"Wir erstarren vor Pep nicht in Ehrfurcht"

Von Mario Krischel
Uwe Hünemeier machte im Früh-Sommer den Aufstieg mit Brighton in die Premier League perfekt
© getty

Mit Brighton & Hove Albion machte der Ex-Paderborner Uwe Hünemeier im April den Aufstieg in die Premier League perfekt. Dort warten zum Auftakt direkt Pep Guardiola und Manchester City. Im Interview spricht der deutsche Verteidiger über Party-Probleme in Südengland, zwei nicht zu vergleichende Märchen und erklärt, warum Vereine ohne ihn offenbar nicht klar kommen.

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SPOX: Herr Hünemeier, Premier League! Haben Sie das inzwischen begriffen?

Uwe Hünemeier: Da der Spielplan inzwischen raus ist, ist das Ganze ein bisschen greifbarer. Der Auftakt gegen Manchester City ist natürlich ein Brett, aber da freuen wir uns riesig drauf.

SPOX: Nach dem Sieg gegen Wigan und dem Platzsturm im Stadion sind Sie mit den Fans durch die Stadt gezogen und haben gemeinsam gefeiert. Wie ist der Abend geendet?

Hünemeier: Der Club, den wir gemietet haben, hat schon um 1 Uhr dicht gemacht. Danach sind wir noch durch die Straßen getingelt und haben mit den Fans gefeiert, das habe ich so auf jeden Fall noch nicht erlebt. Problematischer wurde es erst später: Ein Mannschaftskollege und ich wollten um halb drei in der Nacht irgendwo in der Stadt in Ruhe etwas essen gehen. Auf einmal war das ganze Lokal voll, weil Fans es gestürmt hatten. Dann hat der Betreiber gesagt: "Verschwindet alle" und wir mussten uns etwas Neues suchen. Das war uns dann aber auch zu blöd.

SPOX: Gab es so etwas in Deutschland auch schon mal für Sie?

Hünemeier: In Paderborn sind wir auch mit den Fans in die Disko gegangen. In München oder Dortmund wäre das schwieriger. Dass es hier so friedlich und ohne Randale abläuft, zeichnet England allerdings aus.

SPOX: Hand aufs Herz, hätten sie bei Ihrem Wechsel 2015 aus Paderborn damit gerechnet, mit Brighton mal in der Premier League zu spielen?

Hünemeier: Absolut nicht! Premier League stand überhaupt nicht auf meinem Plan. Als ich kam, war Brighton 17., deswegen konnte man das nicht erwarten. In der ersten Saison habe ich aber schnell gemerkt, dass wir doch eine ziemlich gute Mannschaft haben. Wir sind dann knapp gescheitert. Glücklicherweise konnte der Verein die besten Spieler halten, weswegen recht deutlich wurde, dass im nächsten Jahr ein neuer Anlauf gewagt wird.

SPOX: Wie groß war der Anreiz, es in diesem Jahr doch zu packen? Schließlich fehlten in der Vorsaison nur zwei Tore zum Aufstieg.

Hünemeier: Hätten wir das Hinspiel gegen Middlesbrough nicht 0:3, sondern nur 0:2 verloren, wären wir aufgestiegen, aber so war es leider nicht. Das hat uns für die vergangene Saison umso mehr angespornt, wir wollten unbedingt aufsteigen und haben es überragend gemacht.

SPOX: In der Bundesliga haben Sie es mit Paderborn vorgemacht. Auch mit Brighton, einem Klub, der vor wenigen Jahren noch am Abgrund klebte, ist der Aufstieg trotz der guten letzten Saison eine kleine Überraschung. Sind Sie ein Mann für die modernen Fußball-Märchen?

Hünemeier: Es hat in den letzten Jahren zumindest ganz gut geklappt. Es ist schon cool, dabei gewesen zu sein, aber das hat natürlich nicht nur an mir gelegen. Trotzdem ist es eine schöne Bestätigung für die eigene Arbeit und ein Anreiz, es in Zukunft so weiterzuführen. Ich will Erfolg haben, das zeige ich immer von Beginn an.

SPOX: Welcher Aufstieg war außergewöhnlicher?

Hünemeier: Die Sensation war in Paderborn größer, ganz klar. Mit den Möglichkeiten, die dort eigentlich nicht vorhanden waren und meiner Verbundenheit zur Heimat war es definitiv besonders. Gerade, weil ich auch Kapitän war.

SPOX: Was bringt Brighton & Hove Albion der Premier League?

Hünemeier: Was uns in den letzten zwei Jahren ausgezeichnet hat, ist der Teamgeist. Dass wir es nach dem ersten Rückschlag doch noch in die Premier League geschafft haben, spricht für den Charakter unserer Mannschaft. Wir haben nicht sehr viele Stars, wir leben vom Kollektiv. Das muss auch in der neuen Saison so sein. Ich bezweifle, dass wir riesig in den Kader investieren werden. Der Verein weiß, was er an den Spielern hat, die momentan da sind. Trotzdem ist allen klar, dass wir noch mehr Qualität brauchen, um mithalten zu können.

SPOX: Durch den Aufstieg sind über 200 Millionen Euro garantiert. Was verändert sich durch den finanziellen Schub für den Verein?

Hünemeier: Die Strukturen werden sicherlich nicht auseinandergerissen und der Kader nicht durchgewürfelt. 40-Millionen-Transfers wird es hier nicht geben. Natürlich wird mehr Geld ausgegeben, aber eben sinnvoll. Bournemouth oder Watford haben es ganz gut vorgemacht, mit Bescheidenheit und Ruhe ein beständiger Premier-League-Klub zu sein. Da wollen wir hin.

SPOX: Was bedeutet der Aufstieg für die Stadt Brighton und die Infrastruktur?

Hünemeier: Die Stadt hat im Gegensatz zu anderen nicht nur den Fußball, sondern auch viel Tourismus, viele Studenten und Austauschschüler. Ob sich da etwas durch unseren Aufstieg verändern wird, weiß ich nicht. Brighton ist viel zu modern, um deswegen durchzudrehen.

SPOX: Vor einem Jahr sagten Sie im SPOX-Interview, in Brighton könne man als Spieler auch mal ins Pub gehen, ein Bier trinken und niemand guckt einen schräg an. Jetzt immer noch?

Hünemeier: Das wird wohl nicht mehr so einfach sein. Die Premier League ist gerade pressetechnisch ein anderes Leben, da muss man ein bisschen vorsichtiger sein. Manche warten ja nur auf solche Pub-Geschichten. Schade, aber man zahlt für alles einen Preis.

SPOX: Was ist für Sie persönlich das Spezielle am Ferienparadies Brighton und seinen Einwohnern?

Hünemeier: Die Gelassenheit. Du wirst nirgendwo beobachtet, sondern kannst deine Freizeit genießen. Niemanden interessiert, welches Auto du fährst, dein Privatleben wird akzeptiert. Die deutsche Gesellschaft ist eher so, dass sie mit dem Finger auf einen zeigt, wenn man zum Beispiel nach einem schlechten Spiel einen freien Tag genießt.

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