Sam Hutchinson ist ein professioneller Fußballspieler und wird am 3. August 33 Jahre alt. Stand jetzt ist er am 1. Juli offiziell arbeitslos, Drittligist Sheffield Wednesday wollte den Vertrag mit ihm nicht verlängern. Das sind nicht gerade ideale Umstände für einen Profi, um die eigene Karriere fortzusetzen. Doch für Hutchinson ist das längst nicht mehr entscheidend.
Vor zwölf Jahren nämlich, Hutchinson war gerade 21 Jahre alt geworden, war für ihn bereits alles vorbei. Und nachdem alles vorbei war, wurde alles noch einmal schlimmer. Eine sogenannte Chondropathie, was nichts anderes als ein Loch im Knorpel seines rechten Knies war, beendete Hutchinsons Laufbahn, bevor sie eigentlich begonnen hatte.
Bereits im Alter von neun ging Hutchinson in die Jugendakademie des FC Chelsea in Cobham, wo auch schon sein Vater Eddie kickte. Dort durchlief der Innenverteidiger, der auch als Rechtsverteidiger spielen kann, alle Nachwuchsteams und stand schließlich im Mai 2007 mit 17 erstmals bei den Blues-Profis auf dem Platz.
Kurz darauf erhielt er einen Vierjahresvertrag als Profi, der damalige Trainer Jose Mourinho hielt große Stücke auf ihn. Manche sahen in Hutchinson bereits den Nachfolger von John Terry, später wurde Carlo Ancelotti ein großer Fan vom ihm.
Sam Hutchinson: Karriereende beim FC Chelsea mit 21
Doch am Ende wurden es nur drei zusätzliche Partien, in denen Hutchinson für Chelsea auf dem Feld stand. Die Probleme im Knie wurden immer größer, die Behandlungen regelmäßiger, die Rückschläge konstanter, die Ausfallzeit länger. Hutchinsons Kampf ging über Jahre.
Im August 2010 glaubte er ihn verloren zu haben: Hutchinson hing die Fußballschuhe an den Nagel. Die Schmerzen waren zu groß. "Sam wird in allem, was er im Fußball tut, Spitzenqualität haben, das sieht man ihm einfach an", sagte Terry.
Mehr als sechs Jahre später blickte Hutchinson im Gespräch mit dem Guardian auf seinen damaligen Entschluss zurück: "Es war keine große Entscheidung, denn ich habe es gehasst. Ich wollte einfach nur die Schmerzen und alles andere beenden."
Sam Hutchinson: Seine Karriere im Überblick
Verein | Zeitraum |
FC Chelsea Jugend | 1999-2007 |
FC Chelsea | 2007-2014 |
Nottingham Forest | 2012-2013, Leihe |
Vitesse Arnhem | 2013, Leihe |
Sheffield Wednesday | 2014, Leihe |
Sheffield Wednesday | 2014-2020 |
FC Pafos | 2020 |
Sheffield Wednesday | 2021-2022 |
Eineinhalb Jahre später sah Hutchinsons Welt allerdings wieder anders aus - die ersten sechs Monate davon jedoch zunächst noch schlimmer. Zwar ließ er sich weiter an seinem Knie behandeln, doch nach dem Aus als Fußballer stürzte Hutchinson in eine Depression, die sich bereits zuvor anbahnte. Auf einmal musste er sich parallel behandeln lassen, körperlich und seelisch.
"Ich habe wahrscheinlich mental genauso viel getan wie körperlich. Man kommt einfach an einen Punkt in seinem Leben, an dem man entweder nur noch mitspielt und vielleicht nur noch eine Nebenrolle spielt oder man gibt wirklich alles", sagte er.
Heute steht längst fest, dass Hutchinson tatsächlich alles gab, um sich aus diesem Sumpf der Leiden zu ziehen. "Ich wollte nie wieder zurückkommen. Ich wollte auch nicht mehr für Chelsea spielen, weil ich ihnen die Schuld daran gab, obwohl es nicht ihre war", sagte er 2017 über seine Gedanken unmittelbar nach dem einstigen Aus.
Sam Hutchinson und sein zweites "Debüt" für Chelsea
Doch nachdem ihm ein Transplantat ins Knie gesetzt wurde und dieses vollständig eingewachsen war, gehörten die Schmerzen plötzlich der Vergangenheit an. Hutchinson nahm die Kickstiefel doch wieder vom Nagel und legte los. Chelsea gab ihm einen Vertrag über 18 Monate.
Seine Reha war noch nicht beendet, doch Hutchinson steigerte das Pensum kontinuierlich. Am 29. April 2012, fast zwei Jahre nach seinem eigentlichen Karriereende, schickte ihn Interimstrainer Roberto Di Matteo neun Minuten vor Schluss gegen die Queens Park Rangers aufs Feld - an der Seite von Terry feierte Hutchinson tatsächlich sein zweites "Debüt" für die Blues.
Mehr wurde aus diesem märchenhaften Comeback für Hutchinson an der Stamford Bridge aber nicht. Es folgten zwei Leihgeschäfte, zunächst zu Nottingham Forest, wo er in seinem ersten Spiel sofort traf und Trainer Sean O'Driscoll über ihn sagte: "Er ist ein bisschen wie John Terry."
Sam Hutchinson wird bei Sheffield Wednesday Stammspieler
Nach einer Injektion zur Beseitigung eines kleinen Problems in seinem Knie meldete sich dieses allerdings zurück, wodurch er weite Teile der Saison verpasste. Nach neun Pflichtspielen für die Reds war Schluss, in der darauffolgenden Saison ging es zu Chelseas Farmteam Vitesse Arnheim. Doch dort passte der Fußball nicht zu Hutchinson und er entschied, die Karriere künftig selbst in die Hand zu nehmen.
"Genau das habe ich bei Sheffield Wednesday getan", sagte er über seinen Wechsel zu den Owls im Jahr 2014 und gestand, dass er dort glücklicher war als zuvor "und begann, die Früchte zu ernten". In Hillsborough avancierte Hutchinson zu einem der besten Spieler der Championship, dazu rückte er ins defensive Mittelfeld vor. Wenn man ihn kicken sah und die Vorgeschichte nicht kannte, man wäre bei seiner intensiven wie resoluten Spielweise nicht darauf gekommen, dass Hutchinsons Knie kein normales mehr ist.
Am Ende kamen bis heute 207 Pflichtspiele für Wednesday zusammen (acht Tore, sechs Vorlagen, fünf Platzverweise). Bereits 2020 verlängerte man seinen Vertrag nicht, worauf sich Hutchinson für ein halbjähriges Abenteuer in Zypern beim FC Pafos entschied. Sheffield nahm ihn zurück, stieg 2021 aber in die League One ab.
Neuanfang ohne Hutchinson: Owls-Fans reagieren entrüstet
Dort riss er in der vergangenen Saison 28 Ligapartien ab, in jeder davon stand Hutchinson in der Startelf. Die Mission Wiederaufstieg endete jedoch in einer bitteren Enttäuschung: Ein Tor in der dritten Minute der Nachspielzeit verwehrte Wednesday im Rückspiel der Aufstiegsplayoffs gegen Sunderland die Rückkehr in die 2. Liga.
Es war Hutchinsons letzter Auftritt für Sheffield. Der Klub entschied sich für einen Neuanfang, der Publikumsliebling muss sich einen neuen Verein suchen. Die Fans reagierten entrüstet. Für Trainer Darren Moore soll die Entscheidung gegen Hutchinson die schwierigste gewesen sein.
"Es gibt keinen Grund für mich zu gehen", sagte Hutchinson schon vor fünf Jahren. "Dies ist der einzige Verein, in dem ich wirklich gespielt habe. Also bedeutet es mir etwas, hier zu sein." Man kann davon ausgehen, dass er auch mit bald 33 noch ein paar ordentliche Angebote erhalten wird. Entscheidend ist dies für Hutchinson aber längst nicht mehr.