Am Wochenende kommt es zum Kracher zwischen dem FC Chelsea und Manchester United (So., 17 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER). Das Match verspricht nicht nur wegen der Rückkehr von Jose Mourinho an die Stamford Bridge Spannung pur: Beide Teams dürfen nicht verlieren, sonst verpassen sie früh in der Saison den Anschluss.
Die Ausgangslage
Obwohl beide Teams nach dem Saisonstart nur zwei mickrige Punkte voneinander trennen, gehen die Kontrahenten mit unterschiedlichen Vorzeichen ins Rennen.
Zum einen ist da Chelsea. Der Saisonverlauf des Tabellensiebten ähnelt einer wilden Achterbahnfahrt: Nach einem perfekten Saisonauftakt mit drei Siegen gegen die Pflichtaufgaben West Ham, Watford und Burnley wurde der Höhenflug der Blues jäh gebremst.
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Denn Chelsea stolperte direkt beim ersten namhaften Prüfstein und verbuchte aus den Duellen mit Swansea, Liverpool und Arsenal nur einen mageren Zähler. Stattliche sieben Gegentreffer kassierten Contes Schützlinge dabei - ein Albtraum für den defensiv getrimmten Taktikfuchs.
Nach knapp drei Monaten im Amt war der ehemalige Italien-Coach erstmals gefordert, die Blues vor einer anhaltenden Krise zu bewahren. Und er lieferte. Mit einem taktischen Kniff, auf den später genauer eingegangen wird, manövrierte er das Team mit zwei Zu-Null-Triumphen über Hull City und Meister Leicester wieder in das gewünschte Fahrwasser - pünktlich vor dem Aufeinandertreffen mit seinem indirekten Vorgänger Jose Mourinho. perform
So schlecht wie lange nicht mehr
Und dieser feierte zwar ebenfalls einen tadellosen Sprung aus den Startlöchern mit der maximalen Punkteausbeute gegen drei vergleichsweise kleine Fische aus dem umkämpften Aquarium namens Premier League. Anschließend verloren die Red Devils aber komplett die Konstanz.
Lediglich ein Liga-Sieg fuhren sie noch ein, dem gegenüber stehen zwei Pleiten und ebenso viele Remis (14 Punkte). "Es sind so viele Sachen neu und wir müssen hart arbeiten. Gleichzeitig hatten wir nicht wir nicht viel Glück", begab sich Zlatan Ibrahimovic auf Ursachenforschung für Platz sieben.
Natürlich ist es noch reichlich früh in der Saison, um dem Rekordmeister eine nachhaltige Krise aufzuschwatzen, aber die Situation nimmt selbst für einen erfahrenen Hasen wie Mou ein ungewohntes Ausmaß an. Letztmals war das Konto einer Mourinho-Mannschaft nach acht Spieltagen so spärlich besetzt, als der Arbeitgeber Uniao de Leiria (10 Punkte) hieß. Zur Einordnung: The Special One heuerte Anfang des Jahrtausends an der Westküste seines Heimatlandes an.
Das lief schlecht
Aus der Zeit bei Gli Azzurri und der Alten Dame ist bekannt, dass Contes Teams eine schwer zu durchdringende Defensive ins Feld führen. Bröckelt diese, drohen Nackenschläge wie in dieser Saison bereits geschehen.
Dabei ist die prekäre Lage in der Innenverteidigung so etwas die Achillessehne der Londoner. Auf dem Papier stehen zwar auch nach dem Kreuzbandriss von Kurt Zouma mit Gary Cahill, John Terry und David Luiz erfahrene Abwehrrecken zur Verfügung, in der Praxis sind die Probleme aber kaum zu übersehen.
Terry und Cahill machen alles andere als einen sattelfesten Eindruck und David Luiz war bereits in den letzten Monaten in Paris auf der Suche nach seiner alten, souveränen Form. Conte sah sich daher gezwungen, den gelernten Außenverteidiger Cesar Azpilicueta zentral hinten reinzustecken. Kein Wunder, dass die Gerüchteküche um Koulibaly, Bonucci und Romagnoli fleißig vor sich hin brodelt.
Aber nicht nur wegen etwaigen Neuzugängen überschlagen sich die englischen Medien, auch intern wollen die Gazetten einen Zoff ausgemacht haben. So soll Diego Costa beim 3:0-Erfolg gegen Leicester regelrecht um seine Auswechslung gebettelt haben, weil er mit den Anweisungen unzufrieden sei.
"Ich entscheide über die Auswechslungen. Costas Leidenschaft ist wichtig für das Team", erklärte Conte, der die Bitte gekonnt ignorierte. Dennoch, so die Berichte, soll der Klub den Stürmer ermahnt haben, dem Übungsleiter mehr Respekt zu zollen.
"Spieler sind nicht unantastbar"
Auch für Mourinho sind Härtefälle im Kader längst Gang und Gebe. Bastian Schweinsteiger kann davon ein Lied singen und auch Kapitän Wayne Rooney bekam das zuletzt in Form eines Bankplatzes zu spüren. "Unantastbar sind der Teamgeist, der Einsatz und der Respekt zu den Fans - das muss untastbar sein und nicht die Spieler", stellte der Coach am Mittwoch unmissverständlich klar.
Doch das Auftreten der Red Devils ist derzeit alles andere als unantastbar. Besonders das wenig mitreißende Match gegen die Reds, als United den geringsten Ballbesitzwert seit Beginn der Opta-Datenerfassung 2003/04 (35 Prozent) verzeichnete, sorgte für viel Unverständnis.
Die Stars tauchen regelmäßig unter und ziehen so die Social-Media-Häme auf sich. Weltrekord-Transfer Paul Pogba, der seine Rolle im neuen Team noch längst nicht gefunden hat, ist das beste Beispiel. Insgesamt haben sich die Individualisten noch nicht als Team gefunden und so mangelt es United an einer klaren Linie.
Das lief gut
Als die Saison zu kippen drohte, analysierte Conte die Problemfelder gekonnt und erkannte, an welchen Schrauben er drehen muss. Er stellte das System von einem 4-1-4-1/4-2-4 auf ein 3-4-3/-3-4-2-1 um. Dadurch zementierte sich Chelseas Abwehr umgehend und die Null kehrte zurück.
"Wir waren besser mit Ball und ohne Ball und wir haben weniger Chancen zugelassen", erklärte N'Golo Kante, der im defensiven Mittelfeld den Laden dicht machen soll.
Überhaupt bewies Conte Mut, indem er beispielsweise den beinahe vergessenen Viktor Moses reaktivierte und zuletzt in die Startelf packte. Der Nigerianer blüht langsam aber sicher auf und traf immerhin zwei Mal.
Dank der stabilen Hintermannschaft genießen die Offensivakteure wieder mehr Freiheiten und deshalb ist nicht nur Moses unter dem Italiener auf dem Weg zu altbekannter Stärke: Costa wird besser gefüttert und knipste bereits sieben Mal (Vorsaison: 12 Treffer), Hazard wirbelt auf dem linken Flügel deutlich furioser als noch vor der Sommerpause. Der dribbelstarke Belgier hat bereits drei Buden auf dem Konto.
Mourinho als Spielverderber
Ähnlich wie sein italienischer Kollege hatte Mourinho nach der verkorksten Saison 2015/16 einen Hauptauftrag: Stabilisierung. Und das gelang Mourinho bis zu einem gewissen Grad zumindest. So standen die Red Devils über weite Strecken der jungen Saison ordentlich gestaffelt und De Gea ging bereits drei Mal mit einer blütenweißen Weste in Richtung Dusche.
Auch mit dem torlosen Remis gegen Liverpool war The Special One dementsprechend einverstanden. "Es war das Spiel, das wir geplant hatten. Wir wollten die Partie nicht durch Ballbesitz kontrollieren. Wir wussten, dass es für sie sehr schwer werden würde, ein Tor zu erzielen. Wir hatten alles im Griff", konstatierte er nach dem Abpfiff.
Mourinho liebt und kennt die Rolle als Spielverderber wie kaum ein anderer seiner Zunft und feierte mit dieser Taktik bereits mit Inter und Chelsea große Erfolge. Nun hat er bei United exzellentes Spielermaterial, das er in den nächsten Wochen und Monaten nach seinen Vorstellungen zu einer Einheit formen kann.
Gelingt es dem Trainer, die Bindung zwischen den Mannschaftsteilen zu verbessern, treibt das Teamgefüge den gegnerischen Angreifern die Schweißperlen auf die Stirn. Unabhängig davon ist die Offensive um Zlatan Ibrahimovic zu jedem Zeitpunkt für ein Tor gut: Der Schwede kam hervorragend in die Saison, versenkte vier seiner ersten 15 Schüsse in der Premier League und kann gegen jeden Gegner zum X-Faktor werden.
Prognose
Wenn am Sonntag der Clash zwischen den zwei Top-Teams steigt, dürfte die Anspannung der Verantwortlichen nicht nur wegen Mourinhos Rückkehr und dem damit verbundenen Prestige in jeder Szene zu spüren sein, auch die sportliche Situation birgt reichlich Zündstoff.
"In dieser Woche geht es darum, mit der Konkurrenz in Kontakt zu bleiben. Es kommt der Zeitpunkt, an dem wir drei, vier oder fünf Spiele am Stück gewinnen und mit jedem um den Titel spielen werden", will Mourinho die Rivalen nicht aus den Augen verlieren.
Ein erneuter Nackenschlag ließe nicht nur die Konkurrenten enteilen, sondern auch das eigene Team tiefer in den Abwärtsstrudel ziehen. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, muss der Rekordmeister aber inspirierter auftreten als über weite Strecken noch gegen die Reds.
Denn verbarrikadieren sich die Gäste wieder weitgehend um den eigenen Strafraum, kommt die Qualität der Offensive gar nicht erst zur Entfaltung. Zumal die Red Devils von Chelsea wohl kaum ausreichend Räume angeboten bekommen, um mit blitzartigen Kontern zur Torgefahr zu bekommen.
Offener Schlagabtausch? Wohl eher nicht
Denn Conte legt großen Wert auf kontrollierten Angriffsfußball und wird seinerseits versuchen, United tief in der eigenen Hälfte zu binden, ohne dabei großes Risiko einzugehen. Denn im letzten Drittel können Hazard und Co. auch ohne viel Platz mit Einzelaktionen hinter die letzte Linie gelangen, um dann für Torgefahr zu sorgen.
Angesichts der tabellarischen Lage gilt für beide Teams: verlieren verboten. Ein Sieg wäre wünschenswert, mit einer Punkteteilung können aber beide leben. United würde mit einem Remis zwar keine Kehrtwende einläuten, den erhofften Kontakt zu Chelsea aber aufrechterhalten.
Die Blues ihrerseits würden einen direkten Rivalen weiterhin hinter sich lassen und das dritte Match in Folge ungeschlagen bleiben. Daher ist ein offener Schlagabtausch so unwahrscheinlich wie ein Blumenstrauß, den Mourinho seinen alten Weggefährten als Gastgeschenk überreicht.
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