Zum Sportlichen: Mit Leicester City ging es nach einem zwölften und zwei neunten Plätzen in der vergangenen Saison wieder bergauf, auch wenn die Champions League knapp verpasst wurde. Wie wird sich der Verein in den kommenden Jahren entwickeln?
Fuchs: Wir haben uns in den vergangenen eineinhalb, zwei Jahren richtig gut entwickelt, gerade was das fußballerische angeht. Lange haben wir von Kontern gelebt, mittlerweile dominieren wir den Platz über Ballbesitz. Als Spieler auf dem Platz fühlt sich das sehr gut an. Natürlich hat sich aber auch die Erwartungshaltung verändert.
Ist die Champions League das erklärte Ziel in der kommenden Saison?
Fuchs: Nee, überhaupt nicht. Wir haben als Mannschaft zwar Ziele, die wir nicht öffentlich kommunizieren, letztlich hängt aber nicht alles an der Qualifikation für die Champions League. Dieses Ziel haben nur die Top 6. Dass wir dauerhaft zu diesen Mannschaften vorstoßen, ist allerdings mittelfristig ein realistisches Ziel, denke ich.
Fuchs über seine internationale Fußballakademie
Sie besitzen eine international agierende Fußballakademie. Wie kann man sich das vorstellen?
Fuchs: Wir arbeiten in Österreich, England und den USA im Moment mit rund 400 Spielern verschiedener Altersklassen. Ziel ist, Spielern die Chance zu geben, bereits früh professionelles Training zu bekommen. Unsere Philosophie ist dabei natürlich sehr geprägt durch meine Erfahrungen als Profi, ich versuche die besten Sachen von jedem Trainer, den ich hatte, an die Jungs weiterzugeben.
Sind Kooperationen mit Vereinen geplant, bei denen die Jungs langfristig unterkommen können?
Fuchs: Da sind wir gerade dran, weil das die Basis für unsere Spieler nochmals verbessern würde. Wir haben mit einigen Vereinen eine, würde ich sagen, Halb-Kooperation.
Aktuell haben wir zu jedem Verein in der Premier League und der Championsship über die Sportdirektoren Kontakt. Die gucken sich die Spieler an, so haben die Jungs aus Amerika und Österreich die Chance, nach England zu kommen.
Fuchs: "Ich würde ausschließlich zu den NY Giants gehen"
Neben Fußball wird in Ihrer Akademie auch Football gespielt. Sie erwägten bereits häufiger eine Zweitkarriere als Kicker in der NFL. Wie sehen Ihre aktuellen Pläne diesbezüglich aus?
Fuchs: Natürlich hatte ich bei der Gründung der Fox Football Academy gewisse Hintergedanken. (lacht) Spaß beiseite: Das ist momentan der ungewisseste aller meine Pläne nach der Karriere. Aber ich werde es dennoch versuchen. Vor drei, vier Jahren hatte ich mal ein Probetraining mit einigen Kicker-Coaches in London und da wurde mir bescheinigt, dass ich das sehr gut gemacht habe. Die waren verblüfft, wie gut ich das ohne spezielles Kicking-Training schon konnte. Das Potential ist also da, aber das steht noch in den Sternen.
Welcher NFL-Klub soll es werden?
Fuchs: Sollte es klappen, würde ich ausschließlich zu den NY Giants gehen.
Als wäre das alles nicht schon genug, sind Sie, wie Sie einmal sagten, dank eines Gedankenanstoßes Ihres Sohnes auch im eSport unterwegs. Inwieweit werden FIFA und Co. das Bild von Sport in seiner Generation verändern?
Fuchs: Da ist im Moment sehr viel in der Entstehung. Ich denke, es ist auch ein kultureller Faktor, dass Technologie mittlerweile ein großer Bestandteil unseres Lebens ist. Jeder ist ja ein bisschen am gamen, selbst wenn es nur Solitär ist. Wenn du am Smartphone ein Spiel spielst, ist das schon eSport. Das ist die Zukunft. Und das kann eine Chance sein: Ich kenne beispielsweise die Geschichten von einigen Jungs, die eigentlich Fußballprofi werden wollten und als sie das nicht geschafft haben, haben sie angefangen, professionell FIFA zu spielen. So konnten sie dennoch ein Teil eines professionellen Vereins werden und ihren Traum auf eine andere Art verwirklichen.
Liegt in dieser Chance nicht auch die Gefahr, dass junge Menschen sich nicht mehr auf ihre reale Karriere, sondern von Anfang an auf den eSport konzentrieren?
Fuchs: Die Gefahr sehe ich nicht. FIFA beispielsweise ist meiner Meinung nach finanziell noch nicht reizvoll genug. Abgesehen vom Weltmeister in Fortnite ist das Gaming noch nicht so lukrativ. Man kann davon leben, ohne Frage, aber 99,9 Prozent haben einen regulären Job und spielen nebenbei eSport.
Der Trend allerdings geht eher in die Richtung, dass die Preisgelder steigen..
Fuchs: Definitiv. Ich sehe es allerdings nicht unbedingt als Gefahr, dass Spieler sich für FIFA entscheiden, statt Profifußballer zu werden. Ich denke, der Reiz, sich in Richtung Profifußball zu orientieren ist größer als in die andere Richtung.
Was würden Sie machen, wenn Ihr Sohn zu Ihnen kommen würde und sagen würde: 'Ich höre auf mit Fußball und konzentriere mich auf FIFA'?
Fuchs: Dann würde ich ihm zeigen, was er mit FIFA wirklich verdienen kann und dann würde er schnell umdenken. Es ist definitiv eine reizvolle Sache, aber nicht so, dass du das als Hauptjob machen kannst.
Fuchs: "Ich brauche etwas abseits des Fußballs"
Sie haben einmal gesagt, all die unternehmerischen Tätigkeiten würden Sie nicht vom Fußball ablenken, sondern dafür sorgen, dass sich Fußballspielen wie eine Befreiung anfühlen würde. Das müssen Sie erklären.
Fuchs: Weil es einfach ist. Auf dem Platz brauche ich nur einem Ball nachjagen, ohne viel nachzudenken. Ich bin als Typ niemand, der nach Hause geht, sich ausruht und die Playstation zum FIFA-Spielen anmacht. Ich brauche Reize, neue Herausforderungen haben mich schon immer interessiert. Aktuell habe ich abseits des Fußballs viele Herausforderungen. Wenn ich dann auf dem Platz nur dem Ball nachlaufen muss, ist das schon sehr erholend für mich und macht mir umso mehr Spaß.
Ist ein Leben als Fußballprofi nicht erfüllend genug?
Fuchs: Ich kann ja nur von mir reden. Ich brauche etwas abseits des Fußballs, in das ich mich reinsteigern kann. Der Fußball ist natürlich dennoch eine Herausforderung. So wie wir spielen, ist sehr viel Spielintelligenz nötig. Die Spieler werden taktisch sehr gefragt. Brendan Rodgers macht viel mit uns, das auch für den Kopf ermüdend sein kann. Mit den Stunden, die ich zu Hause habe, möchte ich dann aber etwas anfangen, um nicht nur beispielsweise bei Netflix rumzuzappen. Während des Lockdowns war es sowieso so, dass ich dann keine neuen Serien mehr hatte und keinen Film, den ich noch nicht kannte.
Ich muss dabei an die vielzitierte Blase denken, in der sich viele Profis bewegen. Ist eine gewisse Eigenständigkeit neben dem Platz wichtig?
Fuchs: Das sehe ich absolut so. Die Vereine sollten den jungen Spielern nicht alles abnehmen, sondern auch mal sagen: "Schau, jetzt musst du das Dokument unterschreiben oder zu dieser und jeder Behörde gehen, um etwas abstempeln zu lassen." Solche Sachen sind nur Kleinigkeiten, aber das ist Lebenserfahrung, die man dadurch auch in kleinen Schritten bekommt.
Fuchs: Havertz und Werner? "Sie werden an sich arbeiten müssen"
Neue Erfahrungen werden auch Timo Werner und Kai Havertz beim FC Chelsea sammeln - was brauchen die beiden, um in der Premier League Fuß zu fassen?
Fuchs: Robustheit. Dass in der Premier League körperbetont gespielt wird, weiß man ja, aber wenn man es dann im Training zu spüren bekommt, ist das schon eine Umstellung. Sie werden an sich arbeiten müssen. Trotzdem traue ich ihnen das zu. Die beiden haben ja in den letzten Jahren bereits auf sehr gutem Level gespielt, auch international. Außerdem verpflichtet ein Verein wie Chelsea keinen Spieler aus Lust und Laune. Die wissen genau, wieso und weshalb sie einen Havertz oder Werner holen und wo sie die Jungs einsetzen.
Um die Meisterschaft wird der FC Chelsea vermutlich dennoch nicht mitspielen, zu stark erscheint die Dominanz von Manchester City und dem FC Liverpool. Ist eine solche Überraschung, wie sie Leicester 2016 gelang, heute überhaupt noch zu wiederholen?
Fuchs: Ich hoffe nicht - dann spricht ja keiner mehr von Leicester. (lacht) Im Ernst: Die Chancen stehen nicht gut. Die Teams da oben spielen einen sehr guten Fußball und sind kaum zu schlagen. Auch bei uns damals war ja eine große Portion Glück dabei. Wir haben zwar immer gut verteidigt, aber letztlich war unsere Chancenausbeute auch sehr hoch. Ob das wieder passieren kann? In den nächsten 100 Jahren vielleicht einmal.
Zum Schluss ein Blick zurück zu Ihrem Ex-Klub Schalke, dessen Spiele Sie ja laut eigener Aussage weiter verfolgen. Sie und viele viele andere Spieler mit hoher Qualität haben den Klub in den letzten Jahren ablösefrei verlassen. Was macht das Management auf Schalke falsch?
Fuchs: Vielleicht verpflichtet man nicht langfristig genug und gibt den Spielern so die Möglichkeit, den Vertrag auszusitzen und dann ablösefrei zu wechseln. Ich denke, man muss als Verein eine Umgebung schaffen, in der sich die Spieler wohlfühlen. Ich kann nur von meinen Erfahrungen hier in Leicester sprechen: Ein Riyad Mahrez hat seinen Vertrag noch mal um drei Jahre verlängert, bevor er dann wirklich zu Manchester City gewechselt ist. Das ist hier Teil der Vereinskultur, die allerdings auch gepflegt werden muss. Der Spieler sollte nicht nur als Spieler, sondern auch als Privatperson mit persönlichen Bedürfnissen abseits des Platzes gesehen werden. Wenn du diese Wertschätzung hast, dann fühlst du dich wohl. Das sind Dinge, die - nicht nur bei Schalke, sondern bei vielen Vereinen - leider häufig nicht an oberster Stelle stehen. Wenn es einem Verein allerdings gelingt, dass die Spieler sich wohlfühlen und mit dem Verein identifizieren, dann kann man davon langfristig auch finanziell profitieren.
War die fehlende Wertschätzung dementsprechend einer der Hauptgründe, wieso Sie Schalke verlassen haben?
Fuchs: Darauf brauchen wir nicht mehr eingehen, das ist Schnee von gestern.