Im April 2016 war Cesc Fabregas im englischen Fernsehen bei Sky zu Gast. Es war kurz nachdem der FC Chelsea bekannt gab, dass Antonio Conte ab kommender Saison den Verein übernehmen werde. Es ging vor allem um die bevorzugte Spielweise des neuen Coaches.
Rasch wurden mögliche Parallelen zu Contes erfolgreicher Zeit bei Juventus gezogen: Inwieweit wird der Italiener den Fußball der Bianconeri auf Chelsea übertragen? Welche Änderungen wird er vornehmen? Könnte Fabregas in London die Rolle von Andrea Pirlo übernehmen?
"Warum nicht? Ich liebe es, mir die Bälle weit hinten abzuholen. Ich liebe es, lange Pässe zu spielen und eine Verbindung zu den Vorderleuten herzustellen", antwortete der Spanier selbstbewusst. Rund fünf Monate später hat Antonio Conte seine Antwort gegeben: Nein, kann er nicht.
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Opfer eines allgemeinen Problems
Die Premier-League-Saison ist nun fünf Spieltage alt, Fabregas verbrachte dabei 32 Minuten auf dem Platz. Nur im League Cup gegen die Bristol Rovers und Leicester City spielte er von Beginn an. Die Partie gegen die Foxes, die Fabregas mit einem Doppelpack zu Beginn der Verlängerung entschied, könnte man nun als Wendepunkt bezeichnen. Sollte man aber nicht.
Zwar machte Fabregas eine gute Partie und verzeichnete ganze drei Torbeteiligungen, von einem Chef auf dem Platz im Stile eines Pirlo konnte aber keine Rede sein. Fünf Spieler der Blues hatten mehr Aktionen am Ball als Fabregas. Das Lob seines Trainers hatte er sich aber verdient. "Wir wissen alle, dass Cesc ein fantastischer Spieler ist", gestand Conte. "Wenn er so weiter macht, wird es sehr schwer für mich, ihn nicht für das Mittelfeld auszuwählen."
Worte, die dem Spanier Mut machen werden. Ob er sich den Stammplatz auch erkämpfen kann, ist aber nach wie vor fraglich und in erster Linie an ein großes Problem gebunden, das die Blues plagt: die Defensive. "Das Team muss eine gute Balance finden, wenn es den Ball hat und, was über allem steht, wenn es den Ball nicht hat", erklärte Antonio Conte jüngst und nannte eine Zahl, die ihm Schrecken bereitet: "Letzte Saison kassierte Chelsea 53 Gegentore."
Priorität: Defensive
Sogar West Bromwich Albion, Crystal Palace oder der FC Watford kassierten weniger Tore als die Blues. An dieser Schwäche orientierte sich auch die Transferpolitik der Londoner in diesem Sommer.
Mit N'Golo Kante, Marcos Alonso und David Luiz wurden fast nur Männer für die Defensive geholt. Wobei der Brasilianer auch nur eine Notlösung war. Conte hätte ihm Leonardo Bonucci oder Kalidou Koulibaly jederzeit vorgezogen, deren Transfers waren jedoch nicht realisierbar. Auch das heftige Werben um Radja Nainggolan (AS Rom), einem Arbeitstier im Mittelfeld, leuchtet ein.
Defensivarbeit ist nicht gerade die Stärke von Fabregas: "Ich bin nicht der schnellste Spieler und nicht der beweglichste in Bezug auf defensive Fähigkeiten, also muss ich immer perfekt mit meinen Hintermännern abgestimmt sein." Und genau darin liegt der Knackpunkt.
Pirlos Vorteil: Cescs Nachteil
Fabregas könnte natürlich die Rolle eines Andrea Pirlo einnehmen. In Sachen Übersicht und Fähigkeiten im Passspiel gehört der Spanier nach wie vor zur Weltklasse. Auch Pirlo war alles andere als ein Defensivkünstler. Doch der Italiener hatte bei Juventus einen entscheidenden Vorteil: Ihn sicherte die wohl beste Dreierkette der Welt ab.
Chelsea hat diese Qualität nicht und das Team arbeitet auch als Ganzes nicht so stark wie Juventus. In den sieben Pflichtspielen dieser Saison zappelte der Ball bereits zehn Mal im Tor der Blues - Zahlen, bei denen sich Conte sein dünnes Haar rauft.
Der Mister setzte bislang auf N'Golo Kante als Mann vor der Abwehr. In dem in dieser Saison bevorzugten 4-1-4-1-System füllt der Franzose in erster Linie die Rolle des Abräumers aus, er antizipiert die Bälle oder erobert sie zurück. Ist Chelsea länger im Ballbesitz, lässt sich Kante zwischen die beiden Innenverteidiger fallen und lässt so die Außenverteidiger weit vorrücken.
Der Angriff wird dann oft über die eigentlichen Flügelspieler Eden Hazard und Willian aufgezogen, die weiter in die Mitte rücken. Als Achter präferiert Conte schließlich die laufstarken Nemanja Matic und Oscar, die für die Kontrolle im Mittelfeld sorgen.
Conte: "Cesc ist Teil meiner Pläne"
"Wir haben jetzt den richtigen Kompromiss zwischen defensiven und offensiven Situationen gefunden", freute sich Conte vergangene Woche und unterstrich die Wichtigkeit des Brasilianers: "Oscar ist ein guter Spieler mit toller Technik, der beide Facetten beherrscht: Offensive und Defensive." Deshalb hat er auch noch die Nase vorn.
Fabregas muss sich hinten anstellen. Ob er am Samstag gegen seinen Ex-Klub Arsenal von Beginn an spielen darf, ist trotz seiner guten Leistung im League Cup offen. Bei Conte muss man sich einen Platz in der Startelf erst "verdienen", wie es der Mister oft betont. Dafür reicht ein gutes Spiel noch nicht. Fabregas scheint aber auf einem guten Weg. "Ich sehe ihn in jeder Trainingseinheit mit großem Eifer arbeiten", sagte Conte: "Cesc ist Teil meiner Pläne und der Pläne Chelseas."
Cesc Fabregas im Steckbrief