Außerdem verrät er, welcher Premier-League-Spieler sein Idol war und wie er die Bundesliga im internationalen Vergleich sieht.
Nur noch wenige Tage, dann beginnt für Tottenham und Sie die Saison mit dem ersten Ligaspiel gegen Aston Villa. Was haben Sie sich persönlich vorgenommen?
Dele Alli: Wir nehmen uns jedes Jahr vor, uns zu verbessern, ist doch klar. Egal, ob in der Premier League oder in der Champions League. Ich will mich nicht nur persönlich steigern, sondern es ist wichtig, sich als Mannschaft zu verbessern. Wir dürfen nicht stagnieren. Wir wollen vorankommen, denn dann ist der Erfolg nicht mehr weit.
Der Konkurrenzkampf ist groß innerhalb der Mannschaft und wurde durch die Verpflichtung von Tanguy Ndombele nochmals verschärft. Wie sehen Sie ihre Rolle bei den Spurs und was ist Ihre Lieblingsposition im Mittelfeld?
Alli: Es klingt vielleicht ein bisschen wie ein Klischee, aber wenn du in so einem Verein wie Tottenham mit diesen ganzen Ausnahmekönnern spielst, dann musst du froh sein, überhaupt auf dem Platz zu stehen. Die Hauptsache ist, du hilfst dem Team. Natürlich liebe ich es, Tore zu schießen und Vorlagen zu geben. Das kann ich besser, je weiter vorne ich spiele und das gefällt mir auch. Meine Position hängt vom jeweiligen Spiel ab. Wenn das Spiel schnell ist, wir Tempo zwischen den Linien brauchen, spiele ich weiter vorne. Es kommt aber auch vor, dass wir tief stehen und viel Wert auf Ballbesitz legen, dann spiele ich weiter hinten. Ich bin glücklich, egal wo ich im Mittelfeld spiele.
Ein hohes Tempo bringt auch Neuzugang Ndombele mit, der Rekordtransfer in der Geschichte des Klubs. Was zeichnet ihn aus? Was ist er für ein Typ?
Alli: Es scheint so, als wäre er echt ein sehr guter Junge. Ehrlich gesagt haben wir noch nicht so viel Zeit zusammen verbracht, aber er hat sich bislang gut und schnell integriert. Er ist ein Offensivspieler, über den du dich freust, wenn er in deiner Mannschaft spielt: Schnell, kräftig, ein sehr physischer Spieler, der zudem auch gut am Ball ist. Ich bin begeistert von ihm.
Kann er der entscheidende Baustein sein, dass Tottenham nach langer Zeit mal wieder einen Titel holt?
Alli: Ich hoffe es sehr. Wir haben nun natürlich einen harten Konkurrenzkampf auf jeder Position, aber es ist wichtig, am Kader zu arbeiten. Wir müssen uns weiter steigern, kämpfen in jedem Wettbewerb. Nur dann werden wir uns als Mannschaft verbessern und unsere Ziele erreichen.
Dele Alli über Champions-League-Finale: Müssen uns daran erinnern
In der vergangenen Saison sind Sie knapp am wichtigsten europäischen Titel gescheitert. Wie haben Sie die Tage nach dem verlorenen CL-Finale gegen Liverpool verbracht?
Alli: Es war sehr schwierig, dieses Spiel zu verlieren nach all der anstrengenden Arbeit auf dem Weg dorthin. Es war eine sehr harte Zeit, aber wir hatten nur kurz darauf Länderspiele mit England. Wir mussten unseren Fokus so schnell wie möglich auf diese neue Aufgabe richten und uns darauf vorbereiten. Aber Sie können sich vorstellen, wie schwer das war nach diesem großen Finale, das wir verloren haben. Uns blieb nichts anderes übrig, als es einfach so hinzunehmen. Wir als Mannschaft, jeder einzelner Spieler, müssen uns an dieses Gefühl nach dem Spiel erinnern. Es war ein schreckliches Gefühl. Das müssen wir uns einprägen, um es wieder zu probieren. Das wird uns in Zukunft helfen.
Können Sie die Stimmung in der Kabine nach diesem Spiel beschreiben.
Alli: Ich bin mir sicher, Sie können sich vorstellen, wie die Stimmung war. Traurige Gesichter, niedergeschlagene Menschen und keiner hat gesprochen, wenn ich ehrlich bin. Es war ein sehr dunkler Ort. Ich kann es nur wiederholen: Wir müssen uns dieses Ereignis merken, so etwas kann uns antreiben. Wir dürfen diesen Tag nicht ausblenden, sondern müssen ihn für uns auf die richtige Art und Weise nutzen.
Sprechen wir über Ihre persönliche Entwicklung. In einem Interview mit dem Evening Standard sprachen Sie von einer "schwierigen Kindheit und Jugend". Wie sehr hat Ihnen der Fußball geholfen, erwachsen zu werden?
Alli: Der Fußball hat mir sehr geholfen. Er hat dafür gesorgt, dass mein Fokus nicht auf anderen Dingen lag. Ich habe meine gesamte Energie gebündelt für das, was ich liebe und was mir guttut. Das hat mir geholfen. Immer, wenn ich Fußball gespielt habe, hatte ich eine großartige Zeit. Wie gesagt, ich liebe Fußball und habe ihm viel zu verdanken.
Wie wichtig war diese Zeit in Ihrer Jugend, in der Sie oftmals kämpfen mussten, für Ihren heutigen Charakter?
Alli: Äußerst wichtig. Ich habe eigentlich immer gegen ältere Jungs gespielt und war auch noch sehr jung, als ich in der League One angefangen habe (Anmerkung der Redaktion: Alli spielte mit 16 Jahren für Milton Keynes Dons in der dritten englischen Liga). Das hat mich vorbereitet auf die Premier League, ich musste früh einen starken Charakter aufbauen und ich wusste von Beginn an, dass ich für manche Dinge hart kämpfen muss. Das war wichtig. Die Premier League ist eine sehr umkämpfte Liga mit so vielen großen Spielern. Als ich das erste Mal dort gespielt habe, musste ich mich beweisen und zeigen, dass ich auf dem Rasen nicht unterzukriegen bin. Ich war bereit dafür.
Dele Allis Idole: Ronaldinho und Steven Gerrard
Wer war denn Ihr Idol der Kindheit, Ihr großer Held?
Alli: Ronaldinho. Und Steven Gerrard. Ich habe in der Schulzeit viel Zeit damit verbracht, mir Videos auf YouTube von Ronaldinho anzusehen.
Warum ausgerechnet Ronaldinho?
Alli: Wegen seiner Art und wie er es genossen hat, Fußball zu spielen. Es hat immer so ausgesehen, als ob er Spaß hat. Das war genau die Art und Weise, wie ich auch spielen wollte. Ich bin damit aufgewachsen, auf der Straße zu spielen. Das war immer ein großer Spaß für alle. Es ging nur um Tricks. Als ich dann angefangen habe, wirklich professionell zu spielen, wollte ich die Liebe zum Spiel niemals verlieren. Ich wollte immer so spielen, dass es mich glücklich macht und bei Ronaldinho sah es bei allem, was er tat, so aus, als ob er es genießen würde. Und dann war da noch Steven Gerrard. Seine Einstellung, seine Mentalität - vor allem seine Siegermentalität. Er war Kapitän von England und von Liverpool. Er wollte immer und überall gewinnen. Ich hatte das Gefühl, mich mit beiden Spielern sehr identifizieren zu können.
Haben Sie Ronaldinho denn persönlich kennengelernt?
Alli: Nein, noch nicht. Aber es wäre großartig. Er ist eine Legende.
In der Nationalmannschaft gehören Sie zur nächsten goldenen Generation nach Gerrard, Frank Lampard, Wayne Rooney und Co. - die neuen Stars heißen Alli, Harry Kane, Raheem Sterling und Jadon Sancho. Welches Gefühl überkommt Sie, wenn Sie das Trikot der 'Three Lions' überstreifen?
Alli: Um ganz ehrlich zu sein, es gibt kaum ein besseres Gefühl. Du wächst auf als Kind, das in den Park geht und dort so tut, als würde es für die Nationalmannschaft spielen oder für seinen Lieblingsverein. Als ich dann das allererste Mal nominiert wurde, war das eine riesige Ehre. Jedes Mal, wenn ich nominiert werde oder dieses Trikot anziehe, ist es wie ein Traum, der wahr geworden ist.
Nächstes Jahr findet das Finale der Europameisterschaft im Wembley-Stadion statt. Für einen englischen Fußballer gibt es wahrscheinlich nichts Größeres, als dort den Titel zu holen.
Alli: Nein, ich kann mir nichts Größeres vorstellen. Wir haben ein großartiges Team und spielen sehr gut aktuell. Man kann die Situation mit Tottenham vergleichen. Eine junge Truppe, die es genießt, wenn sie zusammenspielen. Wir wollen auch einen ähnlichen Fußball spielen, die gleiche Philosophie. Auf den Platz zu gehen und Spaß mit deinen Freunden zu haben. Das macht alles viel einfacher. Den EM-Titel zu holen, ist unser Ziel und es wäre fantastisch, das zu schaffen. Es ist noch ein Traum, aber ich hoffe, wir können ihn Realität werden lassen.
Dele Alli über Bayern München: "Stehen dort, wo wir mit Tottenham hin wollen"
In Deutschland wurde der FC Bayern zuletzt sieben Mal in Folge Meister, international blieb der große Erfolg seit 2013 jedoch aus. Wie sehen Sie die Münchner im internationalen Vergleich?
Alli: Sie sind auf jeden Fall bei den Top-Vereinen mit dabei. Seit ich Fußball schaue, sind sie immer auf dem höchsten Level. Ein großartiges Team - Spieler, Fans und Trainer. Sie stehen dort, wo wir mit Tottenham hin wollen. Wir wollen uns mit den besten Vereinen der Welt messen und haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir es können. Wir wollen uns nicht nur messen, wir wollen sie besiegen.
Ist denn der FC Bayern und die Bundesliga für Spieler aus England überhaupt attraktiv?
Alli: Viele Spieler öffnen sich in letzter Zeit mehr in diese Richtung. Klar, als Kind wächst du in England nur mit der Premier League auf und träumst davon, eines Tages ein Teil davon zu sein. Aber man sieht an Spielern wie Sancho von Borussia Dortmund, dass immer mehr Spieler diesen Schritt wagen in die Bundesliga. Das zeigt doch, die Liga ist stark und es gibt einige gute Adressen. Ich sehe es bei Jadon jedes Mal in der Nationalmannschaft, er wird immer besser. Die Bundesliga ist eine gute Liga und vielleicht wechseln in Zukunft noch mehr Spieler nach Deutschland.
Zum Abschluss: Sie haben im vergangenen Jahr einen regelrechten Hype ausgelöst durch ihren Torjubel. Haben Sie denn schon einen neuen Jubel für die kommende Saison parat?
Alli: Ich bin mir noch nicht sicher. Ihr müsst leider noch etwas warten. Es gibt bislang noch keinen genauen Plan.