Fallrückzieher-Treffer im Duett als erstes Saisontor? Es gibt sicherlich schlechtere Wege, als Aufsteiger in eine neue Premier-League-Saison zu starten. Abel Hernandez und Adama Diomande erzielten das Traumtor für Hull City ausgerechnet gegen den amtierenden Meister Leicester City. Obendrein gewannen die Tigers die Partie auch noch mit 2:1.
Nur eine Woche später gelang Hull das gleiche Kunststück nochmal. Die Truppe von Mike Phelan düpierte Swansea City. Dank der maximalen Punktausbeute aus zwei Spielen stehen die Tigers auf Rang drei, nur die beiden Klubs aus Manchester haben eine bessere Tordifferenz.
Erlebe die Premier League live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Ganz Hull müsste eigentlich auf einer Euphoriewelle schwimmen und die Pubs den Umsatz ihres Lebens machen. Eigentlich. Denn die sportliche Hochphase steht im krassen Gegensatz zu dem Chaos, das in der Führungsriege herrscht.
Nur 13 Mann im Kader
Der Auftaktsieg gegen Leicester erscheint noch unglaublicher, wenn man sich den Kader genauer ansieht. Denn von einem Kader kann eigentlich keine Rede sein. Nur 13 einsatzfähige Spieler standen gegen die Foxes auf den Spielberichtsbogen. Trainer Mike Phelan reagierte darauf ganz pragmatisch und ließ seine Startelf durchspielen. "Man muss immer an die Spieler glauben, mit denen man arbeitet. Und sie haben viel Charakter gezeigt auf dem Platz", sagte Phelan nach der Partie gegen Leicester.
Es blieb auch fast nichts anderes übrig. Gleich vier Spieler haben den Verein verlassen, darunter auch Aufstiegsheld Mohamed Diame, der sich lieber Absteiger Newcastle United anschloss. Und trotz der Verletzungen von Leistungsträgern der vergangenen Saison wie Allan McGregor, Alex Bruce und Moses Odubajo präsentierte Hull erst einen Neuzugang: Den 18-jährigen Will Mannion, der eigentlich für die U21 vorgesehen ist.
Bruce schmeißt hin
Die verbliebenen Spieler reagierten schon in der Vorbereitung mit reichlich Selbstironie auf die Rumpfmannschaft. Innenverteidiger Curtis Davis postete ein Foto aus dem Trainingslager zusammen mit acht Mitspielern, darunter war zu lesen: Hulls Kader 2016/17.
Ein tiefer Kader sieht eindeutig anders aus. Das dachte sich auch Aufstiegstrainer Steve Bruce und schmiss drei Wochen vor dem Beginn der Premier League hin, nachdem seine vehementen Forderungen nach Verstärkungen von Besitzer Assem Allam durchgehend ignoriert worden waren. Bruce-Nachfolger Phelan konstatierte erst kürzlich bei der BBC auf die Frage, ob Hull in der Premier League mithalten könne: "Ich würde sagen: nein."
Leidige Posse um Umbenennung
Doch es sind nicht nur die Sorgen um die Mannschaft, die das Umfeld von Hull und damit vor allem die Fans belasten. Es ist besonders Besitzer Assem Allam, der mit seinen Streitigkeiten so manchen zur Weißglut treibt.
Seit seiner Übernahme - für den symbolischen Preis von einem Pfund - zusammen mit seinem Sohn Ehab 2010 zeichnen Konflikte mit den Fans die Ägide von Allam aus. Vor allem die Debatte um die Änderung des Vereinsnamens in die "Tigers" ging als leidige Posse in die Klubgeschichte ein.
Da Allam, der sein Geld mit der Herstellung von Generatoren für die Marine verdient, der Beiname City schlicht zu öde war, stellte er einen Antrag auf Namensänderung bei der FA. Der Klub sollte fortan als Hull Tigers firmieren. Doch die auf die Tradition beharrenden Fans hielten davon gar nichts. Im Gegenteil, sie gingen auf die Barrikaden.
Schnell wurde die Initiative "City till we die" gestartet. Schals mit selbigem Aufdruck und eine entsprechende Online-Petition inklusive. Mit Erfolg. Die FA lehnte die Änderung ab. Allam musste sich damit begnügen, dass der Verein nur den Beinamen "The Tigers" erhielt. Dieser ziert seit 2014 nun das neue Logo des Klubs. Die Fans wurden bei der Implementierung des neuen Vereinswappens glatt übergangen.
Dauerkarten werden abgeschafft
Auch in diesem Sommer legte sich Allam mit den Fans an. Er schaffte Dauerkarten ab und führte ein neues Mitgliedersystem ein. Insgesamt wurden die Karten zwar billiger, dennoch mussten manche der treuesten Anhänger ihren Stammplatz auf der Tribüne räumen.
"Der Wunsch, dagegen zu protestierten, wie der Klub von den Allams geführt wird, ist stärker als jemals zuvor", gaben die Fans vor dem Auftaktspiel bekannt. Durch die kurzfristigen Erfolge scheinen sie jedoch ein wenig über den Argwohn gegenüber dem ungeliebten Besitzer hinweggetröstet. Wie lange noch ist wohl die entscheidende Frage.
Allam selbst scheint sein Spielzeug offenbar auch keinen Spaß mehr zu bereiten. Längst machen Gerüchte die Runde, dass der ägyptische Geschäftsmann dem Klub abgeben will. Sohn Ehab Allam bestätigte bereits, dass es Interessenten aus China, den USA und auch aus Thailand gibt. Verhandlungen sollen den gesamten Sommer über schon laufen. Deswegen wurde offenbar auch kein Kapital für etwaige Neuzugänge bereitgestellt.
FA sträubt sich gegen Coleman-Wechsel
Den gesamten Nebengeräuschen zum Trotz bemühte sich Hull, nachdem Steve Bruce hingeschmissen hatte, um einen neuen Trainer. Dabei gaben die Tigers aber wieder kein gutes Bild ab. Chris Coleman, der als Nationaltrainer mit Wales eine hervorragende Europameisterschaft gespielt hatte, sollte der Auserwählte sein.
Doch da er schon einen Vertrag mit dem walisischen Verband geschlossen hatte, war er nicht zu haben. Hull City versuchte trotzdem alles und guckte am Ende doch in die Röhre. So musste der eigentliche Co-Trainer Mike Phelan interimsweise übernehmen.
Phelan selbst wird wohl die langfristige Lösung bleiben. Dessen Arbeit ist schließlich auch nicht hoch genug zu bewerten. Während die Konkurrenz mit ihren breiten Luxuskadern aufwartet, mischt er die Premier League mit seiner Rumpftruppe auf.
Am Samstag könnte Hull im direkten Duell gegen Manchester United (18.30 Uhr Live auf DAZN und im LIVETICKER) sogar vorübergehend die Tabellenführung übernehmen. Die Frage scheint nur, ob er überhaupt elf Mann auf den Platz schicken kann.
Alles zu Hull City