Fabrikarbeiter, Norwich-Legende, Profiwrestler: Die bizarre Karriere des Grant Holt

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Mit 21 Jahren spielte der englische Stürmer Grant Holt in der sechsten Liga und arbeitete in einer Fabrik, zehn Jahre später hatte er Norwich City von der dritten Liga in die Premier League geschossen. Mittlerweile ist er 38, Profiwrestler und Gast-Schauspieler im Theater. Hier ist seine bizarre Karriere.

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Am 2. Juni 2019, fast genau sechs Jahre nach seinem Abschied von Norwich City feierte Grant Holt sein Comeback im Stadion an der Carrow Road. Holt schaute zwar grimmig wie man es von ihm kennt, aber er hieß nicht mehr nur Holt, sondern The Incredible Holt. Er trug keine grüne Hose und auch kein gelbes Trikot, sondern eine hautenge schwarz-rote Hose und ein schwarzes Tank Top. Er lief nicht auf grünen Rasen, sondern in einen grauen Ring.

Grant Holt ist kein Fußballspieler mehr, Grant Holt ist jetzt Wrestler.

Überraschen sollte das eigentlich nicht. Denn so unvorhersehbar wie seine ganze Fußballerkarriere verlief, so vorhersehbar war es eigentlich, dass nach seinem Karriereende wieder etwas ganz Unvorhersehbares passiert. Holt steht für das Bizarre.

Reifenwechsler, Fußballer in Singapur, Fabrikarbeiter

Geboren wurde er 1981 in Carlisle, der nordwestlichsten Stadt Englands, gleich an der Grenze zu Schottland. Zunächst spielte er in der Jugend des lokalen Profivereins Carlisle United, doch mit 18 musste er gehen und er ging zum Amateurverein AFC Workington. Unter der Woche arbeitete er als Reifenwechsler, an den Wochenenden erzielte er im Schnitt ein Tor pro Spiel.

Der Fünftligist Halifax Town wurde aufmerksam auf Holt und verpflichtete ihn, durchsetzen konnte er sich dort jedoch nicht - stattdessen wechselte er leihweise nach Australien zum semiprofessionellen Klub FC Sorrento aus Perth. Organisiert hat den Transfer sein ehemaliger Co-Trainer bei Halifax, den es nach seiner Entlassung nach Australien verschlagen hatte.

Wenige Monate später war Holt jedoch zurück in England, beim Sechstligisten AFC Barrow - ehe es ihn wieder in die Ferne zog: zu Sengkang Marine aus Singapur. Zwölf Tore erzielte er in 17 Spielen, 20 Jahre war Holt damals alt. Der Premier League war er sportlich so fern wie örtlich.

Sein Jugendklub Carlisle wollte ihm daraufhin noch eine Chance geben, doch trotz einer fixen Zusage verhinderten finanzielle Probleme letztlich den Transfer. Also ging Holt wieder zu Barrow, wo er knapp zwei weitere Jahre verbrachte. Mehr Zeit davon aber in der Fabrik als auf dem Fußballplatz. "Ich musste den Fußball um meine Arbeitsschichten herum organisieren", sagte er später.

Grant Holt erzielte für Norwich City in 167 Pflichtspielen 78 Tore.
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Grant Holt erzielte für Norwich City in 167 Pflichtspielen 78 Tore.

Wie Grant Holt zur Norwich-Legende wurde

Holt war mittlerweile 21, den Traum vom Profifußball hatte er eigentlich schon aufgegeben. Doch dann bekam er eine Einladung für ein Probetraining beim damaligen Zweitligisten Sheffield Wednesday. Holt überzeugte und bekam den Vertrag, stieg mit seinem neuen Klub aber direkt ab. Fortan wechselte er von Verein zu Verein und von Liga zu Liga. Mal AFC Rochdale, mal Nottingham Forest, mal FC Blackpool, mal Shrewsbury Town. Mal zweite Liga, mal dritte, mal vierte.

Mit 28 Jahren dann, 2009 war das, wechselte Holt zum Drittligisten Norwich und machte sich auf, eine Vereinslegende zu werden. Mit 24 Toren schoss er Norwich in die zweite Liga, mit 21 in die Premier League und dann mit 15 zum Klassenerhalt. In allen drei Saisons wurde Holt zu Norwichs Spieler des Jahres gewählt. 2012 stand er sogar kurz vor einer Nominierung in Englands EM-Kader. Es war der Gipfel seines sagenhaften Aufstiegs.

Ein Jahr später verließ er Norwich, aber irgendwie blieb er doch. Als Mitglied der vereinseigenen Hall of Fame und als Mitbesitzer des Windhund-Rennstalls SMGH Racing Club, den er gemeinsam mit seinem ehemaligen Norwich-Teamkollegen Steve Morison betreibt. Als Fußballer machte er fortan damit weiter, womit er davor aufgehört hatte: Er wechselte munter zwischen Vereinen und Ligen. Insgesamt 19 verschiedene Arbeitgeber hatte er bis zu seinem Karriereende als aktiver Fußballer 2018: 17 Vereine, einen Automechaniker und eine Fabrik.

Holts Wrestling-Debüt in TV-Experten-Kleidung

Anschließend kehrte er dorthin zurück, wo es am schönsten war: nach Norwich. Holt arbeitet als Trainer im Nachwuchsbereich und als TV-Experte bei BT Sport. Er hat einen engen Zeitplan, vor allem seit er auch noch für die WAW (World Association of Wrestling) als Profiwrestler tätig ist.

Bei seinem allerersten Auftritt im September 2018 reichte es zwischen den Tätigkeiten nicht einmal mehr zum Umziehen. Für BT Sports fungierte er beim Fünftligaspiel zwischen dem FC Eastleigh und Dagenham and Redbridge als Experte, ehe er wenig später mit Jeans, Hemd und Pullover in den Ring eilte. Als 40. und letzter Teilnehmer eines sogenannten Royal Rumble, den er am Ende natürlich gewann und damit auch die sogenannte Crusher Mason Memorial Trophy.

Vom Wrestlingring ins Theatre Royal

Wie aber kam Holt überhaupt zum Wrestling? Der britische Wrestling-Verband WAW hat seinen Sitz in Norwich. Holt war schon immer ein bekennender Wrestling-Fan und nach seinem Karriereende als Fußballer fragte ihn ein Freund, der auch für die WAW tätig war, ob er sich nicht vorstellen könnte, vom Fan zum Kämpfer zu werden. Er konnte es, unterschrieb im Mai 2018 einen Profivertrag und begann zu trainieren.

Auf seine Premiere in TV-Experten-Kleidung und einige weitere Auftritte folgte eine Teilnahme beim Fightmare 3 im Juni 2019. Ausgetragen vor über 4.000 Fans an der Carrow Road, wo er einst zur Norwich-Legende wurde. Nun kämpfte er in einem sogenannten Triple-Tag-Team, Seite an Seite mit den zwei bekannten WWE-Wrestlern Billy Gunn and Rene Dupree. "Neben ihnen zu stehen, ist verrückt", sagte Holt vor dem Auftritt gegenüber der Website Joe. Und danach: "Man kassierst viele Schläge und unsanfte Landungen. Die nächsten Nächte werden schmerzhaft." Und trotzdem kündigte er eine Teilnahme beim Nachfolgeevent Fightmare 4 in diesem Jahr an.

Die Zeit bis dahin nutzt Holt unter anderem, um sich als Schauspieler zu profilieren. Neulich legte er bei einer Pantomime-Vorstellung von Cinderella in Norwichs Theatre Royal einen Gastauftritt als Postbote hin. "Ich habe so oft zugeschaut, aber auf der Bühne zu stehen war ein bizarres Erlebnis", sagte er danach. Bizarr trifft es gut - und das nicht nur für seinen Theater-Auftritt.

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