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Stefan Zieglmayer
23. Januar 201808:55
Arsene Wenger startet am Sonntag gegen den FC Liverpool in seine 21. Spielzeit beim FC Arsenalgetty
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Kaum ein Trainer hat die Geschichte seines Vereins so geprägt wie Arsene Wenger. Der Franzose leitet seit nunmehr zwei Dekaden die Geschicke beim FC Arsenal und startet am Sonntag gegen Liverpool (17 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) in seine 21. Spielzeit mit den Gunners. SPOX lässt Wengers Liebesbeziehung Revue passieren: 20 Jahre, 20 Momente.

Der erste St. Totteringham's Day: Wenger hat in London so einige Trophäen und Auszeichnungen entgegengenommen. Einen inoffiziellen Triumph feierte er bisher aber in jedem Jahr, zum ersten Mal am 9. April 1997. Und davon wusste der Gentleman womöglich gar nichts.

Eingefleischte Gunners-Fans sind zwangsläufig - gelinde gesagt - keine Sympathisanten von Tottenham Hotspur. Die Rivalität zieht sich durch die komplette Vereinsgeschichte. 2005 tauchte der Begriff "St. Totteringham's Day" zum ersten Mal in der breiten Masse auf.

Er wurde von der Arsenal-Anhängerschaft ins Leben gerufen und bezeichnet den Tag, an dem die Spurs rechnerisch nicht mehr an den Gunners vorbeiziehen können. Seinen ersten St. Totteringham's Day genoss Wenger vielleicht sogar bei einem Glas guten Rotweins in der Badewanne. Das entscheidende Spiel war nämlich die 1:2-Pleite von Tottenham gegen Sheffield Wednesday.

Arsene who? Zu diesem Zeitpunkt war der Name Wenger auf der Insel bereits in aller Munde. Das konnte man zum Zeitpunkt seiner Vorstellung am 23. September 1996 nicht unbedingt behaupten. Die erste Schlagzeile über den neuen Coach lieferte der London Evening Standard: "Arsene who?"

Wenger war ein unbeschriebenes Blatt in England, obgleich er mit dem AS Monaco und Nagoya Grampus aus Japan bereits vier Titel geholt hatte.

Das erste Spiel: Wengers Anfänge waren eigentlich zum Scheitern verurteilt. Er übernahm die Gunners inmitten der Hinrunde, zuvor beschäftigte Arsenal binnen 90 Tagen zwei verschiedene Trainer. Zu allem Überfluss musste der damals 47-Jährige noch einmal zurück nach Japan, um das letzte Spiel mit Grampus zu bestreiten.

Am 12. Oktober 1996 stand er also das erste Mal für seine neue Liebe an der Seitenlinie. Nach seinem Debüt gegen die Blackburn Rovers musste sich Wenger bei Ian Wright bedanken. Der Stürmer sorgte im Alleingang für den 2:0-Erfolg im Ewood Park.

Das erste Mal Haue: Den ersten drei Punkten sollten noch viele weitere folgen. Wenger führte Arsenal mit soliden Ergebnissen auf den dritten Platz. Die Gunners kamen nie so wirklich unter die Räder - bis zum 06. Mai 1998. An der Anfield Road setzte es ein 0:4 gegen den FC Liverpool.

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Im Tor stand damals übrigens niemand Geringeres als Alexander Manninger. Es war das erste Spiel mit mehr als drei Gegentoren unter Wenger. Und dennoch war es eine wertvolle Niederlage.

Der erste Titel: Warum? Schließlich war das Double noch zu greifen. Gegen Liverpool schonte Wenger also seine Stars. Drei Tage zuvor feierte er nämlich seine erste Meisterschaft mit Arsenal - die erste seit sieben Jahren. Nach einem 4:0-Sieg gegen Everton war den Gunners der Titel nicht mehr zu nehmen.

Und tatsächlich holte Wenger in seiner ersten vollen Saison das Double. Im Finale des FA Cup gewann sein Team mit 2:0 gegen Newcastle United. Der Franzose krönte sich nicht nur zum ersten nicht britischen Meistertrainer der Premier League, er sorgte auch für das erst zweite Double der Vereinsgeschichte.

Der goldene Lufttransfer: Ein Jahr später griff Wenger entgegen seines Wesens tief in die Tasche und verpflichtete einen gewissen Thierry Henry für damals skandalöse 16 Millionen Euro. Skandalös, weil der Franzose bei Juventus eine sehr schwache Saison hinter sich hatte und die Ablösesumme nicht gerechtfertigt schien.

Dabei wäre der Transfer beinahe nicht zustande gekommen. Henry stand mit etlichen europäischen Top-Klubs in Verhandlungen - unter anderem mit dem FC Barcelona. Henry entschied sich aber für Arsenal.

"Ich sah ihn in einem UEFA-Cup-Playoff-Spiel gegen Udinese. Er spielte als linker Außenverteidiger. Nach dem Spiel flog ich zufällig mit ihm zurück nach Paris. Ich sagte ihm: 'Ich werde dich verpflichten und hier spielst du Stürmer'", erinnert sich Wenger, der Henry noch aus Monaco kannte. Gesagt, getan. Der Startschuss einer Fabelkarriere.

Heute ist Henry mit 226 Treffern Rekordtorschütze des Klubs und darf sich an seiner eigenen Statue vor dem Emirates Stadium ergötzen.

Wenger Day: Die Kritiker verstummten schnell. Es war eine der vielen umstrittenen Entscheidungen des Trainers, die letzten Endes zum Sprichwort "Wenger knows" führten. Wenger weiß schon, was er tut. Die Fans entwickelten ein Urvertrauen in ihren Coach. Die Verehrung reichte sogar so weit, dass die Anhänger den sogenannten "Wenger Day" ins Leben riefen.

Der datiert auf den 22. Oktober 2005, Wengers 56. Geburtstag - ein Zeichen der Anerkennung. Ein 1:0-Sieg gegen Manchester City versüßte den ersten Wenger Day.

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Die 1000-Spiele-Narbe: Nicht jeder Ehrentag fand solch ein gebührendes Ende. Ausgerechnet das 1000. (!) Spiel mit den Gunners verlor Wenger. Nein, er ging baden. Sein Team kassierte eine 0:6-Klatsche gegen Chelsea. Schürrle erzielte nach sieben Minuten bereits das 2:0 für die Blues.

"Es war ein Albtraum. Einer der schlimmsten Tage meiner Karriere", klagte Wenger nach der Demütigung. Die höchste Niederlage erlebte der "Boss", wie er von seinen Spielern genannt wird, allerdings gegen Manchester United in der Saison 2011/12. Wayne Rooney und Co. schickten die Gunners mit 8:2 auf die Bretter.

Ohnehin sind die Red Devils in London gefürchtet. Gegen Wenger erzielte der englische Rekordmeister schon 85 Tore in 52 Spielen.

Der rote Jens: "Eine Niederlage ist wie eine Narbe im Herzen, die ein Leben lang bleibt", beschrieb Wenger einst ein Gefühl, das ihn auch am 17. Mai 2006 heimsuchen sollte. Nach zehn Spielen in Folge ohne Gegentreffer in der Champions League - bis heute Rekord - stand Jens Lehmann im Finale gegen Barca einen Moment neben sich.

Der ehemalige Nationaltorhüter griff in der 18. Minute gegen Samuel Eto'o zur Notbremse und musste vom Platz. Doch auch in Unterzahl bestätigte Arsenal die starke Form der Königsklasse.

Nach der überraschenden 1:0-Führung durch Sol Campbell drehte Barcelona jedoch das Spiel. Es war bis dato Wengers einzige Chance, sich den Henkelpott zu schnappen - eine tiefe Narbe.

Ein Claudio reichte: Sechs Jahre zuvor schnupperte er schon am UEFA Cup. Aus dem Elfmeter-Thriller von Kopenhagen ging jedoch Außenseiter Galatasaray als Sieger hervor. In dieser Nacht mutierte die brasilianische Torwart-Legende Claudio Taffarel zum türkischen Nationalhelden. Der Keeper parierte zwei Elfer. Wenger blickte in die Leere.

The Rise of the Untouchables: Niederlagen sind erschütternd, können aber auch Trotzreaktionen auslösen. Arsenal reihte sich in der Saison 2003/2004 in die Liste der Teams ein, die diese These belegen. Die Gunners waren ein Jahr zuvor Vizemeister geworden - hinter United. "Keiner in der Mannschaft hatte das Gefühl, dass wir nur die Zweitbesten waren", erinnert sich Innenverteidiger Martin Keown.

Trotz FA-Cup-Sieg als Trostpflaster spürte man den Willen, die Enttäuschung vergessen zu machen. Nach sieben Siegen und drei Unentschieden aus den ersten zehn Spielen war klar: Wenger hat etwas Großes geschaffen. Arsenal wurde ungeschlagen Meister! Ein Kunststück, das zuvor nur Preston North End im Jahr 1989 gelungen war. Die Untouchables waren geboren. Wenger machte sich endgültig unsterblich.

Das Pizza-Gate: Insgesamt waren die Gunners 49 Liga-Spiele lang ungeschlagen. Diese unglaubliche Serie endete beim "schwersten Spiel der Saison - im Old Trafford bei Manchester United". Am zehnten Spieltag verlor Arsenal 0:2 gegen den großen Rivalen.

Unzählige umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, darunter ein Elfmeterpfiff für United, mündeten im "Battle of Buffet". Auslöser war ein übles Foul von Ruud van Nistelrooy an Arsenals Joel Campbell, das ungeahndet blieb.

Im Spielertrakt stellte Wenger den Übeltäter zur Rede, nannte ihn einen Betrüger. United-Coach Sir Alex Ferguson schritt sofort dazwischen. Ein Wortgefecht der beiden Trainer-Legenden entbrannte und schließlich flog sie, die berüchtigte Pizza (manchmal auch als Kaffee oder Tomatensuppe überliefert).

Bis heute ist nicht geklärt, welcher Gunners-Star Ferguson damit beworfen hatte, Cesc Fabregas gilt als Hauptverdächtiger. Das Ende vom Lied: Wenger wurde mit einer Geldstrafe belegt, van Nistelrooy nachträglich für drei Spiele gesperrt und die Beziehung der Coaches erlitt tiefe Wunden.

Party? Ohne Bier! Der Zwischenfall in den heiligen Gängen des Old Trafford veränderte Wengers Außendarstellung. Der Franzose war ja sonst so gentlemanlike, so asketisch. Er hielt Diät wie ein Spieler, ging 48 Stunden vor einem Spiel nicht mehr aus, widmete sein Leben dem Fußball.

Und er hielt auch seine Spieler dazu an. Wenger feierte 2001/2002 sein zweites Double mit den Gunners. Der frisch gebackene Meister hatte gerade Chelsea im FA-Cup-Finale geschlagen, als Mittelfeldspieler Ray Parlour im Flieger zum Bier griff. Wenger sah ihn und untersagte ihm den Genuss von Alkohol. Schließlich stand nur drei Tage später ein (eigentlich unwichtiges) Auswärtsspiel im Old Trafford an.

"Was? Ich habe gerade ein Tor im Finale geschossen, Boss", entgegnete Parlour. Doch Wenger blieb dabei: "No Drinking." Also machte sich Parlour auf den Weg ins hintere Flug-Abteil zu seiner Familie, wo er heimlich am Bier seiner Brüder nippte.

"Auf dem Weg nach Hause schaute ich noch beim Rush Green Social Club vorbei. Ich wusste, dass meine Brüder dort waren, also sagte ich kurz 'hallo'. Das Nächste, das ich weiß, ist, dass ich zehn Guinness intus hatte", schrieb Parlour in seiner Biographie.

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Drei Tage später gewann Arsenal mit 1:0 in Manchester. Parlour wurde zum Player of the Match gewählt - und sackte dafür auch Lob von Wenger ein. "Er sagte: 'Du warst spitze heute. Weißt du, was den Unterschied ausgemacht hat?' Ich antwortete: 'Nein, Boss. Was war es?' Und Arsene entgegnete stolz: 'Ich habe dich davor bewahrt, das Bier zu trinken'."

"Er saß da mit einem Eisbeutel": Anders als bei Parlours Disziplinierung lag Wenger oft richtig. So auch im Februar 2002, als ein Innenverteidiger vom ASEC Mimosas (Elfenbeinküste) zum Probetraining erschien. Sein Name war Kolo Toure, und ... er war übermotiviert. Erst senste er Henry mit zwei gestreckten Beinen um, dann Dennis Bergkamp.

"Das hätte jeweils die Rote Karte geben müssen. Er legte unsere besten Spieler um. Unglaublich", erinnert sich Parlour: "Sein nächstes Tackle war sauber, doch der Ball sprang hoch und landete auf Wengers Fuß." Und Toure fuhr in seinem Übereifer auch Wenger mit beiden Beinen in die Parade.

"Er schrie, humpelte sofort zum Physio-Team. Toure hat fast geweint. Später saß Wenger da mit einem Eisbeutel am Fuß. Ich ging zu ihm und sagte: 'Kolo hat das sicher nicht so gewollt'", erzählt Parlour: "Doch der Boss sagte nur: 'Mir gefällt sein Drang. Morgen werde ich ihn verpflichten'." Und Toure wurde zur festen Größe bei Arsenal.

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Arsenewenger: Auch aufgrund solcher Anekdoten wird Wenger in London vergöttert. Am 24. November 2007 kam dem Franzosen eine besondere Ehre zuteil. Ein Asteroid wurde nach ihm benannt. "Arsenewenger" liegt auf dem mittleren Hauptgürtel und heißt so, weil sein Entdecker, Ian P. Griffin, riesiger Arsenal-Fan ist.

Das Hollywood-Techtelmechtel: Der Himmelskörper würde unter diesem Namen wohl nicht existieren, wenn dessen Namensvetter ein Jahr zuvor zu Real Madrid gewechselt wäre. Das hatte der damalige Präsidentschaftskandidat der Königlichen, Juan Miguel Villar Mir, nämlich versprochen.

Nach dessen Aussagen hätte er sich bereits über einen Vierjahresvertrag mit Wenger geeinigt. Letzten Endes wurde Ramon Calderon neuer Chef in Madrid. Doch auch der sprach mit Wenger: "Er war sehr interessiert zu diesem Zeitpunkt."

Der Deal scheiterte aber an Wengers Liebe zum Spiel. Calderon erinnert sich: "Er fragte mich: 'Wollt ihr wieder einen Hollywood-Verein oder einen Fußball-Klub?'"

Das letzte Mal Highbury: Wenger verschwendete offenbar nur wenige Gedanken an einen Wechsel. Ein schwacher Moment in einer schwierigen Zeit. Arsenal war finanziell limitiert. Grund dafür war einer der emotionalsten Momente in Wengers Zeit bei Arsenal, das letzte Spiel im altehrwürdigen Highbury.

"Wir hätten uns alle schuldig gefühlt, wenn wir hier mit einer Niederlage rausmarschiert wären, nachdem, was hier in den vergangenen Jahrzehnten alles passiert ist", sagte Wenger nach der Partie.

Der 4:2-Sieg gegen Wigan Athletic war gleichbedeutend mit dem Umzug ins Emirates Stadium und der Aufnahme eines großen Kredits. Das weitaus größere Stadion sollte die glorreiche Zukunft des Klubs einläuten. Doch sportlich lief es weniger glorreich. Arsenal wurde Vierter in der Liga.

Die Erlösung: Und tatsächlich begann Wegners große Durststrecke. Neun Jahre mussten die Fans auf einen Titel warten. Am 17. Mai 2014 reckte Kapitän Mikel Arteta (zumindest) den FA Cup in die Höhe. "Ich freue mich für mein Team. Ich glaube das war ein Wendepunkt", sagte Wenger nach seinem fünften Pokal-Sieg.

Das erste "Arsene doesn't know": Doch eine spürbar neue Ära bewirkte auch das nicht, genauso wenig wie die Titelverteidigung im darauffolgenden Jahr. Die Fans sehnen sich nach der Meisterschaft. Am 19. März dieses Jahres forderten Fans erstmals öffentlich Wengers Rücktritt.

"Zeit für Veränderung! Arsenal FC. Nicht Arsene FC", konnte man auf den Schildern lesen. Wenger entschuldigte sich, dass er nicht "100 Prozent zufriedenstellen kann". "Ich glaube, das ist eher enttäuschte Liebe als echte Aggression", erklärte Wenger seine Sichtweise. Schließlich hätte Arsenal seit langem wieder angemessene Ansprüche auf die Meisterschaft gehabt.

Eine weitere Transferperiode, in der die Konkurrenz Namen wie Zlatan Ibrahimovic an Land zog und Arsenal sich eher bedeckt hielt, verschärft die Kritik. Idealist Wenger bleibt dennoch dabei: "Nicht Namen sind wichtig, sondern das Team."

Der Nur-noch-fünf-Minuten-Moment: Fußball-Purist eben. Das Spiel ist Wengers Lebensinhalt. Ob Wenger nach dieser Saison, nach der auch sein Vertrag endet, wirklich in Rente geht, ist unsicher. Die Liebe zum Verein ist zu groß. Darunter litt unter anderem auch Wengers Ehe mit seiner Ex-Frau Annie.

Ein unscheinbarer Moment in Wengers Karriere spiegelt seine wahre Liebesbeziehung perfekt wider. Im Jahr 1998 fand ein vielsagendes Gespräch mit seiner Annie statt: "Ich sagte meiner Frau: 'Noch fünf Jahre, dann höre ich auf'. Und ich bin immer noch hier."

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