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Vergleiche mit großen Namen war David Bentley früh gewohnt. Er beschwor sie irgendwie herauf, ganz unbewusst. "Ich könnte dir nicht sagen, wie ich diese Dinge gemacht habe. Wenn der Ball zu mir kam, passierte manchmal einfach etwas Großes. Es ist seltsam. Das war nie eine bewusste Sache", sagte er mal in einem Interview mit FourFourTwo.
Als Bentley im Januar 2004, gerade 19 Jahre alt, im FA-Cup-Match gegen Middlesbrough kurz vor Schluss von Arsenal-Trainer Arsene Wenger eingewechselt wurde, passierte zum Beispiel so etwas Großes. Knapp 20 Meter vor dem Tor spielte Robert Pires ihm den Ball zu, er schlug einen schnellen Haken und lupfte die Kugel gefühlvoll und wunderschön mit links über den Keeper hinweg ins Tor.
Hätte er den großen Dennis Bergkamp, der bei den Gunners zu jener Zeit für eben solche Traumtore berühmt war, kopieren wollen, er hätte es nicht besser treffen können - und die Vergleiche zum Niederländer schossen aus dem Boden.
"Die Zuschauer sahen wohl etwas von ihm in mir. Ich hatte kein Problem mit den Vergleichen", sagte Bentley Jahre danach. Dabei war er Bergkamp vom Spielertyp her gar nicht so ähnlich. Eher erinnerte er an eine Mischung aus David Beckham, zu dessen Nachfolger er später auserkoren werden sollte, und Ryan Giggs.
Jedenfalls war Bentley Mitte der 2000er Jahre eines der größten Talente, die England hatte. Er durchlief sämtliche Juniorenauswahlteams der Three Lions - und hatte trotz Babyface und Schwiegersohnlächeln schon immer diesen eigentlich irgendwie sympathischen Hang zum Quertreiber. Das beweist alleine die Wahl seiner Vorbilder.
Paul Gascoigne und Eric Cantona nannte er da. "Ich hatte Poster von ihnen an meiner Zimmerwand." Abseits vom Fußball eiferte er indes seinem Großvater nach: "Er war ein echter Typ. Ein Maler und Lackierer, der nie Nein zu einem Drink oder einer Schlägerei sagte. Ich mag Leute, die ein bisschen anecken."
David Bentley: Kaum Chancen beim FC Arsenal
Sportlich gesehen hatte Bentley vermutlich Pech, ausgerechnet bei Arsenal groß geworden zu sein. Denn die Londoner hatten zu jener Zeit eine der besten Offensivbesetzungen der Welt. 2003/04 sollten sie ungeschlagen englischer Meister werden, vorne wirbelten Spieler wie Thierry Henry, Freddie Ljungberg, Pires und Bergkamp, dazu kamen Sylvain Wiltord und der junge Robin van Persie.
Für Eigengewächs Bentley, für den der Lupfer gegen Middlesbrough der einzige Treffer in insgesamt neun Spielen für Arsenal bleiben sollte, war da kein Platz. Er wurde zunächst an Norwich City verliehen, wo er zwar viel spielte, am Ende mit dem Team jedoch aus der Premier League abstieg. 2005 parkte Arsenal ihn dann bei den Blackburn Rovers, die Bentley, der auch hier gleich Stammkraft wurde, Anfang 2006 für knapp zwei Millionen Euro fest verpflichteten. Ein Transfer, der sich als Glücksfall entpuppen sollte.
Sein größtes Problem hatte Bentley seinerzeit aber noch neben dem Platz: Er zockte, wurde vorübergehend spielsüchtig. "Ich liebte es. Mit 14 war ich das erste Mal in einem Wettbüro gewesen, ich verfiel dem Ganzen", gestand er gegenüber Setanta Sports. "Als ich dann begann, immer mehr Geld zu verdienen, wurde es wirklich heftig. Man wird einfach süchtig. Ich machte alles: Pferderennen, Hunderennen, setzte Geld beim Bingo und beim Online-Poker. Ich wachte morgens auf und das erste, woran ich dachte, waren Wetten und nicht Fußball."
Mit der Zeit sei ihm das Maß dann völlig abhanden gekommen, pro Tag platzierte er 50 bis 100 Wetten, führte Bentley aus: "Es kam immer darauf an, wieviele Rennen an einem Tag waren. Es war ein Witz." Auch die Summen, mit denen er hantierte, stiegen immer weiter an: "Es beginnt mit ein paar Pfund. Dann werden es hundert, dann tausend. Es geht nicht mehr darum, 100 Pfund zu gewinnen, man will 100 Riesen haben."
Bentley: "Jeder nannte mich einen W****er"
Die Teamkollegen bekamen nichts mit von Bentleys Sucht. Zu seinem Glück brachte ihn seine Freundin aber dazu, sich davon zu befreien. "Ich gestand mir lange nicht ein, dass ich ein Problem habe", erklärte er. "Irgendwann setzte ich mich dann mit meiner Freundin zusammen, und sie sagte mir, dass ich aufhören müsse. Ich dachte daraufhin über mein Leben nach und kam zu der Erkenntnis, dass ich aufhören werde. Das war die schwierigste Sache, die ich jemals meistern musste."
Doch Bentley überwand die Sucht. Wahrscheinlich gerade noch rechtzeitig, um seine Karriere nicht schon viel früher negativ zu beeinflussen. "Es war sicher nicht die alleinige Lösung, aber aufzuhören half mir, mich besser zu konzentrieren. Der ganze Fokus lag nun auf Fußball. Wenn man im Fußball nach ganz oben will, muss man süchtig nach Fußball sein."
Und sein Weg schien nun ganz nach oben zu führen, in Blackburn reifte er zunächst zu einem gestandenen Premier-League-Profi. Kurz nach der festen Verpflichtung, im Februar 2006, schoss Bentley mit einem Hattrick das große Manchester United um Cristiano Ronaldo, Wayne Rooney und Rio Ferdinand ab, Blackburn siegte 4:3. "Nach diesem Spiel sind wir alle in Manchester feiern gegangen", erinnert sich der heute 35-jährige Engländer. "Damals gab es noch kein Social Media, also konnten wir uns ein bisschen mehr gehen lassen."
Bentley war 21 und startete nun richtig durch. 13 Assists gelangen ihm in seiner ersten kompletten Saison für die Rovers, die damals sogar noch im UEFA Cup für Furore sorgten und in der Zwischenrunde nur knapp an Bayer Leverkusen scheiterten. In der zweiten Spielzeit war er erneut ein Fixpunkt, legte Roque Santa Cruz Tor um Tor auf und harmonierte prächtig mit dem früheren Bayern-Stürmer.
Doch es gab auch schon die Anzeichen dafür, dass David Bentley und moderner Fußball nicht so gut zusammen passen. Im Sommer 2007 sagte er etwa seine Teilnahme an der U21-EM ab, um zwischen den Spielzeiten wenigstens kurz durchschnaufen zu können. "Ich hatte in der Saison zuvor 60 Spiele gemacht. Wenn wir ins U21-EM-Finale gekommen wären, hätte ich so gut wie gar keine Pause gehabt, weil wir mit Blackburn in der Folgesaison schon früh im UI-Cup wieder antreten mussten. Das ging einfach nicht", erklärte Bentley bei FourFourTwo und schob nach: "Das ist ewig her und jeder nannte mich damals einen W****er. Aber heute beklagen sich alle, in der 'Roten Zone' zu sein und mehr Pausen zu brauchen."