Ein verschossener Elfmeter kann so manche Karriere verändern - insbesondere dann, wenn es in einem großen Spiel passiert. Bukayo Saka, Jadon Sancho und Marcus Rashford erlebten im Sommer 2021 womöglich einen der härtesten Tage ihrer Karriere. Im Finale der Europameisterschaft traten sie allesamt für England im Elfmeterschießen gegen Italien an - und verschossen.
Sie hätten Legenden werden können. England war nie so nah am zweiten Turniererfolg seit der WM 1966. Viel bitterer war aber die Reaktion vieler englischer Fans darauf. Sowohl im Wembley Stadion als auch in den sozialen Netzwerken sahen sich die drei Spieler rassistischen Beleidigungen ausgesetzt. Ein Tiefpunkt, der ihrer sportlichen Leistung, vor allem aber ihnen als Menschen nicht gerecht wurde.
Umso bemerkenswerter ist es, wie vor allem Saka sich seitdem beim FC Arsenal entwickelt hat. Schon damals von vielen Expertinnen und Experten als eines der größten Talente gefeiert, hat er zurückgeschlagen, als hätten ihn die Geschehnisse des EM-Sommers kaum tangiert. Gefühlt wurde er von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel immer besser.
Heute ist er mit erst 21 Jahren nicht nur Stammspieler beim Tabellenführer der Premier League, sondern absoluter Leistungsträger - und einer der Gründe dafür, dass die Gunners in dieser Saison einen rasanten Aufstieg erlebt haben. Kein Wunder also, dass Manchester City großes Interesse an einer Verpflichtung des flexibel einsetzbaren Außenspielers haben soll.
Bukayo Saka: Das Naturtalent vom FC Arsenal
Saka ist ein Naturtalent, wenn es darum geht, Spielsituationen innerhalb kürzester Zeit zu lesen und gleichzeitig richtig darauf zu reagieren. Eine seiner größten Stärken ist seine Vororientierung. Er hat den Kopf häufig oben und verschafft sich so einen Überblick über die Abstände der Gegenspieler und offene Räume.
Statistisch gesehen zählt er unter allen offensiven Mittelfeld- und Flügelspielern zu den besten acht Prozent, wenn es darum geht, Ballkontakte im gegnerischen Strafraum zu sammeln (6,46 pro 90 Minuten in den letzten 365 Tagen). Außerdem ist er Empfänger von 13,19 progressiven Pässen pro 90 Minuten, womit er in dieser Statistik zu den besten sechs Prozent der Welt zählt.
Oft wird bei vertikalen und linienbrechenden Pässen der Passgeber gelobt. Ohne Spieler wie Saka, die sich zwischen den Linien immer wieder richtig positionieren, wären diese Zuspiele aber kaum möglich. Der Engländer ist dahingehend ein Segen für Mikel Arteta. Zumal diese Zahlen nur die Basis für das bilden, was jeder regelmäßig von Saka zu sehen bekommt: Tempodribblings, Tore, Assists, Läufe in die Tiefe. Durch seine starke Vororientierung verschafft er sich hier einen Vorteil.
In dieser Saison hat Saka in der Premier League die sechstmeisten Aktionen, die zu einem Abschluss führen (SCA - Shot Creating Actions) - auf einen 90-Minuten-Durchschnitt berechnet. 4,8-mal führt ein Dribbling, ein Pass, ein eigener Abschluss oder ein Foul an ihn zu einem Schuss eines Teamkollegen. Spitzenreiter ist Kevin De Bruyne (6,54), bei Arsenal ist nur Martin Ödegaard vor ihm (5,08). Saka ist gemeinsam mit dem Norweger der Antrieb der Gunners-Offensive.
Premier League: Spieler mit den meisten Aktionen, die zu einem Abschluss führen
Spieler | Minuten | Torbeteiligungen pro 90 Minuten | SCA pro 90 Minuten |
Kevin de Bruyne (ManCity) | 1689 | 0,74 | 6,55 |
Riyad Mahrez (ManCity) | 982 | 0,83 | 5,58 |
Martin Ödegaard (Arsenal) | 1684 | 0,70 | 5,08 |
Kieran Trippier (Newcastle) | 1954 | 0,23 | 4,93 |
Bruno Fernandes (ManUnited) | 1978 | 0,41 | 4,91 |
Bukayo Saka (Arsenal) | 1801 | 0,75 | 4,80 |
Bukayo Saka: Darum ist der Topscorer des FC Arsenal auf dem Radar von ManCity
Mit 16 Torbeteiligungen ist er wettbewerbsübergreifend der beste Scorer beim FC Arsenal. Gerade seine Flexibilität ist bemerkenswert. In seiner Karriere hat er bereits als linker Flügelverteidiger eines Systems mit Dreierkette und auf beiden Flügeln gespielt. Auffällig ist dabei, dass er gern von außen ins Zentrum zieht.
Ein Spieler, der perfekt zu Pep Guardiola passt? Tatsächlich hat der Katalane in der Vergangenheit schon häufiger Systeme spielen lassen, die darauf ausgerichtet sind, den Flügelspielern durch überraschende Verlagerungen Platz für Einzelaktionen zu geben. Aber Saka fühlt sich auch im Halbraum wohl und so ist er wohl nicht nur für Guardiola, sondern fast alle Klubs von Interesse.
Beim FC Arsenal hat der gebürtige Londoner nur noch bis 2024 Vertrag. Bei seiner aktuellen Leistungskurve könnten sich die Gunners es wohl kaum erlauben, ihn noch ein weiteres Jahr zu behalten, wenn er das Arbeitspapier nicht bald verlängert.
Bukayo Saka: Wohin geht der nächste Schritt?
Saka hat seit der Europameisterschaft bewiesen, dass er ein herausragender Spieler ist - und ein großer werden kann. Auch wenn die Entwicklung junger Spieler von vielen Faktoren abhängt, ist es keine steile These mehr, dass er eines Tages bei einem absoluten Topklub landen und sich dort durchsetzen wird.
Es kommt wohl nur noch auf das "Wann" an und weniger auf das "Ob". Und der Zeitpunkt muss gut gewählt sein. Denn bei allen berechtigten Lobeshymnen gibt es auch noch Verbesserungspotenzial. Beispielsweise bei der Konstanz innerhalb eines Spiels.
Nur 35,8 Prozent seiner Eins-gegen-eins-Duelle gewinnt er, was für einen Offensivspieler seiner Qualität eine ausbaufähige Quote ist. Für einen jungen Spieler ist es nicht ungewöhnlich, dass die Streuung zwischen guten und weniger guten Aktionen relativ groß ist. Gerade deshalb sollte der Zeitpunkt des nächsten Karriereschritts aber gut überlegt sein.
Beim FC Arsenal ist er gerade nicht nur Teil einer beeindruckenden Entwicklung, sondern eines der Gesichter dieses jungen und aufstrebenden Teams. In diesem Umfeld wäre es möglich, sich ohne den ganz großen Druck weiterzuentwickeln. Bei einem Wechsel zu Manchester City wäre das anders. Neben einer hohen Ablöse käme auch eine neue Erwartungshaltung dazu.
Wer aber gesehen hat, wie Saka 2021 auf seinen verschossenen Elfmeter und all die niederträchtigen Reaktionen vieler Fans reagiert hat, dürfte keine Zweifel daran haben, dass er eine große Zukunft haben kann. Orientiert er sich bei seinen Karriereschritten so klug wie auf dem Platz, steht dieser nichts mehr im Weg.