Tottenham Hotspur: Die Ruhe vor dem Sturm

SPOX
07. August 201613:00
Christian Eriksen und Harry Kane sind Schlüsselfiguren bei den Spursgetty
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Während die Konkurrenz einen Top-Transfer nach dem anderen verkündet, hält sich Tottenham Hotspur verdächtig zurück. Der Tabellendritte der vergangenen Saison will auch in der neuen Spielzeit vorne mitmischen - und setzt dabei auf Altbewährtes. Wie sind die Spurs personell aufgestellt? SPOX macht den Kadercheck.

Torhüter: Hugo Lloris, Michel Vorm, Luke McGee

Die Situation zwischen den Pfosten der Spurs ist schnell erklärt. Hugo Lloris ist der Platzhirsch und die unumstrittene Nummer eins. Nach anfänglichen Problemen geriet der Franzose bei den Londonern zunächst in die Kritik, Parallelen zu einem gewissen Igor Akinfeev waren schnell gezogen.

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Mittlerweile hat Lloris sich aber zu einer echten Bank aufgeschwungen, auch bei der EM stellte er seine herausragenden Fähigkeiten unter Beweis. Gerade auf der Linie können dem 29-Jährigen nicht viele Torhüter das Wasser reichen - an ihm ist in Tottenham derzeit kein Vorbeikommen.

Als Ersatz steht Michel Vorm bereit. Der Niederländer wird wahrscheinlich wieder die FA-Cup-Spiele bestreiten und sich ansonsten ohne Murren hinten anstellen. Sollte es mal ganz blöd laufen, muss Luke McGee einspringen, die Hauptaufgabe des 20-Jährigen besteht jedoch darin, den Kasten der Reservemannschaft sauber zu halten.

Innenverteidigung: Jan Vertonghen, Toby Alderweireld, Kevin Wimmer, Cameron Carter-Vickers

Um einiges verzwickter ist da schon die Lage in der Defensivzentrale, wo die Lilywhites äußerst dünn besetzt sind. Bleiben sie fit, sind Jan Vertonghen und Toby Alderweireld im Normalfall gesetzt. Das belgische Duo ist gut eingespielt, ergänzt sich auch von den jeweiligen Fähigkeiten her optimal. Vertonghen besticht mit einem feinen linken Fuß und einer starken Übersicht - im Aufbauspiel ist er der bessere Mann. Kollege Alderweireld ist ein starker Zweikämpfer, der sich auch im Luftkampf durchzusetzen weiß.

Da Verthongen mit einer Sprunggelenksverletzung voraussichtlich erst Ende August zurückkehren wird, bekommt wohl der Ex-Kölner Kevin Wimmer seine Bewährungschance. Dahinter stehen Coach Mauricio Pochettino nur noch unerfahrene Abwehrspieler zur Verfügung, beispielsweise Cameron Carter-Vickers.

Das 18-jährige Eigengewächs deutete in den Testspielen schon sein Potenzial an, er könnte schon bald eine mehr als ordentliche Alternative für den Abwehrverbund sein. Dennoch ist die Situation in der Innenverteidigung riskant - gut möglich, dass bis Transferschluss noch ein Neuzugang an der White Hart Lane präsentiert wird.

Außenverteidigung: (rechts) Kyle Walker, Kieran Trippier, DeAndre Yedlin / (links) Danny Rose, Ben Davies, Luke Amos

Die kleinsten Sorgen dürfte Pochettino der rechte Teil seiner Hintermannschaft machen. Kyle Walker erledigt seine Defensivarbeit für gewöhnlich ganz passabel, im Spiel nach vorne ist er mit das Beste, was die Premier-League auf seiner Position zu bieten hat. Mit der Geschwindigkeit des 26-Jährigen können es nur wenige Gegenspieler aufnehmen, dazu ist Erik Lamela als Vordermann für den Spielertyp Walker prädestiniert. Der Argentinier sucht mit seinem starken linken Fuß oft den Weg in die Mitte, in seinem Rücken kann der Engländer im Vollsprint hinter die gegnerische Abwehr stoßen.

Sollte Walker eine Pause brauchen, steht mit DeAndre Yedlin ein nahezu identischer Spielertyp bereit. Der US-Amerikaner kann auch auf der gegenüberliegenden Seite agieren und ist damit ein brauchbarer Kaderspieler. Erster Ersatz auf der rechten Seite ist aber Kieran Trippier, der seinen Part in der Regel grundsolide ausfüllt und einen stabilen Walker-Backup darstellt.

Auf der anderen Seite streiten sich Danny Rose und Ben Davies um den Posten in der Startelf. Zum Saisonstart dürfte Rose den Vorzug erhalten, Pochettino ist allerdings nicht gerade als Fan des englischen Nationalspielers bekannt. Überzeugt er in den ersten Auftritten nicht, rückt der Waliser Davies in die Mannschaft. Der 23-Jährige besitzt das bessere Defensivverhalten und ist ruhiger am Ball. Rose bringt dagegen, wie auch Walker auf der anderen Seite, viel Speed und Offensivdrang mit.

Nicht unwahrscheinlich, dass der argentinische Coach die Wahl hinten links auch vom jeweiligen Gegner abhängig macht. Für den jungen Luke Amos ist die Konkurrenz zu groß, er wird wohl nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Defensives Mittelfeld: Eric Dier, Ryan Mason, Mousa Dembele, Nabil Bentaleb, Victor Wanyama, Tom Carroll, Harry Winks

Im zentralen Mittelfeld hat Eric Dier seinen Platz in der Startelf sicher, gemeinsam mit dem offensiveren Christian Eriksen bestimmt er das Tempo im Spiel der Spurs. Der Mann mit der Nummer 15 hält seinen kreativen Vorderleuten den Rücken frei und ist sich nicht zu schade für die "Drecksarbeit". Nicht gerade verwunderlich, dass angeblich der FC Bayern an einer Verpflichtung des englischen Nationalspielers interessiert war. Vakant ist im 4-2-3-1-System dagegen der zweite Posten vor der Abwehr.

Für 14 Millionen Euro wurde Victor Wanyama vom FC Southampton verpflichtet, in der Vorbereitung durften sich auch Tom Carroll und Harry Winks neben Dier probieren. Vor allem der 20-jährige Winks betrieb mächtig Eigenwerbung und überzeugt schon in jungen Jahren mit einer enormen Ruhe am Ball. Ihn wird Pocchettino mit Sicherheit das ein oder andere Mal ins kalte Wasser werfen.

Ryan Mason und Mousa Dembele sind ebenfalls Optionen, der Belgier wurde allerdings vom Sportgericht für die ersten sechs Partien aus dem Verkehr gezogen. Nabil Bentaleb dürfte unterdessen chancenlos sein, der Algerier steht auf dem Abstellgleis und soll abgegeben werden.

Zum Auftakt haben Mason und Neuzugang Wanyama wohl die besten Karten, der gesetzte Dier wird sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit so manches Mal an einen neuen Nebenmann gewöhnen müssen.

Offensives Mittelfeld / Außenbahn: Heung-Min Son, Nacer Chadli, Christian Eriksen, Dele Alli, Josh Onomah, Erik Lamela, Marcus Edwards

Kommen wir zum Prunkstück der Spurs. Die offensive Dreierreihe wird mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Christian Eriksen, Dele Alli und Erik Lamela gebildet werden. Pochettino gibt dem Trio alle Freiheiten, sie sind ständig in Bewegung und wechseln immer wieder die Positionen. Der Däne Eriksen ist bei den Spurs seit geraumer Zeit einer der wichtigsten Akteure und das Herzstück im Mittelfeld.

Youngster Alli, derzeit wohl das größte Talent im Mutterland des Fußballs, machte schon in der letzten Saison mit filigraner Technik und großem Einfallsreichtum von sich Reden. Sein Potenzial ist unverkennbar, für den Nationalspieler könnte die neue Spielzeit den endgültigen Durchbruch bedeuten.

Auf den Durchbruch in der Premier League wartet auch der ehemalige Leverkusener Heung-Min Son. Dem Südkoreaner wird allerdings erneut nichts übrig bleiben, als sich in der Jokerrolle für höhere Aufgaben zu empfehlen. Der 24-Jährige stößt durch seine Olympia-Teilnahme später zum Team, was für seine Stammplatz-Ambitionen natürlich eher weniger förderlich ist.

Pochettino setzt auf seinen Landsmann

Immer unverzichtbarer wird dagegen Erik Lamela für die Spurs. Nach anderthalb schwierigen Jahren zu Beginn seiner Zeit auf der Insel ist der Argentinier endlich voll und ganz in der Hauptstadt angekommen. Einer ordentlichen letzten Saison ließ der 24-Jährige in den Testspielen einige starke Auftritte folgen.

Dass Lamela ein feiner Kicker ist, hat man in Tottenham nie bezweifelt, großes Manko war jedoch stets seine Verspieltheit. Pochettino baut auf seinen Landsmann und stärkt ihm auch nach schwachen Spielen den Rücken - Lamela will es ihm mit guten Leistungen zurückzahlen, was ihm - vorausgesetzt er steigert seine Effizienz - auch gelingen wird. Er kann in dieser Saison ein ganz entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Spielzeit an der White Hart Lane werden.

Der als Wunderkind gepriesene Marcus Edwards könnte schon bald Luft bei den Profis schnuppern. Der 17-Jährige deutete im Test gegen Juventus seine Fähigkeiten an, Pocchettino betonte allerdings umgehend, dass man den Engländer sehr behutsam an die erste Mannschaft ranführen will. Dennoch sollte man den Teenager zumindest im Hinterkopf behalten.

Im Gegensatz zu Edwards spielt Nacer Chadli in den Überlegungen der Spurs nur noch eine untergeordnete Rolle, bei einem entsprechenden Angebot kann er den Verein verlassen. Nicht auszuschließen, dass auch im Mittelfeld der Lilywhites noch nachgebessert wird.

Sturm: Harry Kane, Vincent Janssen, Clinton N'Jie, Shayon Harrison

Im Angriff haben die Spurs in Harry Kane und Vincent Janssen gleich zwei Torschützenkönige in ihren Reihen. Setzt der Coach auf sein favorisiertes 4-2-3-1, führt an Harry Kane logischerweise kein Weg vorbei. Der beste Goalgetter der zurückliegenden Premier-League-Saison zeigt sich in der Vorbereitung schon wieder in bestechender Form und trifft nach Belieben.

Im Gegensatz zur letzten Saison ist man an der White Hart Lane nun auch auf einen etwaigen Ausfall des Knipsers vorbereitet. 22 Millionen Euro wurden nach Alkmaar überwiesen, im Gegenzug bekam man in Vincent Janssen den erfolgreichsten Torjäger der vergangenen Spielzeit in der Eredivisie. Der 22-Jährige wird sich zunächst zwar hinter Kane anstellen müssen, sollte Pochettino allerdings auf ein System mit zwei Spitzen umstellen, darf der Niederländer sicher starten.

Clinton N'Jie könnte die Spurs unterdessen noch verlassen - eine Rückkehr nach Frankreich steht offenbar bevor.

Nachwuchsstürmer Shayon Harrison darf - vorausgesetzt er wird nicht noch verliehen - darauf hoffen, einige Minuten Profi-Erfahrung zu sammeln.