"Manche Leute setzen auf Transfers. Ich ziehe Training vor", sagte Jürgen Klopp vor gar nicht allzu langer Zeit. Ausgerechnet der Mann, der sich damals gegen das System stellte, bekommt nun einen Sportdirektor zur Seite gestellt und meint selbst: "Ich war begeistert, als er mir gesagt hat, dass er den Job annehmen wird."
Michael Edwards heißt der gute Mann und soll fortan die Rückendeckung von Klopp sein. Zuletzt technischer Direktor wurde Edwards im November zum neuen Sportdirektor des FC Liverpool ernannt. Aufgaben: Die Transfers von Spielern, genauso aber Koordination im Verein und Arbeit an Trainingsgelände und Infrastruktur.
Gerade in England ein ungewohnter Schritt. Die Premier League setzt nicht überall auf einen Sportdirektor, die Trainer werden hier oft deutlich stärker in Transfers eingebunden als in der Bundesliga. Klopp hatte einst Michael Zorc, nun hat er Edwards: "Es ist kein Geheimnis, dass ich das Konzept eines Sportdirektors mag und dieses Modell als positiv und modern erlebt habe."
Arbeitsbedingungen zu verbessern
Doch was lässt Klopp nun derart frohlocken? "Er hat das Wissen, die Fachkenntnis und die Persönlichkeit, um in dieser Rolle aufzublühen", erklärt der LFC-Coach und zählt seinen neuen Partner direkt zu "den Besten" des Geschäfts. Die Aufgaben beim Klub sind zahlreich und könnte wegweisend für die Zukunft der Reds sein.
Neben den Transfers warten vor allem organisatorische Aufgaben auf Edwards, der Schritt für Schritt die Arbeitsbedingungen Klopps verbessern soll. Da wäre etwa die große Distanz zwischen dem Trainingsgelände in Melwood und der Academy Liverpools. "Ich denke es macht Sinn, die Umstände wo und und wie zu verbessern", merkte Klopp im Oktober etwa an.
Der Mann, der schon mehrere Neulinge in die erste Mannschaft reinschnuppern ließ, will eine bessere Anbindung zur Jugend. "Natürlich müssen wir über Verbesserung nachdenken und Dinge entwickeln, um es leichter zu machen, das Beste aus unseren Talenten herauszuholen", so Klopp.
Qualität vor Quantität
Academy-Leiter Alex Inglethorpe begann 2015 damit, die Nachwuchsabteilung der Reds Schritt für Schritt auszudünnen. Was unmenschlich klingt, hat vor allem einen Sinn für den Klub: Qualität vor Quantität. Das ist die neue Methode im roten Teil Merseysides.
Die Eigentümer aus der Fenway Sports Group haben auch deshalb Edwards seine neue Position ermöglicht. "Er ist ein extrem talentierter Fußball-Funktionär und hat bewiesen, dass er einen außergewöhnlichen Wert für den Klub hat", legte FSG-Präsident Mike Gordon die Latte bei Amtsantritt nicht gerade niedrig.
Qualität vor Quantität zählt neuerdings. In der Jugendarbeit, bei den Funktionären und im Kader. "Als Jürgen hier zum Trainer wurde, war klar, dass die hohe Qualität der Spieler ein entscheidender Faktor im Entscheidungsprozess werden würde", so Gordon. Diese soll weiter ausgebaut werden.
Langfristige Lösung gesucht
Das Scouting funktionierte schon immer gut bei den Reds. Doch oft waren es die Verhandlungen, die Ziele wie Alexis Sanchez, Henrikh Mkhitaryan, Willian oder Yevhen Konoplyanka letztlich andere Entscheidungen treffen ließen. Unter Edwards soll sich das möglichst ändern.
Ian Ayre, indirekter Vorgänger, zieht es zum TSV 1860 München. Die Kontakte eignete sich Edwards bereits mit tatkräftiger Unterstützung an und ist selbst optimistisch gestimmt: "Wir haben ein brillantes Team an Leuten, die alle einen großen Anteil zum Transfer-Prozess beitragen."
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Das Team soll auch über Klopp-Zeiten hinweg bestehen. Das ist der große Gedanke hinter der Einsetzung von Edwards, die Langfristigkeit. Ironischerweise erklärt das der Trainer selbst. Klopp denkt eben mit.
"Wir versuchen eine Struktur für den LFC aufzubauen. Dieser wundervolle Klub hat seine Philosophie in den letzten 10-15 Jahren drei oder vier Mal geändert, weil verschiedene Trainer kamen und sagten: 'Machen wir dies, ändern wir jenes.' Das ist der englische Weg, Dinge zu tun - ein neuer Trainer kommt und du musst alles über den Haufen werfen."
Der englische Weg ist vorbei
Der englische Weg ist nicht mehr gefragt in Liverpool. Europäisch soll es werden. Dank Klopp und dank Edwards. "Trainer werden entlassen weil die Resultate nicht stimmen, aber dafür kann jede Menge um sie herum gut gewesen sein. Wir haben versucht eine Situation zu schaffen, in der alles rundherum perfekt ist. Wenn der Trainer sich in der Zukunft verändert, wird dieser Klub eine gute Basis haben."
Bezeichnend, dass der englische Mirror nach Amtsantritt Edwards vor allem einen Punkt als Aufgabe aufführte: Endlich gute Transfers machen. Fehleinkäufe wurden aufgezählt und deren Summen genannt. Der neue Mann sei ein "Laptop-Guru", kein "echter Fußball-Mann" und sowieso sei Klopp "besessen mit dem Deadline-Day."
Die neue Denke in Liverpool erinnert etwas an die großen Unternehmen in der Wirtschaft. Dort bildet jede leitende Person ihren Nachfolger bereits mit aus. Klopp bildet nicht unbedingt den nächsten Trainer aus, aber er stellt ihm schon jetzt einen Werkzeugkasten auf den Schreibtisch.
"Ich weiß viel, aber nicht alles"
Die Individualität eines Trainers, und das signalisiert Liverpool, ist im Fußball schon lange nicht mehr alles. Das scheint nun auch auf der Insel angekommen zu sein. Ein bisschen schadet aber nie. Die Mischung aus Klopp und Edwards kann ein wegweisender Schritt in der Entwicklung des englischen Fußballs sein.
Die Erkenntnis, dass Trainer keine "One-Man-Show" sind, so Klopp, ist entscheidend. Arsene Wenger vom FC Arsenal muss sich seit Jahren für seine Entscheidungen kritisieren lassen. Das wird auch in Liverpool nicht anders sein. "Es ist immer mein Spieler, ich kann niemandem dafür die Schuld in die Schuhe schieben. Ich kann mit dem Druck umgehen", erklärt Klopp.
Er kann aber genauso Kompetenzen abgeben: "Ich bin ein Spezialist im Fußball. Ich weiß viel, aber nicht alles. Finanzen zum Beispiel. Ich habe gerne die besten Leute um mich und Michael ist ganz sicher einer der Besten, die ich je getroffen habe." Große Worte, große Pläne, große Taten?
Der FC Liverpool im Überblick