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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 20. März 2020. Seit Samstag, den 17. Juli, steht fest, dass Leeds nach 16-jähriger Abstinenz wieder zur Premier League zählen wird.
Peter Ridsdale war 13 Jahre alt und bereits seit drei Spielzeiten Dauerkarteninhaber bei Leeds United, als er vor dem Stadion an der Elland Road in einem Schlafsack übernachtete, um sich Tickets für das FA-Cup-Finale 1965 zu sichern. Leeds sollte im Wembley Stadion auf den FC Liverpool treffen. Ridsdales Leeds, sein Lieblingsklub. Dieser Verein, der bis vor kurzem noch in der zweiten Liga war und im englischen Fußball noch nie eine große Rolle gespielt hatte.
Nun aber baute Trainer Don Revie die erste große Mannschaft der Vereinsgeschichte auf. Das Endspiel von 1965, Leeds' erstes große Finale, sollte sie zwar verlieren, aber bis zu Revies Abschied 1974 zwei Meistertitel und einen FA Cup holen. Damals war es schön, Leeds-Fan zu sein. Seitdem ist es vor allem eines: aufwühlend. Und daran hat Ridsdale einen entscheidenden Anteil.
Wie Peter Ridsdale Leeds-Präsident wurde
Nach Revies Abschied ging es rauf und runter: Zunächst kam sein ewiger Trainer-Widersacher Brian Clough, der jedoch nach nur 44 Tagen wieder entlassen wurde. Wenige Monate später stand seine ehemalige Mannschaft trotzdem im Finale des Europapokals der Landesmeister, verlor aber gegen den FC Bayern München. In den 1980er Jahren spielte Leeds acht Jahre in der zweiten Liga - und wurde zwei Jahre nach dem Wiederaufstieg 1992 völlig überraschend zum dritten Mal Meister, ehe es wieder bergab ging.
Ridsdale machte unterdessen Karriere beim Modehändler Topman. Dort sorgte er für einen Sponsoringvertrag mit Leeds, landete dadurch im Aufsichtsrat und war im Sommer 1997 auf einmal Vereinspräsident. Viel mehr als Vereinspräsident war er aber weiterhin das, was er immer war: Fan. Wurde Ridsdale gefragt, ob es nicht Sinn machen würde, einen Fanvertreter in den Aufsichtsrat zu berufen, sagte er der Legende nach stets nur: "Haben wir doch: mich."
Viele Talente und ein österreichischer Legionär
Obwohl Leeds in den zwei Jahren vor Ridsdales Übernahme lediglich im Mittelfeld gelandet war, kam er zu einem Klub im Aufwind: Mit George Graham einen berühmten Trainer auf der Bank, einen stabil hohen Zuschauerschnitt von knapp 40.000, eine solide finanzielle Lage, mit Lee Bowyer einen englischen U-Nationalspieler bereits im Kader, mit Jimmy Floyd Hasselbaink eine Tormaschine im Anflug und vor allem eine Gruppe aufstrebender Nachwuchsspieler auf dem Sprung zu den Profis.
1997 hatte Leeds den renommierten FA Youth Cup gewonnen: mit Keeper Paul Robinson, Innenverteidiger Jonathan Woodgate, den Mittelfeldspielern Harry Kewell, Stephen McPhail und Alan Smith. Als erster den Sprung zum Stammspieler der Profimannschaft schaffte in der darauffolgenden Saison der Australier Kewell. Der womöglich talentierteste Vertreter dieser Gruppe verband irres Tempo mit kreativen Ideen und einem präzisen linken Fuß.
Im Januar 1998 stieß der österreichische Innenverteidiger Martin Hiden zur Mannschaft. Er hatte sogar ein Angebot von Liverpool abgelehnt, um Teil des aufstrebenden Leeds zu werden, wo er sofort zum Stammspieler avancierte. "Ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen", sagt der heute 47-Jährige im Gespräch mit SPOX und Goal.
David O'Leary: Der perfekte Trainer für die junge Mannschaft
Nach einem fünften Platz 1997/98 wechselte Trainer Graham im darauffolgenden Oktober völlig überraschend während der Saison zu Tottenham Hotspur. Nachfolger wurde sein damals erst 40-jähriger Assistent David O'Leary. Ein junger, wilder Trainer für eine junge, wilde Mannschaft. Es sollte perfekt passen.
Graham war seinen Spielern stets distanziert begegnet, er hatte seine Aura als doppelter englischer Meister mit dem FC Arsenal und der dortigen Zusammenstellung der wohl legendärsten Viererkette der englischen Fußballgeschichte wirken lassen. "Die Null war für ihn ein Heiligtum", sagt Hiden. O'Leary, einst selbst Teil von Grahams Arsenal-Viererkette, war lockerer. In Sachen Taktik und auch im Umgang. "Er hat die Spielweise mehr an uns Spieler angepasst und war außerdem viel näher an uns dran, hat bei allen Späßen mitgemacht", erinnert sich Hiden.
Gleichzeitig baute O'Leary nach und nach die Teenager Woodgate, McPhail und Smith in die Stammelf ein. Sie sollten bald zum Rückgrat der aufstrebenden Mannschaft werden. Alles ging rasant. "Als ich rübergekommen bin, hat Alan Smith noch Schuhe geputzt - und ein paar Monate später war er aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken", sagt Hiden. "Ich war damals 24 Jahren alt und damit schon im Kreis der älteren Spieler. Wir waren eine junge, wilde, verschworene Mannschaft gespickt mit großen Talenten."
Martin Hiden: "Wir fühlten uns als UEFA-Cup-Sieger"
Hiden behielt zunächst auch unter O'Leary seinen Stammplatz, verletzte sich jedoch bald. Für ihn sollte es der Beginn einer eineinhalbjährigen verletzungsbedingten Leidenszeit mit kaum Einsätzen werden. Hiden musste von außen mitverfolgen, wie die Mannschaft immer besser und erfolgreicher wurde. Im UEFA Cup scheiterte sie in O'Learys erster Saison zwar früh an der AS Roma, qualifizierte sich dank eines vierten Platzes aber erneut für den Wettbewerb.
Im darauffolgenden Sommer 1999 wurde Leeds unter Ridsdale erstmals richtig aktiv auf dem Transfermarkt. Der Verkauf von Hasselbaink an Atletico Madrid brachte zwar 16,7 Millionen Euro ein, ausgegeben wurden aber 35,7 Millionen - für immer mehr junge, aufstrebende englische Spieler wie Darren Huckerby oder Michael Bridges, die perfekt zum verfolgten Konzept passten und die Mannschaft zunächst auch verstärkten.
Leeds lieferte sich in der folgenden Premier-League-Saison bis in den Frühling ein Titelduell mit Manchester United, brach im Endspurt aber ein und landete am Ende immerhin auf Champions-League-Qualifikationsplatz drei. Im UEFA Cup stürmte Leeds unterdessen ins Halbfinale, wo es gegen Galatasaray ging.
Es sollte eine tragische Begegnung werden: Im Vorfeld des mit 0:2 verlorenen Auswärtsspiels in Istanbul wurden zwei Leeds-Fans abgestochen, beim Rückspiel reichte ein 2:2 nicht zum Finaleinzug. "Intern fühlten wir uns trotzdem als UEFA-Cup-Sieger", sagt Hiden. "Wir haben immer gesagt: Die zwei Finalisten sind anders als wir im Laufe der Saison aus der Champions League abgestiegen und deshalb sind wir die wahren Sieger."