Joel Matip geht in seine zweite Saison als Spieler des FC Liverpool. Der Audi Cup (Di., 17.45 Uhr im LIVETICKER) ist für Matip "ein super Test", um sich auf die anstehende Premier-League-Saison vorzubereiten. Liverpool muss zum Auftakt am 12. August nach Watford. Im Interview spricht Matip über die Sehnsucht nach der Meisterschaft, den knallharten Jürgen Klopp und die englische Härte.
SPOX: Herr Matip, in knapp zwei Wochen startet die neue Premier-League-Saison. Liverpool wartet seit 1990 auf die Meisterschaft, die Fans lechzen nach diesem Titel. Warum klappt's in diesem Jahr?
Joel Matip: Der Titel ist nicht unser absolutes Ziel, aber wir sind uns unserer Qualität bewusst, arbeiten an uns und sind guter Dinge - auch wenn die Konkurrenz an der Spitze groß ist. Letztes Jahr haben wir schon viele Sachen richtig gemacht und wenn wir noch mehr Sachen gut machen, könnte es sehr, sehr interessant werden.
SPOX: Was in der vergangenen Saison gut lief, waren die Spiele gegen die Top-Teams. Am Ende hatte Liverpool aber zu viele Unentschieden und Niederlagen gegen kleinere Teams auf dem Konto. Wie wollen Sie das in dieser Saison ändern?
Matip: Es war nicht immer leicht gegen Mannschaften, die nicht viel am Spiel teilhaben wollten. Zumal diese Teams auch die Qualität haben, um in den entscheidenden Momenten zuzustechen. Wir müssen weniger Gegentore kassieren, was mir persönlich als Abwehrspieler sehr entgegenkommt. Wenn wir hier besser aufpassen, werden wir auch gegen diese Mannschaften bestehen können.
SPOX: Also war der zentrale Aspekt der Saisonanalyse die Defensive?
Matip: Das war ein wichtiger Punkt, ja. Aber der bezieht sich nicht allein auf die Abwehrspieler, das Verteidigen geht schon beim Stürmer los. Wir arbeiten an unseren Absprachen, der Abstimmung und der Konzentration. Wir werden unserer Spielweise treu bleiben, es muss aber auch mal für ein 1:0 reichen. Tore haben wir eigentlich immer geschossen. Unsere Offensive ist top besetzt.
SPOX: Unter anderem mit Philippe Coutinho, Sadio Mane und Roberto Firimino, die zusammen 37 Tore in der Liga erzielt haben.
Matip: Wir haben sehr viel Qualität und Geschwindigkeit. Das wird schwer für die Gegner, die Jungs zu stoppen.
SPOX:Mit Mohamed Salah ist ein weiterer gefährlicher Angreifer hinzugekommen. Wie sind Ihre ersten Eindrücke von ihm?
Matip: Er ist schnell, dribbelstark und abschlussstark. Er wird einige Gegner zum Verzweifeln bringen.
SPOX: Sie arbeiten jetzt in der zweiten Saison mit Jürgen Klopp zusammen. Wie bereitet er das Team auf die anstehende Saison vor?
Matip: Er hat uns gleich zu Beginn darauf fokussiert, dass wir in dieser Saison viel vorhaben. Er verlangt schnelles Gegenpressing mit schnellen Attacken, aber auch einen geordneten und sauberen Spielaufbau mit gezieltem Positionsspiel. Bei Ballverlust ist der erste Schritt Richtung Ball und nicht nach hinten, um dann am eigenen Sechzehner zu verteidigen.
SPOX: Sie haben zuvor immer nur gegen Klopp gespielt und arbeiten jetzt mit ihm zusammen. Was zeichnet ihn aus?
Matip: Er ist ein sehr umgänglicher Typ, aber in seiner Ansprache sehr direkt. Er ist herzlich, aber knallhart.
SPOX: Richtig zur Sache geht es auch auf dem Platz. Mesut Özil hat vor einiger Zeit gesagt, er hätte von seinen Gegenspielern "Willkommensgeschenke" in Form von Kratzern und Blutergüssen bekommen. Ist Ihnen das auch so ergangen?
Matip: So nicht, aber es wird hier insgesamt mehr auf Physis gesetzt. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Offensivspieler mal mit einer noch größeren Härte willkommen geheißen werden. Die Intensität und Härte in der Premier League ist um einiges höher, aber man gewöhnt sich dran und lernt damit umzugehen.
SPOX: Als weiteren großen Unterschied zur Bundesliga hat Klopp zu Beginn seiner Zeit den Wind ausgemacht.
Matip: Da muss man sich erstmal umschauen. In manchen Stadien bläst der Wind ganz schön. Man kennt das aus den deutschen Stadien nicht mehr. Ich weiß gar nicht genau, woran das liegt. Aber wenn man zum Beispiel in Stoke einen Tag erwischt, an dem es ordentlich bläst, ist der Ball sehr schwer zu berechnen. Wenn der gegnerische Torwart mit Rückenwind bis zum anderen Sechzehner kommt, ist das ein spielentscheidender Faktor.
SPOX: Pep Guardiola hat der starke Fokus auf Standardsituationen überrascht. Das sollte Ihrem Spiel eigentlich entgegenkommen, Sie haben auf Schalke viele Tore nach Ecken oder Freistößen erzielt.
Matip: Einige Teams haben den Schwerpunkt auf die Standards gelegt und sind dabei auch effektiv. Dagegen muss man sich wehren. Letzte Saison war ich nicht ganz so erfolgreich, obwohl ich die eine oder andere Chance hatte. Deshalb habe ich mir persönlich auch vorgenommen, erfolgreicher zu sein.
SPOX: Sie haben Schalke nach 16 Jahren verlassen, weil es Ihrer Aussage nach Zeit für etwas anderes war. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Matip: Es hätte schlechter laufen können. (lacht) Nur die Verletzung war etwas schade. Aber Liverpool ist ein wunderbarer Verein, ich fühle mich sehr wohl. Ich hatte sehr viel Glück, dass alles für mich im perfekten Moment geklappt hat. Es ist schön, aus seinem gewohnten Umfeld rauszukommen, die Kultur in England kennenzulernen. Das mit dem Beruf zu kombinieren, ist schön, weil diese Möglichkeit nicht alle Leute bekommen.
SPOX: Haben Sie auch schon die klassische englische Pub-Kultur kennengelernt?
Matip: Natürlich war ich da schon mal, aber das Pub ist nicht mein klassischer Anlaufpunkt. (lacht)
SPOX: Die Anfield Road dagegen schon. Was war bisher Ihr größter Anfield-Moment?
Matip: Gleich das erste Heimspiel. Als ich You'll never walk alone gehört habe, war ich baff. Ich kannte das alles vorher nur aus dem Fernsehen, plötzlich stand ich da auf dem Platz. Wenn das ganze Stadion vor dem Spiel die Hymne singt, kriegst du Gänsehaut, das ist das jedes Mal etwas Besonderes.
SPOX: Eine außergewöhnliche Atmosphäre entwickelt das Stadion auch nochmal bei Europapokalspielen. Wie wichtig ist die Champions-League-Teilnahme für Liverpool?
Matip: Dafür haben wir die gesamte letzte Saison gearbeitet und jetzt haben wir noch zwei harte Playoffspiele gegen einen sicher schweren Gegner vor uns. Wir müssen in diesen mindestens 180 Minuten alles für die Teilnahme tun. Jeder wünscht sich die Champions League.