Als Mittelfeldspieler unter Pep Guardiola hat man es nicht leicht. Große Ruhe am Ball und versierte Technik ist gefragt, hohe Spielintelligenz, stete Freilaufbewegungen und damit eine gewisse Laufstärke sind ebenso gefordert wie schnelles Umschalten nach Ballverlust, Bereitschaft zu Defensivarbeit und angepasstes Verhalten in Über- wie Unterzahl.
Mancher Spieler kracht unter der Masse an Voraussetzungen, die der Katalane an ihn stellt, einfach zusammen. Yaya Toure ist so einer. In 80 Prozent der genannten Punkte ein brillanter Fußballer, die letzten 20 Prozent fehlen und Toure damit auch in der Aufstellung Manchester Citys.
Erlebe die Premier League Live und auf Abruf auf DAZN. Hol Dir Deinen Gratismonat
"Er kann alles", schwärmte Pep Guardiola dennoch wenige Wochen nach Amtsantritt schon von einem Mittelfeldspieler. Fernandinho war der Adressat des Lobes: "Er ist schnell, intelligent, stark in der Luft und kann auf verschiedenen Positionen spielen."
Der Brasilianer ist bisher eine zentrale Figur in den Spielen der Skyblues gewesen und wird auch nach der Genesung von Ilkay Gündogan noch immer seinen Teil leisten. Dieser könnte sich leicht ändern, wie das Spiel gegen die Tottenham Hotspur unter Beweis stellte.
Fernandinho zuvor kaum eingebunden
Doch von Anfang an. Unter Manuel Pellegrini durfte Fernandinho seine Fähigkeiten nur selten unter Beweis stellen. Das lag nicht an mangelnder Spielzeit, sondern schlicht an mangelnder Einbindung. Im letzten City-Jahr lief das Spiel primär über die Flügel nach vorne, die Zentrale wurde meist nur als Verbindung genutzt.
Schlechte Abstände im Aufbau und kaum vertikale Präsenz führten zum Spiel über die Außenverteidiger und von dort mithilfe von Überladungen in den gegnerischen Strafraum. Das Zentrum rückte nach und spielte vor allem in der Balleroberung eine entscheidende Rolle.
Eine U-Form würde Guardiola schimpfen und so stellte der Katalane nach Ankunft schnell um. Fernandinho begann als tiefster Mittelfeldspieler einer 4-3-3-Grundordnung und verknüpfte vorerst erste und zweite Aufbaulinie miteinander.
Guardiola beginnt im 4-3-3
Der 31-Jährige fiel mal zwischen die Innenverteidiger zurück, mal neben sie. Derweil schoben die Außenverteidiger, wie vom FC Bayern München bekannt, in die Zentrale. Fernandinho verbuchte die meisten Ballaktionen auf dem Feld, die Ballzirkulation Citys blieb aber noch relativ ungefährlich. Vertikalität war nur selten vorhanden, der Spielaufbau dafür sehr sicher.
Mit fortschreitender Zeit drehte Guardiola etwas an den Außenverteidigern, Fernandinho blieb aber konstant die Rolle als aufbauender Akteur zugeschrieben. Mit Kevin de Bruyne und David Silva zentral vor ihm war der Brasilianer Durchlaufstation und Spitze vieler Aufbaudreiecke.
Das änderte sich erst in den Spielen gegen die Totttenham Hotspur und Manchester United. Guardiola baute auf eine Art 4-2-3-1-Grundordnung um und schob Fernandinho gemeinsam mit einem zweiten Sechser etwas nach rechts.
Links oder lieber rechts?
Dort ist die Aufgabe noch immer gleich. Ballrotation zusammen mit meist Nicolas Otamendi und Bacary Sagna, um eine Gasse zu öffnen und entweder direkt in den Zehnerraum zu spielen oder auf rechts Navas ins Eins gegen Eins mit einem Verteidiger zu schicken.
Anders dagegen wenn Fernando in die Partie kommt. Dieser kümmert sich dann um die rechte Rolle, während Fernandinho nach links rutscht. Dort ist das Spiel anders ausgelegt, tendiert der linke Sechser doch sehr weit nach vorne, während der Linksverteidiger etwas zurückhaltender und zentraler agiert.
Fernandinho rutscht dann deutlich weiter nach vorne und ist Verbindungsstation zwischen linken Flügelspieler, Zehner und Stürmer, die durch Überladungen versuchen, Richtung Grundlinie durchzubrechen oder seitlich in den Strafraum zu kommen.
Rollenänderung mit Gündogan
Diese Rolle, das deutete Guardiola gegen die Spurs an, dürfte zukünftig immer öfter in die Hände von Gündogan fallen, während Fernandinho den rechten Part im zentralen Mittelfeld übernimmt.
Dabei überzeugt er mit sehr gutem Gespür für die richtige Balance des Teams. Stößt ein Innenverteidiger nach vorne, fällt Fernandinho hinein, sonst hält er sich etwas vor oder hinter den Defensivspielern, um ein Dreieck zu erzeugen.
Durch die auffächernde Bewegung beider Innenverteidiger öffnen sich vertikale Kanäle für den Torhüter, die Fernandinho klug besetzt und so erste Pressingreihen direkt umspielen kann.
Kein Vergleich zu Busquets
Dass er dabei nicht die spielerische Leichtigkeit von Sergio Busquets erreicht, ist auch Guardiola klar. Sein jetziger Mittelfeldspieler ist nicht ganz so elegant, wühlt dafür aber etwas mehr zwischen den Strafräumen. Definitiv verbessern muss Fernandinho jedoch seine Bälle zwischen die gegnerischen Linien.
Bisher macht City oft Wege durch vorstoßende Verteidiger oder eben den vorstoßenden Fernandinho, damit sich Silva und de Bruyne schließlich die Bälle auf kurze Distanz abholen. Das staucht das Team etwas und führt bei Ballverlusten zu gefährlichen Kontern.
Längere, flache Zuspiele wie sie etwa von Jerome Boateng in München genutzt wurden, hat City bisher äußerst selten im Repertoire. Noch einer der Kritikpunkte im bei weitem noch nicht perfekten Aufbauspiel der Skyblues.
Vertragsverlängerung bevor
Aber, wie eingangs erwähnt, ein Mittelfeldspieler unter Guardiola hat eben ein enormes Anforderungsprofil. Fernandinho wächst noch hinein. Wenn er seine Entwicklung fortsetzt, hat er gute Argumente, sich unersetzbar zu machen.
Somit scheint es nicht verwunderlich, dass die Verantwortlichen an einer Vertragsverlängerung basteln. Der Spieler selbst gibt nicht viele Töne von sich, ab Januar wäre er dank auslaufendem Vertrag allerdings auf dem Markt.
Einen Abgang will Guardiola um jeden Preis vermeiden: "Eine Mannschaft mit drei Fernandinhos würde Meister werden. Wir haben nur einen, aber dieser ist sehr wichtig für uns."
Fernandinho im Steckbrief