Jürgen Klopp lachte auf, als er vor dem Spiel gegen den FC Chelsea gefragt wurde, ob er einen Startelfeinsatz von Thiago in Betracht gezogen habe. Nach seinem Wechsel für 30 Millionen Euro vom FC Bayern München war Thiago erst am Freitag in Liverpool angekommen und hatte lediglich eineinhalb Trainingseinheiten absolviert.
"Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, ihn von Beginn an zu bringen", sagte Klopp, der Thiago nach einer zwar überlegenen, aber chancenarmen ersten Halbzeit beim Stand von 0:0 immerhin zur Pause einwechselte. Laut Klopp sei er der "perfekte Spieler" für diese Situation gewesen und damit hatte er im Nachhinein betrachtet nicht unrecht.
Mit Thiagos Einwechslung wurde Liverpools Spiel deutlich zielstrebiger und in den zehn Minuten nach der Pause besorgte Sadio Mane die siegbringende 2:0-Führung (50. und 54.). Nach dem Spiel lobte der Doppelpacker den Neuzugang: "Er ist einer der besten Spieler der Welt. Wir können uns glücklich schätzen, ihn in unserem Team zu haben. Heute hat er gezeigt, dass er ein großartiger Spieler ist."
Thiago bricht zum Debüt einen Premier-League-Rekord
Insgesamt 75 (von 83) Pässen brachte Thiago in seinem 45-minütigen Einsatz an den Mann und damit mehr als jeder Chelsea-Spieler in 90 Minuten und mehr als jemals ein Spieler in der Premier League seit Beginn der detaillierten Datenerfassung zur Saison 2003/04 in einer Spielzeit von höchstens 45 Minuten. Seine 63 Pässe in der gegnerischen Hälfte (von denen knapp 89 Prozent ankamen) waren Bestwert aller Spieler auf dem Platz.
Eingewechselt worden war Thiago für den leicht angeschlagenen Kapitän Jordan Henderson, dessen Rolle als alleiniger Sechser im 4-3-3-System er auch übernahm. Flankiert wurde er von den beiden Achtern Georginio Wijnaldum und Naby Keita, beziehungsweise nach dessen Einwechslung James Milner. Beim FC Bayern hatte Thiago im 4-2-3-1 meist neben Joshua Kimmich oder Leon Goretzka auf einer Doppelsechs gespielt.
"Er hat noch keine Abläufe von uns drin und das hat man auch in einigen Momenten gesehen", analysierte Klopp, der Thiago immer wieder von der Seitenauslinie Kommandos zurief. "Die Jungs wie Naby Keita oder James Milner mussten auch Löcher für ihn stopfen, aber das ist völlig normal."
Thiagos größten Fehler bügelte aber Liverpool-Keeper Alisson Becker aus. Mit einem Foul an Timo Werner hatte Thiago einen Elfmeter verschuldet, Jorginho scheiterte jedoch an Alisson (75.) und machte damit Chelseas Pannen-Serie komplett: Zuvor hatte Andreas Christensen für eine Notbremse die Rote Karte gesehen (45.+1) und Keeper Kepa Arrizabalaga mit einem üblen Fehler Manes 2:0 ermöglicht.
Karl-Heinz Rummenigge berichtet von Thiagos Tränen
Nach dem Spiel umarmten sich Klopp und Thiago innig - wie sich Thiago und der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern Karl-Heinz Rummenigge am Freitag innig umarmt hatten. "Er hat mich in den Arm genommen, fünf Minuten geweint und gesagt: 'Dankeschön, dass ihr das gestattet habt'", erzählte Rummenigge am Sonntag bei Sky von der Verabschiedung in der Tiefgarage des Klubgeländes an der Säbener Straße. "Dann sind mir auch die Tränen gekommen."
Falls Rummenigge Thiagos Debüt für Liverpool verfolgt hat, sind ihm womöglich ebenfalls die Tränen gekommen - dann aber nicht aus Rührung, sondern aus Trauer, einen der besten Passspieler der Welt verloren zu haben.