. Eigentlich. Courtois ist die absolute Nummer eins, dahinter ist lange nichts. Um den Belgier gab es aber vor der EM einige Gerüchte, wonach er den Klub verlassen wolle - und auch könne, wenn die Ablöse stimmt. Zumindest auf diesem Niveau gibt es aber keine Bewegung auf dem europäischen Torhütermarkt.
Courtois bleibt, Begovic könnte dagegen gehen. Zwar wurde der Bosnier in den Testspielen regelmäßig eingesetzt, dennoch heißt es, dass Conte eine Veränderung plant. Das könnte eine Chance für den erste 22-jährigen Blackman bedeuten.
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Innenverteidiger: Gary Cahill, John Terry, Kurt Zouma, Matt Miazga, Michael Hector
Eine der ersten Fragen, die Antonio Conte bei seiner Vorstellung an der Stamford Bridge beantworten musste, war, ob er auch - wie schon bei der italienischen Nationalmannschaft - mit Dreierkette agieren werde. Conte wiegelte ab: "Die Frage ist super, aber wenn ich eine neue Mannschaft habe, eruiere ich, was das Richtige für die Spieler ist. Man muss die Charakteristik und das Talent des Kaders respektieren und so entscheiden."
Anscheinend hat die Analyse ergeben, dass der Kader Chelseas ein System mit Dreierkette nicht spielen kann. Zwar hat er das beispielsweise beim Gastspiel gegen Rapid Wien getestet, aber ziemlich schnell wieder auf Viererkette umgestellt. Bei dieser blieb er dann auch in den weiteren Testspielen.
Ein fester Bestandteil des Systems und der Mannschaft bleibt John Terry, an dem Conte festhalten will und wird. "Er ist Kapitän und er hat als solcher seinen Vertrag verlängert", so der Italiener. Ob der englische Routinier damit automatisch gesetzt ist, bleibt dahingestellt. Gary Cahill drängt sich freilich auf, in den Testspielen präsentierte sich auch die letztjährige Bremen-Leihgabe Djilobodji recht überzeugend, doch der Senegalese wechselte zum AFC Sunderland.
Bleibt noch Kurt Zouma. Der Franzose ist nach seinem im Februar erlittenen Kreuzbandriss schon deutlich weiter als erwartet und durfte in einem Trainingsmatch in den USA an Diego Costa schon mal seine Belastungsfähigkeit testen, doch Conte packt den 21-Jährigen noch in Watte: "Wir wissen alle, dass seine Verletzung sehr, sehr schlimm war - und deshalb braucht er Zeit."
Kein Wunder, dass die Blues dauerhaft mit namhaften Transerkandidaten in Zusammenhang gebracht werden. Die Personaldecke ist nach Djilobodjis Abgang definitiv zu dünn. Der Name Leonardo Bonucci hält sich hartnäckig in den Schlagzeilen, auch Shkodran Mustafi wird mit den Londonern in Verbindung gebracht.
Miazga und Hector gehörten zum Kader in den USA, durften dort sogar in den Testspielen auf sich aufmerksam machen, gelten aber als Leih- bzw. Verkaufskandidaten.
Linksverteidiger: Cesar Azpilicueta, Kenedy, Ola Aina
Abdul Rahman Baba ist wieder in der Bundesliga, spielt in der kommenden Saison bei Schalke 04. Dass man den Youngster einfach so gehen ließ, verstanden nicht viele, auch wenn seine erste Saison bei Chelsea noch von einigen Höhen und Tiefen geprägt war. Aber die Blues sind jetzt in Zugzwang auf der Position. Zwar kann Azpilicueta die Position besetzen - er alleine wird aber eine komplette Saison kaum spielen können. Kenedy, der lieber offensiv unterwegs ist, hat die Zweifler noch nicht besiegt.
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Einen gehörigen Sprung nach vorne machte dagegen Aina. Der junge Engländer ist vielleicht die größte Entdeckung der Vorbereitung, wird von Conte regelmäßig eingesetzt. Gut möglich, dass der 19 Jahre alte Defensivallrounder - trotz fehlender Robustheit - eine Beförderung bekommt. Aber...
Rechtsverteidiger: Branislav Ivanovic, Ola Aina, Cesar Azpilicueta
... Aina wäre auch eine Option für rechts, zumal Ivanovic in die Jahre gekommen ist und schon in der abgelaufenen Saison im Zentrum besser aufgehoben schien. Sollte der 32 Jahre alte Haudegen noch einmal eine Herausforderung suchen wollen, so heißt es, wolle man ihm keine Steine in den Weg stellen.
Möglich, dass in einer Saison ohne Europapokal Aina eine Chance erhält, um sich zu beweisen. Für die rechte Seite ist nach wie vor auch Azpilicueta eine Option.
Conte testete in den Testspielen wiederholt sein aus Juve-Zeiten bekanntes 4-2-4, für die er aber laufstarke Außenverteidiger benötigt. Sollte sich Conte darauf festlegen, wird er um Verstärkungen nicht herumkommen. Das Problem: Die Zeit drängt, die Baustelle ist groß.
Defensives Mittelfeld: Cesc Fabregas, N'Golo Kante, John-Obi Mikel, Nemanja Matic, Nathaniel Chalobah
Auch hier steht und fällt alles mit der Entscheidung, wie Conte primär spielen lässt. "Ich habe inzwischen viel mehr Durchblick und Ahnung als noch zu Beginn der Vorbereitung", sagte der Italiener kürzlich über seinen Kader und dessen Möglichkeiten. Setzt Conte sein 4-2-4 durch, bleibt es also bei zwei zentralen Spielern, wird das Hauen und Stechen so groß wie nie.
Gesetzt scheint Neuzugang Kante, der in den ersten Testspielen prompt einen starken Eindruck hinterlassen hat und auf der Insel mit Chelsea-Legende Claude Makalele verglichen wird. Wer dessen Partner sein wird, muss Conte noch beantworten.
Mehr denn je muss Fabregas seine Rolle finden. Die Rote Karte im Test gegen Liverpool hat in Sachen Eigenwerbung sicherlich keine positive Wirkung erzielt. Möglich, dass Conte auf der Position noch eine weitere Verstärkung einfordert, zumal Fabregas im Visier von Manchester United und Jose Mourinho ist.
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Mikel ist der Dauerläufer bei Chelsea und wird nach seiner Olympia-Teilnahme wieder der wichtige Joker für das Team. Matic ist für viele englische Gazetten ein Streichkandidat, jedoch erfüllte er seine Rolle im Mittelfeld in den ersten Tests recht ordentlich. Nathaniel Chalobah ist ein Leihkandidat, auch wenn er immer wieder auf sich aufmerksam machen durfte.
Offensives Mittelfeld: Loftus-Cheek, Oscar, Eden Hazard, Pedro, Willian, Victor Moses, Juan Cuadrado, Christian Atsu
Die Karten werden neu gemischt - auch in der Offensive. Dass sich Spieler wie Hazard, Oscar, Pedro oder Willian nicht noch so eine miserable Saison leisten können, ist klar. Dass es kaum schlechter geht, auch. Hazard machte schon bei der EM in Frankreich einen Schritt in die richtige Richtung. Der Belgier wird in Contes Spiel wohl den Spielmacher auf der Außenposition geben, zumal es den klassischen Zehner im Zentrum wohl nicht geben wird.
Dies ist vor allem ein Problem für Oscar, der eine Reihe dahinter keinen Platz hat - davor für das geplante Schema nur schwer vermittelbar ist. Conte stärkt den Brasilianer auffällig oft öffentlich den Rücken. Ob er wirklich mit ihm plant oder ob das eine Verkaufsstrategie ist, wird sich zeigen.
Als sicherer Kandidat für einen Weggang schien Victor Moses. Der Nigerianer hat abermals bleibenden Eindruck hinterlassen, was in den letzten Jahren aber zu Folge hatte, dass er dennoch verliehen wurde. Aber Conte scheint mit Moses zu planen - wohl auch als Druckmittel für Pedro und Willian, die nach der vergangenen Saison ebenfalls kritisch beobachtet werden.
In einigen Vorbereitungsspielen konnte Chelsea-Eigengewächs Ruben Loftus-Cheeck auf sich aufmerksam machen, auch wenn der Youngster noch einige taktische Defizite offenbarte. Conte setzte ihn als Verbindungsspieler zwischen Offensive und Sturm ein. Möglich, dass er sich bis Sommer noch präsentieren darf. Juan Cuadrado, den Milan haben will, dürfte genauso verliehen oder verkauft werden wie Christian Atsu.
Angriff: Michy Batshuayi, Diego Costa, Loic Remy, Bertrand Traore
Neuzugang Batshuayi hat aktuell die besten Karten, scheint aufgrund seiner Spielanlage auch in allen Überlegungen Contes immer die Ideallösung zu sein. Diego Costa wird seine Position nicht einfach aufgeben, muss aber auch deutlich zulegen, zumal Chelsea im Sturm den Markt weiter sondiert.
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Wenn Romelu Lukaku aus Everton kommt, wird es vorne immer enger. Denn gesichert ist es nicht, dass Conte in einem möglichen 4-2-4 beide zentralen Offensivpositionen mit Mittelstürmern besetzt. Eher nicht. Keine Perspektiven hat Remy, der den Verein verlassen soll. Traore ist vielseitig einsetzbar, könnte gar einer der Gewinner der neuen taktischen Überlegungen sein.