Wenn es wirklich noch ein allerletztes Zeichen dafür brauchte, dass dem FC Liverpool ein besonderes Spiel bevorsteht, dann gab es dieses Zeichen am Dienstagabend. "Ich habe gehört, dass Pep Guardiola heute im Stadion war", sagte Jürgen Klopp nach dem 4:1-Sieg seiner Reds gegen Stoke City, sein Sportdirektor Michael Edwards hatte ihm diese Info geflüstert, "und ich bin nicht sicher, ob er viele Spiele von anderen Konkurrenten in den letzten Wochen im Stadion gesehen hat."
Der Besuch von Pep eine Adelung für Klopp.
Eine Adelung, die Klopp kommentierte, wie Klopp eben Dinge kommentiert, mit denen er konfrontiert wird: Mit Humor. "Hoffentlich hatten wir keine Securities im Stadion und Pep musste die ganze Zeit Autogramme schreiben", sagte Klopp. Dann wäre Guardiola vor lauter Ablenkung beste Unterhaltung entgangen, denn "womöglich wollte Pep einfach nur guten Fußball sehen", witzelte der deutsche Trainer.
Wollte er vordergründig natürlich nicht, er wollte Klopps Liverpool, das derzeit einen Punkt vor Peps City liegt, vor dem direkten Duell am Silvesterabend (18.30 Uhr live auf DAZN) begutachten. Und was Guardiola von den Reds zu sehen bekam, war wohl genau das, was er ohnehin erwartet hatte. Falls er denn das eine oder andere Liverpool-Spiel zuvor im Fernsehen verfolgt hatte, wenn er schon nicht im Stadion war.
Er bekam eine Liverpool-Elf zu sehen, die defensiv teils fahrig und fehlerhaft agierte. Eine Elf, die nach einem Rückstand, vom Trainer an der Seitenauslinie angetrieben, Moral und Siegeswillen bewies. Auch eine Elf, die zeitweise unfassbar druckvoll, zielstrebig und auch begeisternd spielte. Und eine Elf, die letztliche doch deutlich gewann. Durchschnittlich in jedem dritten Premier-League-Spiel erzielt Liverpool in dieser Saison vier oder mehr Treffer. 45 insgesamt, Ligabestwert.
Bekannte Gesichter auf der Weihnachtsfeier
"Selbstvertrauen fehlt meinem Team derzeit eher nicht", sagte Klopp. Was dem Team fehlt, ist dagegen Zeit für Regeneration und Training. Das hat der britische Fußball in der Weihnachtszeit an sich. Am 27. Dezember traf Liverpool also auf Stoke, am 31. wartet City und nur etwas mehr als 40 Stunden später steht das Auswärtsspiel beim AFC Sunderland auf dem Programm.
In der vergangenen Saison, Klopp war gerade mal ein paar Wochen in Liverpool, haderte er noch mit dem intensiven Spielplan in der Weihnachtszeit, nun genießt er ihn fast. "Wir feiern Weihnachten zuhause und spielen dann Fußball, das ist doch cool", sagte er jüngst, "und wir sind jetzt besser vorbereitet als damals."
Damals hatten seine Reds im Herbst auch noch sechs Europa-League-Spiele mehr zu absolvieren, das merkte man, "und außerdem kennen wir uns mittlerweile alle besser". Nicht nur Klopp und seine Spieler, sondern wirklich alle im Klub.
Bestes Indiz dafür ist, dass Klopp bei der offiziellen Weihnachtsfeier in keine ihm fremden Gesichter blickte. "Das war ein großer Unterschied zur vergangenen Saison", sagte Klopp, "damals hatte ich bei einigen Mitarbeitern keine Ahnung, wie sie überhaupt heißen."
Klopp ist angekommen, fast schon ein richtiger Liverpudlian. Die Atmosphäre im Klub sei sogar "ähnlich zu dem, was wir damals in Dortmund hatten".
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Wagenburg an der Anfield Road
Klopp schafft eine Wagenburgmentalität, er steht auch in komplizierteren Zeiten vor seinen Spielern. Roberto Firmino wurde am Weihnachtsabend in wohl betrunkenem Zustand von der Polizei aus dem Straßenverkehr gezogen. Klopp vertraut ihm trotzdem, Firmino stand gegen Stoke in der Startelf. "Er war der beste Mann im Training, es gab keine Chance, ihn draußen zu lassen. Keine Chance."
Zu wichtig ist Firmino für das Offensivspiel von Liverpool derzeit, das bewies er mit seinem Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1 gegen Stoke mal wieder. Vor allem seit der Verletzung von Angriffspartner Philippe Coutinho, der wohl auch noch gegen City fehlen wird. Nicht fehlen wird dagegen die Unterstützung der Fans. Das beste an der Partie gegen City sei, dass sie an der heimischen Anfield Road stattfinde, sagte Klopp.
Trotz allem Humor, über den Klopp verfügt, mussten dann aber natürlich auch noch die bekannten Floskeln verteilt werden, fast wie kleine Weihnachtspäkchen. Nur eben ohne den Überraschungseffekt. "Es wird ein schwieriges Spiel für beide Mannschaften", klar, aber natürlich auch "schön" und sogar "aufregend." Er freue sich darauf. Warum? "Weil sie eine herausragende Mannschaft haben und wir auch nicht allzu schlecht sind."
Darüber weiß Guardiola spätestens seit seinem Anfield-Road-Besuch am Dienstagabend Bescheid. Bei Klopp sieht das anders aus: "Ich respektiere Manchester City sehr, aber ich war weder diese noch letzte Saison als Zuschauer in ihrem Stadion."
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