Analphabet, Gefängnis und 51 Länderspiele! Das verrückte Leben von Manchester-United-Legende Mickey Thomas

Von Andreas Königl
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Mickey Thomas ist auf der Insel eine Legende - doch es war hauptsächlich abseits des grünes Rasens, wo er Aufmerksamkeit erlangte.

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"Die Liverpool-Fans sagten zu mir: 'Unterschreibe mein Toilettenpapier!'", erinnert sich Mickey Thomas an seinen 18-monatigen Gefängnisaufenthalt - er ist ein Star hinter Gittern, die Wärter behandeln ihn gut. Und dennoch ist er mal wieder ganz unten angekommen. "Ich kann mir vorstellen, was sie damit gemacht haben", fügt er mit einem Schmunzeln hinzu.

Es ist der unrühmliche Höhepunkt und gleichzeitig das Ende der bewegten Karriere des 51-maligen walisischen Nationalspielers, der über die Jahre für Klubs wie Manchester United, den FC Everton oder Chelsea aufläuft. Der 'walisische George Best', wie er in der Heimat genannt wird, macht aber vielmehr abseits des Rasens auf sich aufmerksam - so überlebt er beispielsweise ein Attentat mit einem Kiefer- und Wangenknochenbruch sowie 15 Stichwunden dank eines genialen Tricks nur knapp. Aber der Reihe nach ...

Thomas wächst in einer Sozialsiedlung in Mochdre auf, einem kleinen Ort an der Nordküste von Wales. Seine Familie ist arm und der triste Alltag prägt seine Kindheit. Die Schule verlässt er schon früh, ohne richtig lesen und schreiben zu können. Einzig der Fußball gibt ihm Halt, das runde Leder bestimmt seine Freizeit. Doch das Geld ist knapp und Thomas ist darauf angewiesen, dass eine örtliche Fabrik ihm seine Fußballschuhe kauft. Er revanchiert sich und spielt im Alter von 13 Jahren für die Herrenmannschaft von Quinton Hazell, einem Automobilzulieferer.

Mickey Thomas wird bei Ryan Reynolds' neuem Klub groß

Und Thomas macht seine Sache so gut, dass er nur zwei Jahre später beim Wrexham AFC landet - jener Klub, der mit ihm einige beachtliche Erfolge im FA Cup oder dem Europapokal der Pokalsieger, wo man 1976 erst im Viertelfinale am späteren Sieger aus Anderlecht scheitert, feiert und mit dem Hollywood-Star Ryan Reynolds heute als Besitzer wieder an glorreiche Zeiten anknüpfen will.

Thomas derweil erfüllt sich 1978 seinen Traum von Manchester United. Er avanciert zum Kultspieler, doch er kann dem Druck nach sechs Jahren nicht mehr standhalten. "Ich war immer nervös. Obwohl ich ein Red war, empfand ich Ehrfurcht", erzählt er. "Kurz bevor Ron Atkinson das Ruder übernahm, sagte ich zu Martin Edwards, dem Vorsitzenden von United, dass ich wechseln wolle. Mit Ron war es sehr schwierig, ein Gespräch zu führen - er lag zu der Zeit auf der Sonnenbank."

Seinem Wunsch wird entsprochen und es geht weiter zu den Toffees, wo bereits nach drei Monaten wieder Schluss ist. Er weigert sich, für die Reservemannschaft des Klubs zu spielen und wird von Trainer Howard Kendall rausgeschmissen. Ein Verhalten, das der 68-Jährige heute aber bereut: "Ich hatte Unrecht mit dem, was ich tat, und er hatte Recht mit dem, was er tat."

Mickey Thomas spielte für United und Chelsea, allerdings war er stets ein exzentrischer Charakter.
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Mickey Thomas spielte für United und Chelsea, allerdings war er stets ein exzentrischer Charakter.

"Mit weiblicher Begleitung in der Umkleidekabine geschlafen!"

Bei seinen nächsten Stationen läuft es für den Flügelspieler kaum besser. Bei Brighton plagt ihn plötzlich Heimweh, seine Frau ist in der Stadt unglücklich. Er bleibt dem Training wiederholt unentschuldigt fern und wird schließlich suspendiert. Als er Mitte der 80er bei Chelsea spielt, nutzt er die Umkleide an der Stamford Bridge als Übernachtungsmöglichkeit. "Dann schlief ich im Zimmer des Schiedsrichters oder in der Umkleidekabine", verrät er. "Ich war nicht allein - ich hatte einige weibliche Begleiterinnen."

So richtig sesshaft wird er nirgendwo, 1991 landet er schließlich wieder in der walisischen Heimat bei Wrexham. Doch es kommt noch schlimmer und Thomas wird wegen Geldfälschung zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er seine Blüten unter den Jugendspielern des Klubs verteilt. "Das Gefängnis hat mich viel gelehrt. Ich habe gelernt, mit einem offenen Auge zu schlafen", sagt er heute. Im Foston Hall-Prison in Derbyshire sitzt er mit 124 Lebenslänglichen ein, teilt sich seine Zelle mit einem Doppelmörder, der seinen Opfern die Köpfe abgehackt hatte.

Dabei darf Thomas sich am Ende sogar glücklich schätzen, dass er es überhaupt in seine Zelle geschafft hat. Denn während er auf seinen Prozess wartet, wird er mit einer Frau in seinem Volkswagen sitzend von zwei Männern mit Hammer und Schraubenzieher angegriffen. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Er war von der Frau seines ehemaligen Schwagers an einen abgelegenen Ort gelockt und nun von seinem Ex-Schwager attackiert worden. Die Angreifer lassen erst von ihm ab, als er sich bewusstlos stellt - ein Schachzug, der ihm möglicherweise das Leben rettet. Er landet mit 15 Stichen in seiner linken Pobacke und mehreren Brüchen im Krankenhaus.

Mickey Thomas: Legendäres Tor gegen Arsenal

Seine aktive Laufbahn als erfolgreicher Spieler ist zu jenem Zeitpunkt längst beendet. In Wrexham ist Thomas aber ohnehin schon unsterblich, er schießt im Januar 1992 mit einem direkt verwandelten Freistoß den damaligen Viertligisten zum Sieg im FA Cup gegen Arsenal - für ihn das schönste Tor in 20 Jahren Karriere.

Zuletzt arbeitet er als Radio-Kommentator und Tischredner, 2019 erkrankt er an Magenkrebs. Doch er entkommt dem Tod erneut, eine Operation mit einer Erfolgschance von lediglich 30 Prozent rettet ihm das Leben - im November 2021 ist er krebsfrei. Mickey Thomas ist eben ein Kämpfer, der sich niemals unterkriegen lässt. Das hat er bereits als kleiner Junge in Mochdre gelernt.

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