"Wir erstarren vor Pep nicht in Ehrfurcht"

Mario Krischel
26. Juni 201711:54
Uwe Hünemeier machte im Früh-Sommer den Aufstieg mit Brighton in die Premier League perfektgetty
Werbung

Mit Brighton & Hove Albion machte der Ex-Paderborner Uwe Hünemeier im April den Aufstieg in die Premier League perfekt. Dort warten zum Auftakt direkt Pep Guardiola und Manchester City. Im Interview spricht der deutsche Verteidiger über Party-Probleme in Südengland, zwei nicht zu vergleichende Märchen und erklärt, warum Vereine ohne ihn offenbar nicht klar kommen.

SPOX: Herr Hünemeier, Premier League! Haben Sie das inzwischen begriffen?

Uwe Hünemeier: Da der Spielplan inzwischen raus ist, ist das Ganze ein bisschen greifbarer. Der Auftakt gegen Manchester City ist natürlich ein Brett, aber da freuen wir uns riesig drauf.

SPOX: Nach dem Sieg gegen Wigan und dem Platzsturm im Stadion sind Sie mit den Fans durch die Stadt gezogen und haben gemeinsam gefeiert. Wie ist der Abend geendet?

Hünemeier: Der Club, den wir gemietet haben, hat schon um 1 Uhr dicht gemacht. Danach sind wir noch durch die Straßen getingelt und haben mit den Fans gefeiert, das habe ich so auf jeden Fall noch nicht erlebt. Problematischer wurde es erst später: Ein Mannschaftskollege und ich wollten um halb drei in der Nacht irgendwo in der Stadt in Ruhe etwas essen gehen. Auf einmal war das ganze Lokal voll, weil Fans es gestürmt hatten. Dann hat der Betreiber gesagt: "Verschwindet alle" und wir mussten uns etwas Neues suchen. Das war uns dann aber auch zu blöd.

SPOX: Gab es so etwas in Deutschland auch schon mal für Sie?

Hünemeier: In Paderborn sind wir auch mit den Fans in die Disko gegangen. In München oder Dortmund wäre das schwieriger. Dass es hier so friedlich und ohne Randale abläuft, zeichnet England allerdings aus.

SPOX: Hand aufs Herz, hätten sie bei Ihrem Wechsel 2015 aus Paderborn damit gerechnet, mit Brighton mal in der Premier League zu spielen?

Hünemeier: Absolut nicht! Premier League stand überhaupt nicht auf meinem Plan. Als ich kam, war Brighton 17., deswegen konnte man das nicht erwarten. In der ersten Saison habe ich aber schnell gemerkt, dass wir doch eine ziemlich gute Mannschaft haben. Wir sind dann knapp gescheitert. Glücklicherweise konnte der Verein die besten Spieler halten, weswegen recht deutlich wurde, dass im nächsten Jahr ein neuer Anlauf gewagt wird.

SPOX: Wie groß war der Anreiz, es in diesem Jahr doch zu packen? Schließlich fehlten in der Vorsaison nur zwei Tore zum Aufstieg.

Hünemeier: Hätten wir das Hinspiel gegen Middlesbrough nicht 0:3, sondern nur 0:2 verloren, wären wir aufgestiegen, aber so war es leider nicht. Das hat uns für die vergangene Saison umso mehr angespornt, wir wollten unbedingt aufsteigen und haben es überragend gemacht.

SPOX: In der Bundesliga haben Sie es mit Paderborn vorgemacht. Auch mit Brighton, einem Klub, der vor wenigen Jahren noch am Abgrund klebte, ist der Aufstieg trotz der guten letzten Saison eine kleine Überraschung. Sind Sie ein Mann für die modernen Fußball-Märchen?

Hünemeier: Es hat in den letzten Jahren zumindest ganz gut geklappt. Es ist schon cool, dabei gewesen zu sein, aber das hat natürlich nicht nur an mir gelegen. Trotzdem ist es eine schöne Bestätigung für die eigene Arbeit und ein Anreiz, es in Zukunft so weiterzuführen. Ich will Erfolg haben, das zeige ich immer von Beginn an.

SPOX: Welcher Aufstieg war außergewöhnlicher?

Hünemeier: Die Sensation war in Paderborn größer, ganz klar. Mit den Möglichkeiten, die dort eigentlich nicht vorhanden waren und meiner Verbundenheit zur Heimat war es definitiv besonders. Gerade, weil ich auch Kapitän war.

SPOX: Was bringt Brighton & Hove Albion der Premier League?

Hünemeier: Was uns in den letzten zwei Jahren ausgezeichnet hat, ist der Teamgeist. Dass wir es nach dem ersten Rückschlag doch noch in die Premier League geschafft haben, spricht für den Charakter unserer Mannschaft. Wir haben nicht sehr viele Stars, wir leben vom Kollektiv. Das muss auch in der neuen Saison so sein. Ich bezweifle, dass wir riesig in den Kader investieren werden. Der Verein weiß, was er an den Spielern hat, die momentan da sind. Trotzdem ist allen klar, dass wir noch mehr Qualität brauchen, um mithalten zu können.

SPOX: Durch den Aufstieg sind über 200 Millionen Euro garantiert. Was verändert sich durch den finanziellen Schub für den Verein?

Hünemeier: Die Strukturen werden sicherlich nicht auseinandergerissen und der Kader nicht durchgewürfelt. 40-Millionen-Transfers wird es hier nicht geben. Natürlich wird mehr Geld ausgegeben, aber eben sinnvoll. Bournemouth oder Watford haben es ganz gut vorgemacht, mit Bescheidenheit und Ruhe ein beständiger Premier-League-Klub zu sein. Da wollen wir hin.

SPOX: Was bedeutet der Aufstieg für die Stadt Brighton und die Infrastruktur?

Hünemeier: Die Stadt hat im Gegensatz zu anderen nicht nur den Fußball, sondern auch viel Tourismus, viele Studenten und Austauschschüler. Ob sich da etwas durch unseren Aufstieg verändern wird, weiß ich nicht. Brighton ist viel zu modern, um deswegen durchzudrehen.

SPOX: Vor einem Jahr sagten Sie im SPOX-Interview, in Brighton könne man als Spieler auch mal ins Pub gehen, ein Bier trinken und niemand guckt einen schräg an. Jetzt immer noch?

Hünemeier: Das wird wohl nicht mehr so einfach sein. Die Premier League ist gerade pressetechnisch ein anderes Leben, da muss man ein bisschen vorsichtiger sein. Manche warten ja nur auf solche Pub-Geschichten. Schade, aber man zahlt für alles einen Preis.

SPOX: Was ist für Sie persönlich das Spezielle am Ferienparadies Brighton und seinen Einwohnern?

Hünemeier: Die Gelassenheit. Du wirst nirgendwo beobachtet, sondern kannst deine Freizeit genießen. Niemanden interessiert, welches Auto du fährst, dein Privatleben wird akzeptiert. Die deutsche Gesellschaft ist eher so, dass sie mit dem Finger auf einen zeigt, wenn man zum Beispiel nach einem schlechten Spiel einen freien Tag genießt.

SPOX: Sie haben in der vergangenen Saison elf Spiele bestritten, jedes einzelne über die volle Distanz. Was macht Sie zuversichtlich, dass es im Oberhaus mehr werden?

Hünemeier: Ich weiß, dass es nicht einfach wird. Letztes Jahr bin ich durch eine Verletzung reingekommen, aber ich werde Gas geben in der Vorbereitung und meine Chance, wenn ich sie erhalte, nutzen. Wenn ich gebraucht wurde, habe ich stets meine Leistung gebracht, das weiß jeder. Ich habe mich immer durchgebissen und das will ich auch in der nächsten Saison.

SPOX: Die Albion-Fans besingen Sie als "Mighty German" zur Melodie von "The Lions Sleeps Tonight". Was zeichnet Ihr Verhältnis zu den Fans aus?

Hünemeier: In England ist es eigentlich nichts Besonderes, seinen eigenen Song zu haben, auch wenn es ganz klar eine schöne Sache ist. Man muss schon seine Leistung bringen, damit es soweit kommt, deswegen ehrt es mich.

SPOX: Zum Auftakt geht's im heimischen Amex Stadium gegen Pep Guardiola und Manchester City. Überwiegt da die Vorfreude auf einen großen Gegner oder der Respekt?

Hünemeier: Wir erstarren nicht in Ehrfurcht, nur weil Pep Guardiola kommt. Wir sind mit Paderborn damals auch als Tabellenführer nach München gefahren und haben ohne Angst gegen Guardiola und die Bayern gespielt. Man hat oft genug gesehen, dass mit Vorfreude und Euphorie vieles möglich ist.

SPOX: Auf welches Duell freuen Sie sich am meisten?

Hünemeier: Auf die Spiele gegen Liverpool und Jürgen Klopp, ganz klar.

SPOX: Da müssen Sie sich bis Dezember gedulden. Hat Klopp, ihr ehemaliger Trainer bei Borussia Dortmund, sich schon gemeldet und Ihnen ein paar Tipps für die Premier League gegeben?

Hünemeier: Wir haben keinen Kontakt, aber das brauche ich auch nicht. Ich habe von damals gute Erinnerungen an ihn. Er hat meinen Weg sicherlich genauso verfolgt wie ich seinen. Natürlich freue ich mich, ihn wiederzusehen.

SPOX: Ein Blick in die Heimat: Der SC Paderborn stand schon mit anderthalb Beinen im Amateurfußball, doch der Niedergang von 1860 München hat noch einen Platz in der 3. Liga freiwerden lassen. Haben Sie sich stellvertretend schon bei Jahn Regensburg bedankt?

Hünemeier: Ich verfolge das als Fan, in Paderborn hatte ich meine beste Zeit. Sie sind mit einem blauen Auge davongekommen. Ich hoffe einfach, dass die nun getroffenen Veränderungen wieder mehr Ruhe und Stabilität reinbringen, damit sie in der 3. Liga neu starten können.

SPOX: Noch kurioser wurde es bei ihrem Jugendverein FC Gütersloh, der insolvent und theoretisch schon abgemeldet war, bevor sich in wirklich allerletzter Sekunde Sponsoren fanden, um den einstigen Zweitligisten zu retten.

Hünemeier: Ich war auch für Gütersloh sehr froh, dass es noch so gerade geklappt hat. Gütersloh ist meine Heimat und ein Standort, der höherklassigen Fußball verdient. Das ist in den letzten Jahren durch viel Misswirtschaft nichts geworden. Der Mythos Heidewald muss wieder zum Leben erweckt werden.

SPOX: Irgendwie scheint jeder Klub außer der BVB in der Post-Hünemeier-Ära ziemlich zu leiden, auch Energie Cottbus ist vom Radar verschwunden. Muss sich Brighton Sorgen machen, wenn Sie den Klub mal verlassen?

Hünemeier: Nein, das sind Zufälle, auf die ich mir nichts einbilde. Ich bin mir bewusst, dass ich gerade in Paderborn ein wichtiger Spieler war, aber es kann ja nicht sein, dass alles zusammenbricht, nur weil einer geht. Das wäre zu einfach. Brighton braucht sich keine Sorgen zu machen.

SPOX: Ihr Vertrag läuft nach der Saison aus. Wie geht es dann weiter?

Hünemeier: Ich will nicht nochmal ein Jahr größtenteils auf der Tribüne verbringen, aber die Premier League will ich mir erst mal nicht entgehen lassen. Es hängt viel davon ab, wie es für mich im nächsten Jahr läuft. Letztendlich bin ich ein Wettkämpfer und will spielen.

SPOX: Wird die Bundesliga oder eine Rückkehr nach Deutschland nochmal ein Thema?

Hünemeier: Theoretisch ist das möglich, aber ich bin auch so ehrlich zu erkennen, dass mir dort nach dem Paderborn-Abstieg nicht die Türen offen standen. Nächstes Jahr bin ich 32, das wird nicht so einfach. Irgendwann wird es mich aber in die Heimat verschlagen.

SPOX: Und dann wartet die Karriere nach der Karriere.

Hünemeier: Korrekt. Derzeit studiere ich per Fernstudium an der Uni Düsseldorf Fußballmanagement. Ich hänge da zeitlich ein bisschen hinterher, aber mal gucken, was das gibt.