"Ein großer Spieler in einem großen Spiel. Danke." Vincent Kompany wusste schon kurz nach dem Schlusspfiff im Gespräch mit DAZN sehr genau, wer seinem Manchester City im Topspiel gegen den FC Liverpool die drei Punkte beschert und damit im Kampf um die Meisterschaft gehalten hatte.
Es war Leroy Sane, dem die lobenden Worte gebührten. Schließlich hatte er eine knappe halbe Stunde vor Kompanys Lobeshymne Maßarbeit betrieben und mit einem satten Linksschuss erst den Innenpfosten, dann ins Tor und gleichzeitig ins Herz aller getroffen, die es mit dem FC Liverpool halten.
Es waren aber auch nur Millimeter, die an diesem emotionalen, fast schon dramatischen Abend im Etihad Stadium über den Fortbestand der Serie des FC Liverpool (21 Spiele ohne Niederlage) und Spannung oder Langeweile im Titelkampf entschieden. Nicht nur bei Sanes Treffer zum 2:1, sondern bereits zuvor in der ersten Halbzeit, als John Stones nach einem Pfostenschuss von Sadio Mane und eigener Slapstick-Einlage den Ball gerade noch so von der Linie kratzte. "
Sane "hat etwas Einzigartiges" - Klopp platzt der Kragen
Hätte es die Torlinientechnik nicht gegeben und hätte Schiedsrichter Anthony Taylor auf den Punkt gezeigt, es wäre ein anderes Spiel geworden. Ein Spiel, in dem City früh das Visier hätte hochklappen müssen und Liverpool seine Konterchancen bekommen hätte. Ein Spiel, in dem Sane vielleicht nicht zum Matchwinner geworden wäre.
"Unlucky", sagte Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hinterher, der sich wohl gegen den Einsatz eines Videobeweises in der 31. Minute nicht beschwert hätte. Der stark spielende Kompany hatte bei einem rustikalen Einsteigen gegen Mohamed Salah zwar den Ball gespielt, aber auch Liverpools Torjäger gefällt - für Klopp sogar als letzter Mann. Das beschäftigte Klopp auch noch nach dem Spiel: "Wie zum Himmel kann das keine Rote Karte sein? Er ist der letzte Mann und geht drauf. Wenn er Mo mehr trifft, ist er für die Saison raus."
Aber der Fußball findet eben nicht im Konjunktiv statt, Salah konnte weitermachen, den Videobeweis gibt es in der Premier League erst ab der kommenden Saison, die Torlinientechnik spielte mit, City ging anstelle der Reds in Führung und Sane entschied zum ersten Mal ein großes Spiel für die Skyblues.
Und so drehte Pep Guardiola das Hätte-Wäre-Wenn-Spiel, welches aufgrund der prekären Ausgangslage für die Skyblues schon Tage zuvor die Schlagzeilen der englischen Gazetten bestimmt hatte, nach der Partie einfach um. "Hätten wir verloren, wäre es vorbei gewesen", gab der City-Trainer zu Protokoll. Das "Haben wir aber nicht", was darauf unweigerlich hätte folgen müssen, musste man sich anschließend aber doch hinzudenken. Dem Siegtorschützen attestierte Guardiola, "etwas Einzigartiges" zu haben und sprach explizit Sanes Schnelligkeit an.
Leroy Sane gegen den FC Liverpool: Hinten gut, vorne besser
Die war in der Spitze mit gemessenen 35 Kilometern pro Stunde gegen die Reds tatsächlich atemberaubend und der Top-Wert aller Spieler auf dem Platz. Doch Sane überzeugte auch in anderen Bereichen, in denen er im Normalfall nicht unbedingt hervorsticht. Der 22-Jährige rieb sich auch in der Defensiv-Arbeit auf, führte die drittmeisten Zweikämpfe aller City-Spieler und gewann davon gute 54,5 Prozent.
Nur einmal fiel er zurück in alte Gewohnheiten der defensiven Sorglosigkeit und das wurde gleich bestraft: In der 64. Minute ließ er sich allzu leicht von Trent Alexander-Arnold per Finte düpieren, setzte dann nicht entschlossen nach und ließ den Liverpooler Rechtsverteidiger flanken. Sekunden später traf Roberto Firmino zum Ausgleich.
Ein Rückschlag. Nicht nur für Sane, der bis dahin offensiv an fast allen guten Aktionen beteiligt war und Alexander-Arnold sowie Innenverteidiger Dejan Lovren mit seinem Tempo und seiner Aggressivität das Leben reichlich schwer gemacht hatte, sondern auch für City. Schließlich war Liverpool in dieser Premier-League-Saison nicht unbedingt bekannt dafür, mehr als ein Tor pro Spiel zu kassieren.
Doch in diesem "Finale", wie Guardiola es nach den 90 Minuten formulierte, kam es anders. "Wir waren von der ersten Minute an hervorragend", sagte Guardiola und ergänzte: "Liverpool fängt sich keine Gegentore, doch wir haben heute zwei geschossen." Als wollte er nochmal für alle Anwesenden klarstellen, was seine Mannschaft da über 95 packende und taktisch hochanspruchsvolle Minuten geleistet hatte.
Premier-League-Tabelle: Manchester City jagt Liverpool
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | FC Liverpool | 21 | 49:10 | 39 | 54 |
2. | Manchester City | 21 | 56:17 | 39 | 50 |
3. | Tottenham Hotspur | 21 | 46:21 | 25 | 48 |
4. | FC Chelsea | 21 | 38:16 | 22 | 44 |
5. | FC Arsenal | 21 | 46:31 | 15 | 41 |
6. | Manchester United | 21 | 43:32 | 11 | 38 |
Leroy Sane ist bei Manchester City die personifizierte Heimstärke
Etwas nüchterner betrachtete sein Gegenüber Klopp die Angelegenheit, der weder von City, noch von seiner Mannschaft das beste Spiel gesehen haben will. Seine Umarmung und Glückwünsche für Matchwinner Sane nach dem Spiel war im Vergleich dazu fast schon emotional.
Anders als Sergio Aguero, der gegen Liverpool erneut seine Weltklasse unter Beweis stellte und sein 37. Tor seit 2011 gegen die besten sechs Klubs der Premier League schoss, war Sane zuvor zwar noch nie als Entscheider in einem großen Spiel der Citizens in Entscheidung getreten - doch er ist so etwas wie die personifizierte Heimstärke der Skyblues. Seit Beginn der Saison 2017/18 empfing City in der Premier League 30 Teams, 25 Mal stand Sane dabei auf dem Platz und war an 26 Treffern direkt beteiligt (9 Tore, 17 Vorlagen).
"Hoffentlich bleibt er noch viele Jahre", sagte Guardiola neulich mit Blick auf den 2021 auslaufenden Vertrag, als Sanes Status unter Guardiola (nur in 7 von 14 Ligaspielen in der Startelf) noch fraglich war. "Er kann sich in vielen Dingen noch verbessern", erklärte Guardiola seinen wankelmütigen Umgang mit Sane damals. Das "Dann wird er ein großer Spieler" muss man sich noch dazudenken. Geht es nach Vincent Kompany ist Sane das schon - oder er wurde es zumindest an diesem Abend im Etihad.
Eine beliebte Fußballerphrase besagt ohnehin schon seit jeher, dass man in großen Spielen die großen Spieler sieht. Manchester City gegen Liverpool war ein großes Spiel und nicht so normal, wie es Klopp im Vorlauf allen versucht hatte einzureden. Schließlich sagten beide Trainer zuvor, dass sie mit ihren Teams auf die jeweils aktuell beste Mannschaft treffen würden.
Und bei diesem Spiel war Leroy Sane definitiv zu sehen.