Kann Pep Guardiola Premier League? Das war die große Frage, die sich stellte, als der Katalane in die selbsternannte beste Liga der Welt aufbrach. 18 Spiele sind absolviert, die Frage ist die gleiche geblieben. Kann Pep Guardiola Premier League? Es ist ein kniffliges Rätsel, das es aufzuklären gilt.
Vor dem Kracher zum Jahresabschluss gegen den FC Liverpool stehen die Citizens auf Rang drei, haben aber sieben Punkte weniger als der Tabellenführer FC Chelsea. Pep Guardiola nähert sich einer Situation an, die er bisher nicht erleben musste. Die Leistungen seiner Mannschaft haben den sonst so deutlich vom Rest getrennten Guardiola sterblich gemacht.
Wann stand eine von Pep trainierte Mannschaft zuletzt auf Rang drei? Doch woran liegt es nun? Es herrscht die Legende der harten Premier League vor. Der Liga mit der größten Action, der Liga mit der größten physischen Präsenz.
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Der große, böse lange Ball
Juego de Posicion? Grätsche! Mitspielender Torhüter? Englische Härte! Seite überladen? Flanke und Kopfball! Guardiola selbst führt an, die Liga unterschätzt - oder doch eher falsch eingeschätzt - zu haben. "Hier ist es das Wichtigste, den zweiten Ball zu verteidigen", erklärt er immer und immer wieder.
Der zweite Ball soll der große Feind sein. Direkt neben dem langen Ball. Eine einfache Logik, mit der sich die Öffentlichkeit schnell zufrieden gibt. Ja, der große, böse lange Ball muss es sein, der dem Modell Guardiolas in der Premier League die Umsetzung erschwert.
Der Trainer selbst treibt diese Theorie in seinen Pressekonferenz voran. Ein Mann, der sein Modell noch nie zur Diskussion gestellt hat, spielt nun plötzlich das Theater mit. Er erkauft sich Zeit und Ruhe für seine Mannschaft. Denn eines weiß Guardiola: Seine Spielidee ist nicht verhandelbar.
Wo liegt das Problem wirklich?
Die klassischen englischen Mannschaft, die mit dem langen Holz, wurden allesamt besiegt. Egal ob Crystal Palace, Hull, Watford, Burnley oder Swansea, am Ende hieß der Sieg in diesen Duellen immer Manchester City. Drei Niederlagen sind es in dieser Saison, drei Niederlagen, die nicht nur durch den zweiten Ball entschieden wurden.
Da wären die Tottenham Hotspur, die einen durchaus ähnlichen Fußball spielen. Da wären Leicester City und der FC Chelsea. Zwei Spiele, die die Probleme der Skyblues aufdeckten. Diese Niederlagen sollten eigentlich eine eigentlich für eine breitere Diskussion sorgen, haben sie aber nicht.
Leicester überrollt die Defensive
Das Duell mit Leicester City: 0:4 stand es zwischenzeitlich, Jamie Vardy und Ryad Mahrez hatten die gegnerische Defensive mehr als einmal mit heruntergelassenen Hosen erwischt. Schnell gingen die Foxes in Führung und hatten somit die perfekten Bedingungen, um ihr geliebtes Konterspiel aufzuziehen.
Aleksandar Kolarov drehte sich nach Anspiel mit Rücken zum Feld, Leicester übte Druck auf ihn aus. Es folgte der lange Schlag ins Zentrum. Huth gewann das Kopfballduell, Slimani konnte auf Stones zugehen, der das Herausrücken aus der Defensive verpasste und so den Pass zum Torschützen Vardy ermöglichte.
Zwei individuelle Fehler und Manchester City lag nach drei Minuten hinten. Andy King markierte mit einem Traumtor nach fünf Minuten das 2:0, Leicester konnte sich in ein enges 4-4-2 zurückziehen und auf seine Chancen warten. Diese Chancen kamen und das durchaus zahlreich.
Probleme im defensiven Umschalten
Vermehrt verlor City den Ball in zentralen Positionen und kam nur schwer ins Gegenpressing. Das defensive Umschalten ist der erste große Punkte auf der Liste von Guardiola. Natürlich kann ein hoher Ball nicht verhindert werden, doch kann er ungenau gepresst werden.
Seine Spieler litten besonders darunter, die Bälle kamen genau und die magere Absicherung wurde eiskalt erwischt. Mahrez und Vardy machten aus Gleich- oder Unterzahlsituationen gute Chancen. Für Guardiolas Spiel sind viele Spieler vor dem Ball ebenso wichtig wie eine hohe Defensive.
Das erfordert hohe Qualität, die seine Spieler in der Viererkette schlicht nicht bieten. Das würde er so natürlich nie offen sagen, man erinnere sich an 1000 Dantes, aber letztlich zog er auf Nachfrage doch seine Hände in die Ärmel seines Pullis und sagte mit hochgezogenen Schultern: "Ich hoffe, dass wir uns verbessern können."
Debatte kommt Guardiola recht
Das 4:0, der Todesstoß, führte schließlich zum nächsten Problem. Die Citizens sind zu unsicher im eigenen Ballbesitz. Stones wurde, wie zuvor Kolarov, unter Druck gesetzt, spielte einen schlampigen Ball auf den Torhüter, den Vardy abfangen und zum nächsten Treffer verwerten konnte.
Die gleichen Probleme legte eine Woche später auch Chelsea offen. Die Blues drehten die Partie mit einem mannorientierten, hohen Pressing, erzwangen Fehler und konnten City vermehrt ins defensive Umschalten bringen. Schwachpunkt führt zu Schwachpunkt führt zu Gegentor.
Die Debatte um zweite Bälle und hohe Befreiungsschläge kam Guardiola da nur Recht. So konnte er davon ablenken, dass sein Team der eigenen Idee bisher nicht gewachsen ist. Denn auch in Deutschland oder Spanien werden Ballverluste und Kopfballduelle gespielt, sie waren dort nur seltener und sind besser verteidigt worden.
Von Alaba zu Kolarov
Xavi und Andres Iniesta gab Guardiola einst mit auf den Weg, nicht ins Kopfballduell zu steigen, sondern sich schon in die mögliche Richtung des Balls zu orientieren. So ist direkt Druck auf dem Ball, das Spiel des Gegners schlampig. Diese Gedankenschnelligkeit scheint im defensiven Verhalten abzugehen, während im offensiven Verhalten Ruhe und Sicherheit fehlen.
David Silva und Kevin de Bruyne verlieren den Ball, wenn er vom vorgestoßenen Kolarov in eine Drucksituation hineingespielt wird. Der Konter läuft dafür umso besser, da der Serbe, wie aufgetragen, die Defensive für seinen Pass verlassen hat. Nicht umsonst ließ Guardiola in München gerne David Alaba auf dieser Position spielen.
Die entsprechenden Qualitäten fehlen auf manchen Positionen schlichtweg noch. Das mag manchen Ich-Will-Guardiola-Erst-Bei-Darmstadt-Sehen-Kritiker bestätigen, ist aber bittere Wahrheit. Guardiolas Idee braucht bestimmte Voraussetzungen. Sind diese nicht gegeben, muss er sich anpassen.
Punkteschnitt ist meisterlich
Das wird er tun, das steht außer Frage. Das tat er auch nach seinem Wechsel von Barcelona zum FC Bayern. Bis dahin ist City gut genug für die Premier League, aber nicht gut genug für die gehobene Klasse der Premier League oder der Champions League.
Es fehlt gewiss nicht an allem, denn auch in den Spielen gegen Chelsea und Leicester hatte City auch jede Menge Chancen. Und kein Team hat dem Tabellenführer bisher ähnliche Probleme bereitet, wie Guardiolas Team in der ersten Hälfte.
Trainer und Mannschaft sind noch auf der Suche zueinander, nicht umsonst betont auch Guardiola immer wieder, dass es sich um einen Prozess handle, der jeden Spieltag auf die Probe gestellt wird.
All das reicht bisher für Rang drei, mit einem Punkteschnitt von 2,1. Im letzten Jahr wurde Leicester mit eben jenem Schnitt Meister.
Manchester City im Überblick