Newcastle United - Ohne den Rekordeinkauf und Sky Sports: Warum die Magpies schon jetzt oben angekommen sind

Von Patrik Eisenacher
BRUNO GUIMARAES: Newcastle United soll den Brasilianer, der mit Real Madrid in Verbindung gebracht wird, angeblich nur bei Zahlung einer Weltrekordsumme ziehen lassen wolle. Das berichtet der Newcastle Chronicle ohne genaue Zahlen zu nennen.
© imago images

Vor rund einem Jahr kämpfte Newcastle United trotz großer Investitionen durch die Saudi-Millionen auf Platz 19 stehend noch gegen den Abstieg. In dieser Saison spielen die Magpies um die Champions-League-Plätze mit. Über drei "Riesen" und zwei "Knirpse" in der Defensive, einen "magischen", angestachelten Außenstürmer und die Methoden von Trainer Eddie Howe.

Cookie-Einstellungen

Klar, Newcastle wird in der Premier League nach der saudischen Übernahme ganz vorne mitspielen - dachte man im Oktober 2021. Doch wie lange und wie viele hundert Millionen wird es brauchen?

Fakt ist: Seit dem Abstiegskampf im Januar 2022 hat der Verein nicht so viel saudisches Geld ausgegeben, wie die Öffentlichkeit annahm. Im Wahnsinn der Premier League liegt Newcastle bei den Transferausgaben nur auf Rang 8, mit 136 Millionen Euro.

Im vergangenen Winter schwächten die Magpies noch vor allem die Konkurrenz, im Sommer holten sie neben einigen mittelgroßen Namen Alexander Isak für die Rekordsumme von 70 Millionen Euro. Von ManUnited-Coach Erik ten Hag gab es sogar Anerkennung: "Sie haben die richtigen Investitionen getätigt und das gilt es wertzuschätzen."

Die entscheidende Verpflichtung war aber eine andere: die von Trainer Eddie Howe.

Newcastle United: Jubelszenen statt Sky Sports News

Der 45-jährige Engländer bringt reichlich Erfahrung aus den mitunter schwierigen Jahren bei Bournemouth mit. Rechtsverteidiger Kieran Trippier erzählte bei The Athletic über Howes Methoden: "Wir Spieler lieben die Trainingssessions und fühlen uns in den Spielen besser als zuvor. Wir haben eine bessere Balance. Die Unterschiede, die er bewirkt hat, sind erkennbar."

Über allem steht die Defensive, die nach der Saison im Tabellenkeller nun auch für Pressing steht - eine Entwicklung ist deutlich zu erkennen. Die Offensive ist teils auf viel Ballbesitz aus, wie zuletzt beim 2:1-Sieg gegen Tottenham Hotspur zeitweise mit 72 Prozent, und nicht nur auf Konterangriffe und Standardsituationen.

Doch Howe änderte vor allem die generelle Mentalität. Ein Sinnbild für den Erfolg: Die Fernseher rund um den Komplex zeigten bisher den gesamten Tag lang Sky Sports News - nun sind dort Torjubel von Spielern aus den jüngsten Spielen zu sehen, ein Countdown bis zum nächsten Spieltag und der Award zum "Trainingsspieler des Monats".

Die 1:2-Niederlage bei Liverpool Ende August war die bisher einzige in der Liga. Seitdem blieb Howes Team 13 Spiele ungeschlagen, holte dabei 29 Punkte und kassierte nur fünf Gegentore. Nach 18 Spieltagen stehen insgesamt lediglich elf Gegentore zu Buche, die Blamage im FA Cup (1:2 gegen Sheffield Wednesday) am Samstag beendete die Serie von wettbewerbsübergreifend sechs Spielen ohne Gegentreffer. Dennoch: Newcastle stellt die derzeit beste Defensive Englands.

Das Aushängeschild der stabilen Defensive sind drei Riesen: Torwart Nick Pope (1,98 Meter), Innenverteidiger Sven Botman (1,95 Meter) sowie der umfunktionierte Linksverteidiger Dan Burn, der mit 2,01 Meter der größte Spieler der Liga ist.

Ranking, Trainer, Gehalt, Premier League
© getty

Newcastle United: Legende begeistert - Guimarães gut wie nie

Kieran Trippier, vor einem Jahr für 14 Millionen Euro zurück in die englische Heimat geholt, und der Schweizer Schär, schon seit 2018 im Verein, sorgen mit ihrer Zweikampfstärke für die gute Balance in der Abwehr. Zudem gleichen sie die Größenverhältnisse mit 1,73 und 1,86 Metern wieder etwas aus.

Rekordtorschütze Alan Shearer ist begeistert von der Defensive: "Er (Fabian Schär; Anm. d. Red.) hat zusammen mit Trippier und Pope einen großen Anteil daran, warum Newcastle in dieser Saison hinten so stabil steht."

Bruno Guimarães führt die Achse im defensiven Mittelfeld fort: Der brasilianische WM-Fahrer kam vor einem Jahr für rund 42 Millionen Euro aus Lyon und spielt seitdem den besten Fußball seiner Karriere. Der 25-Jährige gestand zwar im Gespräch mit Fifa+, dass der Zeitpunkt des Wechsels vor zwölf Monaten ein schwieriger war, doch er glaube dass er "dafür geboren wurde, in der Premier League zu spielen".

Howe deutete vor Kurzem an, dass ihn Guimarães' Leistungen trotz der satten Ablöse sogar positiv überrascht hätten: "Er hat sich unglaublich gut geschlagen. (...) Seine Auftritte sprechen für sich, ich muss gar nicht allzu viel kommentieren."

Newcastle United: Almirón explodiert nach Grealish-Hohn

Vor Guimarães trumpft der Paraguayer Miguel Almirón auf, der das Newcastle-Trikot schon seit drei Jahren trägt. Erfolgreicher als in dieser Spielzeit war er allerdings noch nie. In seinen ersten drei Premier-League-Saisons, die wohlgemerkt genau 100 Spiele fassten, erzielte der 28-Jährige genauso viele Tore wie in den bisherigen 18 Spielen: neun. "Er ist in der Lage, magische Dinge zu tun", schwärmt Trainer Howe.

Dabei war Almirón noch vor der Saison eine Lachnummer, zumindest im Kreise von Meister Manchester City. Auf der Abschlussfeier im Sommer machte sich Jack Grealish über seinen Teamkollegen Riyad Mahrez lustig, indem er diesen mit dem Newcastle-Angreifer verglich: "Nimm ihn runter, so früh wie möglich. Er spielt wie Almirón."

Der hatte 2021/22 in 30 Spielen lediglich einen Treffer erzielt. Da Grealish nur zweimal mehr auf der Anzeigetafel auftauchte, flog ihm seine Aussage in kürzester Zeit um die Ohren. Rund ein halbes Jahre später ist der 117-Millionen-Euro-Einkauf deutlich überflügelt: Grealish selbst traf in dieser Saison bislang nur einmal.

Trotz der vielen ineinandergreifenden Rädchen und Platz drei wird Newcastle wohl nicht mehr in das Titelrennen der Premier League eingreifen können. Neun Punkte Rückstand sind es auf Spitzenreiter Arsenal, Manchester City hat vier Punkte mehr auf dem Konto. Der gravierende Unterschied: die Torausbeute.

Arsenal und ManCity trafen bereits über 40-mal, Newcastle hingegen nur 32-mal. Almiróns neu entdeckter Torriecher allein genügt also nicht.

Premier League, Team der Hinrunde, Winterpause, Topelf, Manchester City, FC Arsenal, Erling Haaland, Joao Cancelo, Kevin de Bruyne, Gabriel Martinelli, Harry Kane
© imago images

Newcastle United: Alexander Isak als X-Faktor?

Die Rolle des Torjägers sollte eigentlich Alexander Isak übernehmen. Der einstige Dortmunder verletzte sich allerdings nach drei Spielen und zwei Toren schwer am Oberschenkel. Seit dem 9. Spieltag muss Newcastle deshalb schon auf den Königstransfer verzichten.

Ersatz Callum Wilson, der von Englands Nationaltrainer Gareth Soutgate etwas überraschend nicht zur WM eingeladen wurde, erzielte bisher immerhin sechs Treffer. Die Qualitäten eines Isaks in Topform hat er aber bei weitem nicht.

In wenigen Wochen wird der 23-Jährige zurückerwartet. Netzt Isak so wie kurz nach seiner Ankunft ist Newcastle ein heißer Anwärter, auch am Saisonende zu den besten vier Teams der Premier League zu gehören - und vielleicht darf auch ernsthaft vom Titel geträumt werden.

Premier League: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Arsenal1740:142644
2.Manchester City1745:162939
3.Newcastle United1832:112135
4.Manchester United1727:20735
5.Tottenham Hotspur1837:251233
6.Liverpool1734:221228
7.Fulham1830:27328
8.Brighton & Hove Albion1732:25727
9.Brentford1830:28226
10.Chelsea1720:19125
11.Aston Villa1820:26-622
12.Crystal Palace1717:25-822
13.Leicester City1826:31-517
14.Leeds United1725:31-617
15.Nottingham Forest1813:34-2117
16.AFC Bournemouth1818:39-2116
17.West Ham United1815:24-915
18.Everton1814:24-1015
19.Wolverhampton Wanderers1811:27-1614
20.Southampton1815:33-1812