Irgendwann ist einfach die Zeit gekommen: Die Zeit, die Fußballschuhe an den metaphorischen Nagel zu hängen. Da reicht ein kurzer Tweet, ein Facebook-Beitrag oder ein mit aufklärenden Zeilen versehenes Instagram-Bild, und schon ist die Welt über das Karriereende informiert. So hielt es auch Joe Cole.
Auf Instagram lud der gebürtige Londoner ein Foto hoch, das ihn im jeweiligen Trikot seiner zahlreichen Klubs zeigt. 20 Jahre lang verdiente er sein Geld als Fußball-Profi, unter anderem beim FC Chelsea, FC Liverpool und West Ham United. "Es war ein wahrgewordener Traum", beschreibt er die zwei Dekaden. Das Schönste sei gewesen, nach einem Sieg in die Kabine zurück zu kehren, um mit den Mannschaftskollegen zu feiern. "Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit einigen der besten Spieler meiner Ära zusammen auf dem Platz stehen durfte."
Ein Abschied, der Cole plötzlich wieder in den medialen Fokus rückte, geriet er doch spätestens in Vergessenheit, als er sich vor drei Jahren erst Coventry City anschloss und später zum us-amerikanischen Zweitligisten Tampa Bay Rowdys wechselte. "Joe Cole hat sein Karriereende erklärt. Geht es nur uns so oder hat noch jemand gedacht, dass das schon vor einer ganzen Weile geschehen ist?", fragte dementsprechend auch das Fußball-Portal 90min seine User via Twitter.
Unvergessen bleibt rückblickend Coles Tor bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gegen Schweden, als er einen eigentlich von der Tre-Kronor-Abwehr bereinigten Ball 35 Meter vor des Gegners Tor zunächst mit der Brust annahm und aus halblinker Position selbigen volley in den Winkel drosch. Ein technisches Meisterwerk, das die fußballerische Klasse eines Schöngeistes andeutete, der in einer damals von physisch starken Akteuren geprägten englischen Nationalmannschaft herausstach, ohne letztlich die absolute Weltlaufbahn hinzulegen.
Joe Coles folgenschwerer Kreuzbandriss im Jahr 2009
Dass der mittlerweile 37-Jährige zumindest in unseren Gefilden eben nicht in einem Atemzug mit Three-Lions-Legenden wie David Beckham, Steven Gerrard, Frank Lampard oder Wayne Rooney genannt wird, ist vor allem auf Coles Verletzungshistorie zurückzuführen. 2009 zog er sich beispielsweise einen folgenschweren Kreuzbandriss zu, der ihn - auf dem Höhepunkt seiner Schaffenszeit bei Chelsea - satte neun Monate außer Gefecht setzte.
Dass sich der Edeltechniker einmal zum Leistungsträger bei den Blues mausern sollte, mutete allerdings zunächst unrealistisch an. Cole, in der Jugendabteilung West Hams ausgebildet, wurde 2003 im Zuge einer großangelegten Transferoffensive vom neu in der englischen Hauptstadt aufgeschlagenen Oligarchen Roman Abramowitsch an die Stamford Bridge gelockt, erhielt bei seiner Ankunft die prestigeträchtige Nummer zehn. Sechseinhalb Millionen Euro wurden im Gegenzug an den Stadtrivalen überwiesen.
Durchsetzen konnte sich der Neuankömmling trotz der Vorschusslorbeeren, obwohl er zeitweise sogar als größtes Insel-Talent seit Paul Gascoigne gehandelt wurde, nicht. Coles Angaben zufolge
plante der damalige Chelsea-Trainer Claudio Ranieri sogar, ihn sofort an den russischen Erstligisten ZSKA Moskau auszuleihen. Ein Vorschlag, der vom Mittelfeldmann abgeschmettert wurde. Er wollte sich bei seinem neuen Arbeitgeber durchsetzen, was jedoch unter Ranieri ebenso wenig gelang wie bei dessen Nachfolger Jose Mourinho, der seinem Zehner "zwei Gesichter" attestierte und eine Cole-Auswechslung einmal folgendermaßen begründete: "Die Mannschaft agierte nur noch mit zehn Mann. Cole hatte aufgehört, zu laufen und zu spielen."
Joe Cole legte Eden Hazard Chelsea-Wechsel nahe
Am Ende seiner Zeit bei Chelsea standen trotz der Kritik des Portugiesen unter anderem drei englische Meisterschaften und drei FA-Cup-Siege in der Vita Coles. 2010 ging es weiter zu Liverpool, nach einem eher mäßigen Jahr bei den Reds folgte eine - wie sich nun herausstellte - folgenreiche Leihe nach Lille, wo er auf Eden Hazard, ebenjenen heutigen Superstar des CFC traf. Der Belgier enthüllte kurz nach Coles Rücktritts-Post, dass dieser ihn bei seiner Wechselentscheidung ganz entscheidend beeinflusste.
"Ich habe mit ihm gesprochen, bevor ich bei Chelsea unterschrieb. Ernsthaft, er erzählte mir jeden Tag, dass Chelsea der beste Klub für mich sei", sagte der amtierende WM-Dritte im Gespräch mit der vereinseigenen Homepage. Hazard bedankte sich für den Rat seines ehemaligen Mannschaftskollegen: "Er sagte, dass Chelsea ein großer Klub wäre, bei dem man jede Saison Titel gewinnen könnte. Aus diesem Grund unterschrieb ich. Also danke, Joe Cole."
Dass Cole mit der Umgarnung Hazards wohl einen der begnadetsten Fußballer dieses Jahrzehnts in die Arme seines Ex-Vereins trieb, dürfte er damals höchstens gehofft haben. Ein feiner Schachzug, der Chelsea im Nachhinein zu großer Dankbarkeit verpflichtet. Er selber strebt nach seinem Rücktritt übrigens eine Laufbahn als Trainer an. Cole erklärte: "Ich möchte Teil des Spiels bleiben. Ich spüre, dass ich als Trainer viel bieten kann." Im Scoutingbereich hat der unterschätzte Hochbegabte im Falle Hazards schon mal ein feines Händchen bewiesen. Vielleicht geht ja als Übungsleiter der nächste Traum in Erfüllung.