Acid Rave mit Schnitzel

SID
Vermeintliche Nähe zu Ferguson: Berbatow ist bei ManUnited immer noch nicht richtig angekommen
© Getty

In seiner aktuellen Kolumne bei SPOX befasst sich Raphael Honigstein mit Spielern, die einst in der Bundesliga für Furore sorgten und nun auf der Insel kicken. Teilweise ganz gut, siehe Ballack und de Jong, teilweise eher durchwachsen - Kompany, Boateng, Santa Cruz - und dann gibt es da noch die Woronins und Degens.

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Premier League Inside wird von englischen Kollegen öfters gefragt, warum nicht mehr deutsche Profis auf der Insel spielen. Im Wesentlichen gibt es genau zwei Gründe dafür: Geld. Und Geld. Zum einen werden nämlich gerade nach dem Wertverfall des Pfundes auch in der Bundesliga sehr anständige Gehälter gezahlt.

Die meisten Nationalspieler, also genau jene Gruppe von Kickern, die primär für einen Wechsel in die EPL in Frage kämen, verdienen zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Euro im Jahr (einige liegen darunter; ein Philipp Lahm zum Beispiel deutlich drüber).

Das sind umgerechnet 45.000 bis 60.000 Pfund in der Woche. Die Zahl der englischen Vereine, die sich solche Angestellten leisten können, hat in den vergangenen zwei Jahren stark abgenommen.

Mittelklasseklubs wie Blackburn oder Bolton haben sich beispielsweise ganz aus diesem Markt verabschiedet, selbst die spendierfreudigen Spurs müssen den Gürtel enger schnallen. Konkret gibt es also schlichtweg weniger Abnehmer für deutsche Auswahl-Kicker als noch vor zehn Jahren, als sich Jungs wie Christian Ziege (Middlesbrough/Liverpool), Didi Hamann (Newcastle/Liverpool) oder Steffen Freund (Tottenham) eine goldene Nase verdienten.

Zu wenig Geld - zu viel Geld

Und wer in der Bundesliga selbst nur Durchschnitt verdient, kann sich mit einem Wechsel zu einem englischen Durchschnittsklub kaum wirtschaflich verbessern. Deswegen bleiben die meisten Deutschen lieber zu Hause.

Neben zu wenig Geld ist allerdings auch zu viel Geld auf der Insel ein Nachteil für Möchtegern-Legionäre aus der Bundesrepublik. Finanz-Monster wie Chelsea, Manchester United und auch ManCity haben nämlich heute die Möglichkeit, absolute Weltstars zu verpflichten.

Im Gegensatz zu den neunziger Jahren, als viele europäische Spieler im Herbst ihrer Karriere (Klinsmann, Zola, Desailly, Gullit, Suker) nach England wechselten und sich kaum ein prominenter Südamerikaner ins Königreich verirrte, können sich die Top-Klubs heute Koryphäen im besten Alter und aus allen Ecken leisten.

Nur drei Deutsche in England

Wer die besten Afrikaner und Brasilianer kaufen kann, braucht natürlich keine guten Deutschen, Schweden, Dänen oder Norweger mehr. Diese Nationalitäten bestimmten vor 15 Jahren noch die Liga.

Derzeit sind ganze drei bundesdeutsche Fußballer - Michael Ballack, Kevin-Prince Boateng und Robert Huth - in England beschäftigt. Dafür ist aber die Zahl der Ausländer, die von der Bundesliga in die Prem wechseln, in den vergangenen Spielzeiten merklich angestiegen.

Das hängt erstens mit dem gesteigerten Interesse an der deutschen Liga zusammen -  die englischen Medien und Scouts der Klubs schauen wieder genauer hin - und kann gleichzeitig auch als Kompliment für die deutschen Vereine gewertet werden.

Viele von ihnen haben heute wieder Ausländer unter Vertrag, die vom Niveau problemlos bei einem guten Premier-League-Klub mithalten könnten und international begehrt sind.

So schlagen sich die Ex-Bundesligisten in England im einzelnen:

1. Die Stars

Michael Ballack (FC Chelsea)

Der Nationalmannschaftskapitän durchlebt momentan analog zu seinem Verein eine Mini-Krise. "Er schont sich für Deutschland und die WM", unkte der England-Korrespondent der "Gazzetta dello Sport" nach dem 3:3 gegen Everton.

Zehn Tage zuvor hatte die "Sunday Times" dem Capitano noch die beste Saison seiner Chelsea-Laufbahn attestiert. In der Tat wirkt Ballack insgesamt physisch präsent und sehr spritzig. "Man merkt, dass ich ausnahmsweise im Sommer fünf Wochen Urlaub machen konnte", sagt er. Prognose: ein großer Titel.

Dimitar Berbatow (Manchester United)

Der bulgarische 35-Millionen-Euro-Mann bleibt ein Fremdkörper im Old Trafford. In den Spitzenspielen gegen Arsenal und Chelsea saß der 28-Jährige nur auf der Bank; bisher reichte es zu ganzen drei Toren in der Saison.

Alex Ferguson, der sich im Vorjahr immer schützend vor Dimi stellte, gab gegen Ende der Saison zu, ihn "vielleicht falsch eingesetzt" zu haben. Obwohl nach dem Weggang von Cristiano Ronaldo und Carlos Tevez viel Bedarf für Torschützen herrscht, finden der technisch begnadete, aber tendenziell leicht phlegmatische Berbatow und United nicht recht so zueinander. Prognose: Abschied im Sommer.

Owen Hargreaves (Manchester United)

Eine chronische Sehnenreizung in beiden Knien setzt "Englands Spieler des Jahres 2006" seit August 2008 außer Gefecht. Zuletzt gab es immer wieder Gerüchte um ein Karrierende, aber Ferguson rechnet fest mit einer Rückkehr des ehemaligen Münchners. "Die Tür bleibt offen für ihn", sagt auch England-Coach Fabio Capello. Prognose: Comeback im März.

2. Die Leistungsträger

Tomas Rosicky (FC Arsenal)

Der Tscheche verpasste die gesamte Rückrunde der vergangenen Saison und den Saisonauftakt, darf aber seit September wieder mitspielen. Es wird dauern, bis er seine alte Form erreicht, außerdem macht Arsene Wenger es ihm nicht leicht: Schnitzel muss bei den Gunners meist im linken Mittelfeld spielen, da es die Position des Zehners im Wenger-System nicht gibt. Sein Vertrag läuft aus. Prognose: zurück in die Bundesliga.

Steven Pienaar (FC Everton)

Südafrikas Hoffnung bei der WM ist aus der Elf der Toffees nicht wegzudenken. Der 27-Jährige sorgt in der blauen Kämpfertruppe für das kreative Moment, da Mikel Arteta verletzt fehlt.

Der ehemalige Borusse zeigt auf der Insel jene Leistungen, die man sich in Dortmund von ihm erhofft hatte. Prognose: hat das Zeug für einen größeren Klub.

Nigel de Jong (Manchester City)

Als defensives Schutzschild vor der Abwehr macht der Niederländer einen sehr guten Job, nach vorne aber fehlen ihm meist die Ideen. Er ist in positiver und negativer Hinsicht mit ein Grund für acht Unentschieden in der Liga.

20 Millionen Euro Ablöse waren ein bisschen viel für den Ex-Hamburger, im Großen und Ganzen ist er aber ein Gewinn für City. Prognose: Qualifikation für die Champions League weiter möglich.

3. Die Stammspieler

Robert Huth (Stoke City)

Vor drei Jahren noch Kult in der Nationalelf, heute auf eigenen Wunsch glücklich in der Anonymität und kein Thema mehr für Jogi. "Huuuth" hat nach dem Wechsel vom FC Chelsea zu Middlesbrough keine großen Fortschritte mehr gemacht; wenn es doof läuft, steigt er im Mai auch mit Stoke ab. Prognose: streckt demnächst in der zweiten englischen Liga die Gegner nieder.

Kevin-Prince Boateng (FC Portsmouth)

Der Bald-Ghanaer darf seit seinem Transfer von den Spurs an die Südküste endlich bei den Großen mitspielen. KPB hat auf der Insel Demut gelernt und gibt keine vollmundigen Interviews mehr.

Trotz eines verschossenen Elfmeters beim 0:1 gegen Stoke ist er auf einem guten Weg, leider aber beim völlig falschen Klub. Pompey wird mit Sicherheit absteigen. Prognose: Neubeginn in der zweiten Liga. Bei Hertha.

Vincent Kompany (Manchester City)

Hat das Problem, dass er sowohl Innenverteidiger als auch im defensiven Mittelfeld spielen kann, aber auf beiden Positionen teurere Konkurrenten vor der Nase hat. Außerdem immer wieder von kleineren Verletzungen geplagt. Kann viel mehr. Prognose: weiter happy mit den Millionen aus Abu Dhabi.

Christopher Samba (Blackburn Rovers)

Der Kongolese aus Frankreich hat im Ewood Park sein Glück gefunden. Selten hatte ein Spieler einen unpassenderen Nachnamen: der 25-Jährige grätscht im Strafraum alles um, was nicht bei drei in der Kabine ist und köpft in jeder Partie  - vorsichtig geschätzt - 400 hohe Bälle weg. Prognose: kommt irgendwann mit einem gebrochenen Bein nach Hause. Aber nicht mit seinem.

Ivan Klasnic (Bolton Wanderers)

Klasnic wandelt auf den Spuren von Fredi Bobic im Reebok Stadium: Mit fünf Toren in den vergangenen sieben Spielen hat der 29-Jährige maßgeblich dafür gesorgt, dass Bolton im Abstiegskampf noch nicht das Wasser bis zu den Ohren steht. Der von Nantes ausgeliehene Kroate könnte sich, wenn er so weiter macht, einen festen Job auf der Insel angeln. Ein beachtliches Comeback nach seinen Nierenoperationen. Prognose: bleibt mit den Wanderers in der Prem.

4. (Fast) immer im Kader

Andrej Woronin (FC Liverpool)

Nicht nur auf Grund seines 90er-Jahre-Acid-Rave-Pferdeschwanzes eine Lachnummer an der Anfield Road. Bemüht sich immer, aber immer vergeblich. Der Ukrainer bekommt wenig Einsatzzeit von Rafael Benitez, verdient aber zuviel, um zu einem kleineren Klub zu wechseln. Prognose: wird im Winter nach Deutschland ausgeliehen, danach wieder zurück zu Liverpool, danach wieder ausgeliehen, usw.

Roque Santa Cruz (Manchester City)

Kam für knapp 20 Millionen Euro von Blackburn, aber wegen Verletzungen nur zu sieben Spielen und einem Tor (im Liga-Pokal). Das ewige Talent aus Paraguay war nach zwei guten Jahren bei den Rovers der Wunsch-Spieler von Mark Hughes, spielt der 28-Jährige aber nun wieder so, wie man es aus München kannte: zu wenig. Prognose: kann spätestens in sieben bis acht Jahren ein ganz Großer werden.

Sotirios Kyrgiakos (FC Liverpool)

Was sich Benítez bei der Verpflichtung des Eintracht-Haudegens gedacht hat, ist ein Rätsel; der hüftsteife Grieche wirkte bei seinen wenigen Einsätzen völlig überfordert. Prognose: der nächste Woronin.

Stefan Maierhofer (Wolverhampton Wanderers)

Der Ex-Bayern-Stürmer stellt sogar Peter Crouch in den Schatten - mit 2,01 Metern ist der größte Spieler in der Prem. Der 27-Jährige kommt nur sporadisch zum Einsatz, hat aber schon ein Tor erzielt. Prognose: auch in der Coca-Cola Championship der Allergrößte.

Martin Petrow (Manchester City)

Das Verletzungspech bleibt dem Ex-Wolfsburger auch in dieser Saison treu. Petrow überzeugt meistens, wenn er spielt, leider spielt er meistens nicht. Prognose: Vertragsverlängerung im Sommer.

5. Unter ferner liefen

Philipp Degen (FC Liverpool)

Sieben Einsätze in zwei Spielzeiten lautet bisher die ernüchternde Bilanz des Schweizers. Schuld sind verschiedene Verletzungen, eine Rote Karte beim 1:3 gegen Fulham war auch nicht hilfreich.

Neben Woronin und Kyrgiakos der dritte Grund für Benitez, nie mehr Bundesligaware einzukaufen. Prognose: noch ein Jahr auf der Tribüne.

Pascal Zuberbühler (FC Fulham)

The man who called himself Zubi kommt in West London nicht an Fulhams Nummer Eins Mark Schwarzer vorbei. Seit seinem Wechsel an die Themse im Sommer 2008 durfte der Ex-Leverkusener zumindest einmal im Liga-Pokal ran. Sein Vertrag im Sommer läuft aus. Prognose: see you later.

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 35-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.