Arsene Wenger macht gerade Urlaub auf Korsika und er scheint es zu genießen. "Ich betreibe viel Sport, esse mit meinen Freunden, unterhalte mich mit ihnen, beobachte stundenlang den Horizont und lese jeden Tag", sagte er der lokalen Zeitung Corse Matin. "Es geht mir besser, als ich dachte." Während es seinem Ex-Verein schlechter geht als man vielleicht dachte.
Nach 22 Jahren hatte Wenger Arsenal im Sommer bekanntlich verlassen, oder Arsenal Wenger. Je nachdem. Es kam jedenfalls Unai Emery und mit ihm die Erfüllung eines im Umfeld jahrelang gewachsenen und schließlich überhandnehmenden Wunsches nach etwas Neuem. Die Träume aber passen sich gerade der Realität an. Nach zwei Premier-League-Spielen und ebenso vielen Niederlagen wirkt irgendwie alles wie zuvor. "Ruhig", sagt Emery nur, "wir müssen ruhig bleiben und weiterarbeiten".
Arsenals Niederlagen gegen City und Chelsea
Gut, es ging bisher gegen zwei der schwerstmöglichen Gegner, die beiden letzten Meister Manchester City und FC Chelsea. Aber trotzdem: Arsenal verlor beide Spiele (0:2 und 2:3). Es saß nicht Wenger stoisch auf der Bank, es stand Emery gestikulierend davor. Aber ansonsten? Bei beiden Spielen trug sich auf dem Rasen zu, was sich auch unter Wenger hätte zutragen können. Phasenweise spielte Arsenal ganz ordentlich, vergab aber gute Torchance, patzte in der Defensive und ließ das, was manche "letzte Konsequenz" und andere "absoluten Siegeswillen" nennen, vermissen.
Gegen Chelsea schossen etwa Pierre-Emerick Aubameyang und Henrikh Mkhitaryan völlig freistehend aus kurzer Distanz drüber. Hinten drehte sich Shkodran Mustafi wie ein Kreisel, als ihn Alvaro Morata ausspielte und zum zwischenzeitlichen 0:2 traf, beim 0:1 hebelte ein einziger Pass die ganze Abwehr aus. Zuvor gegen City lief Raheem Sterling einfach an Hector Bellerin und Matteo Guendouzi vorbei und traf zum 0:1. Beim 0:2 verfolgte Stefan Lichtsteiner Bernardo Silva nicht schnell genug.
Arsenals Sommer-Neuzugänge
Name | Alter | abgebender Verein | Ablösesumme |
Lucas Torreira | 22 | Sampdoria Genua | 30 Millionen Euro |
Bernd Leno | 26 | Bayer Leverkusen | 25 Millionen Euro |
Sokratis | 30 | Borussia Dortmund | 16 Millionen Euro |
Matteo Guendouzi | 19 | FC Lorient | 8 Millionen Euro |
Stephan Lichtsteiner | 34 | Juventus Turin | ablösefrei |
Bernd Leno ist bisher nur Ersatz
Weil solche Unachtsamkeiten bereits in der vergangenen Saison zum stetigen Repertoire gehörten, hatte sich Arsenal auf dem Transfermarkt darauf konzentriert, die Defensive zu verstärken. Lichtsteiner kam ablösefrei von Juventus, Sokratis für 16 Millionen Euro von Borussia Dortmund. Stabilisierende Elemente waren sie aber bisher beide noch nicht.
Außerdem verpflichtete Arsenal zwei talentierte zentrale Mittelfeldspieler. Lucas Torreira, der jeweils eingewechselt wurde und gute Ansätze zeigte. Und Guendoizi, der in der Vorbereitung überzeugte, gegen City und Chelsea im 4-2-3-1-System auf der Doppelsechs neben Granit Xhaka in der Startelf stand und dabei defensive Fahrigkeiten mit guten Pässen abwechselte.
Und dann kam für 25 Millionen Euro noch Keeper Bernd Leno, der mit seinen fußballerischen Qualitäten für einen besseren Spielaufbau von hinten heraus sorgen sollte. Bisher stand aber trotzdem der 36-jährige Routinier Petr Cech im Tor - und lieferte gegen City direkt einen relativ verheerenden Fehlpass. Die Häme war gewiss, sogar von Lenos Ex-Klub Bayer Leverkusen.
"Falls ihr euch alle fragt, wie man das Spiel von hinten eröffnet", schrieb Leverkusen auf seinem englischen Twitter-Account. "Wir kennen da vielleicht jemanden." Und stellte dazu ein Video von einer gelungenen Spieleröffnung Lenos. Dass sie bei Arsenal schon auch ein bisschen angespannt sind, beweist Cechs Reaktion auf den humorvoll gemeinten Post: "Bei Arsenal teilen wir wichtige Werte, die uns nicht nur auf dem Platz zu einem großen Klub machen. Fairer Wettbewerb, Professionalität und Sportsgeist sind die größten Werte, die wir jungen Fußballern beibringen, und es ist traurig zu sehen, wenn andere Vereine nicht die gleichen Werte teilen."
Mesut Özil wird hart kritisiert
Für Kontroversen sorgte in den beiden bisherigen Spielen neben dem Mann mit der Nummer 1 auf dem Rücken, auch der mit der Nummer 10. In der vergangenen Saison hatte er noch die 11 getragen, aber als der Abgang des bisherigen 10er-Trägers Jack Wilshere feststand, sicherte er sich die prestigeträchtige 10: Mesut Özil. Nach seinem tosenden Rücktritt aus dem DFB-Team und mit der neuen Rückennummer schien er in der Vorbereitung befreit und traf bei einem 5:1-Testspielsieg gegen Paris Saint-Germain sogar. Doch dann kam der Saisonstart. Genau wie die Hoffnungen einer schnellen Renaissance Arsenals unter Emery zerplatzten dabei auch die einer schnellen Renaissance Özils.
Nach der Niederlage gegen City hieß es wahlweise: "Özil schlich durch das Spiel. Keine Qualität. Keine Einstellung zur Arbeit. Nichts." (Daily Mail) Oder: "Er hat die Rückennummer 10 bekommen und nichts zurückgegeben." (Mirror) Bei der folgenden Niederlage gegen Chelsea wechselte Emery Özil in der 67. Minute aus. Daraufhin schlich er so langsam vom Platz, dass der Mirror schrieb: "Selbst ein Gefangener geht schneller zum Galgen." Die Daily Mail nannte Özil passiv wie einen "Passagier". Doch er ist nur ein Passagier unter vielen.
Arsenal befindet sich noch in einem Urlaubsmodus, der aktuell eigentlich nur Ex-Trainer Wenger zusteht. "Keine Mannschaft kann ungeschlagen durch eine Saison gehen", beschwichtigt immerhin Cech. Falls Wenger auf Korsika mal zwischen seinen Büchern und dem Horizont auf sein Handy schauen und diese Schlagzeile lesen sollte, wird er nur müde lächeln und an die Saison 2003/04 denken.