Vor der Saison schlug Jürgen Klopp den Spitznamen "Gary" für Neuzugang Alexis Mac Allister vor. Er setzte sich allerdings nicht durch, denn "Macca" erhielt den Zuschlag - vor allem, weil nicht jeder in Liverpool die Anspielung des Managers verstand. Mehrere Mitglieder von Klopps Mannschaft waren noch nicht einmal geboren, als Gary McAllister im Sommer 2000 ablösefrei zum FC Liverpool kam.
Von dem altgedienten schottischen Mittelfeldspieler erwartete man mit dessen 35 Jahren deutlich weniger als vom argentinischen Weltmeister. Man ging davon aus, dass er seine besten Tage längst hinter sich hatte - und doch machte McAllister an der Merseyside sofort auf sich aufmerksam und trug entscheidend dazu bei, dass die Reds im folgenden Jahr fünf Titel gewannen. Ex-Trainer Gerard Houllier bezeichnete ihn als die "inspirierendste Verpflichtung" seiner Karriere als Trainer. Ironischerweise kann das auch Klopp über seinen Mac Allister behaupten.
Während wir uns dem Ende der spannenden Saison 2023/24 nähern, in der "Liverpool Reloaded" um den Titel in der Premier League kämpft, ist bereits jetzt klar, dass Mac Allister die beste Neuverpflichtung der Saison ist. Cole Palmer, James Maddison, Mohammed Kudus und Declan Rice haben alle eine hervorragende Debütsaison bei ihren jeweiligen Vereinen - aber wenn es um das Preis-Leistungs-Verhältnis geht, kommt niemand auch nur annähernd an Mac Allister heran.
Alexis Mac Allister: Weltmeister zum kleinen Preis
Mac Allister ist ein modernes Schnäppchen. Den LFC kostete er dank einer festgeschroebenen Ablösesumme nur 42 Millionen Euro, weitere 23 Millionen können in Form von Boni hinzukommen. Das ist natürlich viel Geld - aber der Argentinier ist im heutigen Fußball bei seinen Leistungen sogar noch mehr wert.
"Er war ein Spieler, den ich unbedingt haben wollte", gab Klopp zu. "Gott sei Dank haben wir ihn bekommen!"
Dank der Schnelligkeit, mit der Liverpools ehemaliger Sportdirektor Julian Ward agierte, konnte der Deal schon Anfang Juni 2023 abgewickelt werden. Mac Allisters Agent Juan Gemelli brachte zudem schon 2013 einen gewissen Philippe Coutinho nach Anfield.
Mit Brighton & Hove Albion hatte sich der 25-Jährige gerade für die Europa League qualifiziert - und noch viel wichtiger: Im Dezember 2022 sorgte er als Stammspieler dafür, dass Argentinien in Katar Weltmeister wurde.
Trotz Klopps Freude darüber, dass er einen seiner Wunschspieler an Land gezogen hatte, war er sich nicht ganz sicher, wie schnell sich Mac Allister in Anfield einleben würde. Klopp war der Meinung, dass er eine gewisse Zeit brauchen würde, um sich an "die neue Umgebung" und eine "etwas andere Rolle" zu gewöhnen - schließlich hatte der LFC sein gesamtes Mittelfeld umgebaut.
Jürgen Klopp setzte Alexis Mac Allister defensiver als geplant ein
Mac Allister hatte keinerlei Probleme, sich in seiner neuen Umgebung zurechtzufinden, da er sich schnell mit Liverpools Südamerikanern anfreundete und sich auch mit dem Rest aufgrund seiner guten Englischkenntnisse prima verstand. Mac Allister hat zwar Vorfahren in Irland, doch seine Eltern stammen nicht aus Großbritannien.
In den ersten Wochen der Saison fragten sich viele, ob er wirklich ein defensiver Mittelfeldspieler war, wo er von Klopp eingesetzt wurde. Die Position schien kontraproduktiv für ihn, weil der 25-Jährige offensiv so viel zu bieten hat.
Der Spieler gab selbst zu, dass er nicht erwartet hatte, so weit hinten eingesetzt zu werden. "Das war eindeutig nicht die [ursprüngliche] Idee", sagte Mac Allister im Februar 2024. "Aber die Dinge haben sich geändert. Zu Beginn der Saison hatten wir keinen richtigen Sechser, also musste ich diese Aufgabe übernehmen."
Und er wurde besser und besser darin.
Alexis Mac Allister, "besser als jeder andere Sechser"
Zur Halbzeit der Saison freute sich Klopp darüber, dass Mac Allister sich als einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Premier League etabliert hatte.
"Ihr (Journalisten) könnt mir erzählen, was ihr wollt, aber er ist ein hervorragender Sechser am Ball - besser als jeder andere Sechser, den man sich vorstellen kann", sagte der frühere BVB-Coach, nachdem Mac Allister gegen Bournemouth überzeugt hatte.
Bei seinem nächsten Einsatz in der Premier League, im Heimspiel gegen Chelsea, zeigte Mac Allister eine Meisterleistung im Mittelfeld gegen Moisés Caicedo, der seinen ehemaligen Mannschaftskameraden aus Brighton. Der Ecuadorianer hatte sich im vergangenen Sommer spektakulär gegen Liverpool und für den FC Chelsea entschieden, der 116 Millionen Euro Ablöse zahlte. Doch Mac Allister nahm ihn an diesem Tag völlig aus dem Spiel.
Alexis Mac Allister blüht als Achter so richtig auf
Jetzt zeigt sich jedoch, welche Vorteile es hat, einen solch kompletten Mittelfeldspieler etwas offensiver aufzustellen.
Da sich der frühere Stuttgarter Wataru Endo verspätet als Liverpools beste Option als Sechser herauskristallisiert hat (auch sein Vorgänger Fabinho hatte lange gebraucht, um die schwierigste Rolle in einer Klopp-Mannschaft zu meistern), konnte Mac Allister als zentraler Mittelfeldspieler auflaufen - mit spektakulären Ergebnissen. Drei von Mac Allisters vier Premier-League-Toren in dieser Saison und vier seiner fünf Assists gelangen ihm in den vergangenen sechs Spielen - also sieben Scorerpunkte.
Das überrascht in Liverpool niemanden im Geringsten. Die Spieler wussten von Mac Allisters erster Trainingseinheit an, dass er mit einer Präzision und einer Übersicht wie einst der Italiener Andrea Pirlo gesegnet ist.
"Ich mag diese Art von Spielern wirklich sehr", sagte Diogo Jota während der Saisonvorbereitung. "Sie sehen einfach diese Pässe. Es ist fast so, als bräuchte man nur loszulaufen und sie würden es sehen."
Auch dank Vater Carlos ist Alexis Mac Allister so stark
Sowohl Ex-Trainer Roberto De Zerbi als auch Klopp führen diese tolle Übersicht auf Mac Allisters Vater Carlos zurück, einen ehemaligen argentinischen Nationalspieler, der mit seinem kleinen Sohn einst die Spiele analysierte.
"Ich kann seinem Vater nicht genug für sein Wissen und seine Ausbildung danken", gab Klopp zu. "Die Art und Weise, wie Macca seine Position spielt, ist sehr, sehr speziell. Er ist superschlau und sein Beitrag zu unserem gesamten Spiel ist extrem wichtig."
Der Argentinier hat in dieser Saison in der Premier League mehr erfolgreiche Tackles als jeder seiner Teamkollegen (39) und steht in Anfield an zweiter Stelle bei gewonnenen Zweikämpfen (143), abgefangenen Bällen (30), Ballkontakten (1869) und erfolgreichen Pässen (1288). Es überrascht nicht, dass ihm noch kein einziger Fehler unterlaufen ist, der zu einem gegnerischen Abschluss geführt hätte - geschweige denn zu einem Tor.
Alexis Mac Allister, der "Fußballdoktor"
Auch dank dem 25-Jährigen mischt Liverpool voll im Titelrennen der Premier League mit. Sein Traumtor beim 3:1-Sieg gegen Bournemouth sorgte zum Beispiel für den Sieg und die drei Punkte.
Er kann sich zwar immer noch in die Tiefe fallen lassen und den Ball wie ein Quarterback in Richtung von Mohamed Salah, Darwin Núñez und Luis Díaz spielen, doch seine immer häufigeren Vorstöße ins letzte Drittel bereiten den Gegnern große Probleme. Ein Beispiel dafür war der 2:1-Sieg gegen Ex-Klub Brighton, als Mac Allister Mohamed Salah in einem überfüllten Strafraum zum Siegtreffer bediente.
Brightons Coach De Zerbi gab hinterher zu, dass sein ehemaliger Schützling in Anfield ein ganz anderes Niveau erreicht habe und "ein großartiger Spieler" geworden sei. Mac Allister hat sich in den letzten Wochen zwar weiter nach vorne bewegt, in engere Räume, in denen es schwieriger ist, den Ball zu halten, aber er macht trotzdem keinen Fehler.
"Ich habe noch nie jemanden gesehen, der den Ball so gut halten kann", sagte Liverpools Rechtsverteidiger Conor Bradley gegenüber den Vereinsmedien. "Er ist so ruhig und so gelassen. Er ist einfach ein wunderbarer Fußballer und es macht Spaß, mit ihm zu spielen. Ich kann ihn nicht genug loben."
Auch Klopp gehen die Superlative für den multitalentierten Mittelfeldspieler aus. Seit er versucht hat, Mac Allister den Spitznamen "Gary" zu geben, hat er ihn auch als "Rhythmusgeber", "Unterschiedsspieler" und "Fußballdoktor" bezeichnet. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte er der Liste auch noch die "Neuverpflichtung der Saison" hinzufügen.