"Nice to meet you, Rayfel". Rayfel. So nannte er Premier League Inside die nächsten zwei Stunden, die wir zusammen in einer englischen Sport-Radiosendung verbrachten, konsequent.
Der 73-Jährige konnte nicht glauben, dass in Deutschland mehr als 50 Prozent eines Vereins den Fans gehören müssen - "Fans führen den Verein? Das ist doch Wahnsinn!" - und sprach von der "romantischen Idee", West Ham United zu übernehmen, den Lieblingsklub seiner Kindheit.
Gold und Sullivan: keine neureichen Fußballanfänger
Das war im Dezember. Knapp zwei Monate später ist aus dem Flirt mit den Hammers eine feste Beziehung geworden. Gold und sein Geschäftspartner David Sullivan kauften Mitte Januar den maroden Klub für 50 Millionen Pfund von der insolventen isländischen Bank Straumur und übernahmen dazu Schulden in ähnlicher Höhe.
Für Premier-League-Verhältnisse war diese Nachricht nahezu sensationell. Es ist seit langer Zeit der erste Deal, bei dem die neuen Besitzer erstens Engländer und zweitens keine neureichen Fußballanfänger a la Mike Ashley (Newscastle United) sind.
Die beiden Davids kauften 1993 bereits den damaligen Zweitlisgisten Birmingham City und führten ihn ins Oberhaus, bevor sie im Vorjahr die Kontrolle an den Hongkong-Millionär Carson Yeung abgaben.
Waschechte West-Ham-Fans
Noch dazu sind Sullivan und Gold waschechte West-Ham-Fans. Gold, der in ärmlichen Verhältnissen in Londons zerbombtem East End aufwuchs, bestand als Jugendlicher ein Probetraining bei United, "aber mein Vater legte sein Veto ein, erzählte Gold ein wenig traurig. "Er sagte, Fußball sei nichts, mit dem man anständiges Geld verdienen könne. Das war es, meine Chance war vorbei".
Im Mai 2005 durfte er mit 68 Jahren aber doch noch den FA-Cup in die Höhe recken. Gold hatte die zweite Version der Original-Trophäe für knapp 500.000 Pfund bei einer Auktion ersteigert. Er wollte verhindern, dass der Pokal ins Ausland geriet, sagte er damals.
Sullivan, 61, stammt ursprünglich aus Wales, zog aber früh nach London, wo er Wirtschaft studierte. Auch er war sein Leben lang ein Anhänger der Hammers. Am Tag der Übernahme kam Sullivan im blauen Rolls-Royce im Upton Park vorgefahren.
"Der Verein ist so heruntergewirtschaftet, dass es wirklich erstaunlich ist, dass zwei Leute ihn kaufen wollten", sagte Sullivan, "unter jedem Stein findet man Verbindlichkeiten. Mein Herz ist schwach und David ist 73, aber vielleicht haben wir Glück", fügte er hinzu.
Sullivan: Londoner Porno-Baron
Der Retter in spe trug ein lilafarbenes Smoking Jacket aus Samt und sah ein wenig wie Playboy-Boss Hugh Hefners englischer Cousin aus. Und irgendwie ist er das ja auch - Sullivan, dessen Vermögen auf 450 Millionen Pfund geschätzt wird, hat sein Geld in den Siebziger Jahren mit Nackedei-Heftchen und Hardcore-Filmen gemacht.
"Mir ist meine Vergangenheit nicht peinlich", sagte er dem "Evening Standard". "Ich habe viele Leute glücklich gemacht. Wäre ich ein Waffenhändler oder Zigarettenhersteller, und meine Produkte würden Millionen von Menschen töten, hätte ich vielleicht Gewissensbisse. Aber ich war ein Freiheitskämpfer. Ich glaube an das Recht von Erwachsenen, ihre eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen."
Für diesen Glauben ging der Londoner Porno-Baron 1982 sogar 71 Tage ins Gefängnis. Er wurde von einem Gericht überführt, seinen Lebensunterhalt "mit unmoralischen Einkünften" zu bestreiten. Später kaufte und verkaufte er den "Daily Sport" und "Sunday Sport", zwei Zeitungen am obersten (oder untersten?) Ende der Schmuddelskala.
Beliebt waren unter anderem Titelblätter mit offensichtlich gefälschten Nacktfotos von Prominenten, über die man die Schlagzeile "Prominente wütend über gefälschte Nacktofotos" setzte.
Auch Gold kommt aus dem Sexgeschäft
Kumpel Gold kam auf ähnlichem Wege zu Reichtum. Zusammen mit seiner Mutter verkaufte er anfangs Karten und Süßigkeiten im Wohnzimmer der Familie, danach macht er einen Buchladen auf. In den Siebzigern entdeckte auch er das Motto "sex sells".
Gold verlegte Magazine und übernahm 1972 die Sexladen-Kette Ann Summers. Seine Tochter Jacqueline machte als Geschäftsführerin in den späten Achtziger Jahren essbare Unterwäsche und Krankenschwester-Outfits salonfähig. Das Vermögen der Golds wird heute auf 300 Millionen Pfund geschätzt.
Den "Fit and Proper"-Test ("passend und anständig") der Premier League hätten die beiden Jungs aus dem Rotlichtmilieu vor dreißig Jahren bestimmt nicht bestanden, aber die Zeiten haben sich geändert.
Die Liga ist nach den Erfahrungen mit falschen Scheichs (Portsmouth), isländischen Hasardeuren (West Ham) und überforderten Stümpern (Newcastle) richtiggehend froh, dass im Osten London zwei Routiniers das Sagen haben. Sullivan und Gold sind old school, alte Schule.
Umzug ins Olympic Stadium?
In Zukunft dürfte im East End wieder einigermaßen ordentlich gewirtschaftet werden. Karren Brady, die neue Geschäftsführerin, hat schon Birmingham City auf einen grünen Zweig gebracht. (Korruptionsvorwürfe gegen sie und Sullivan erwiesen sich nach Ermittlungen der Polizei als haltlos).
Ob David und David zusammen wirklich die nötige Finanzkraft aufbringen, United "binnen sieben Jahren in die Champions League" zu führen, wie Gold versprach, darf man allerdings bezweifeln.
Geht es nach den neuen Hammers-Bossen, könnte der Klub nach den Olympischen Spielen 2012 ins neue Olympic Stadium umziehen; ein Verkauf von Upton Park würden den Verein finanziell sanieren. Noch sträubt sich die Stadt. Dievon Bradys angeregte Umbenennung in "West Ham Olympic" kommt laut Sullivan nicht in Frage.
"...dann spieße ich mich auf einem seiner Dildos auf"
Große Glücksgefühle wie nach der Lektüre der alten Sullivan-Heftchen stehen den Anhängern von West Ham wohl nicht unmittelbar ins Haus. Das Ziel ist allein der Nichtabstieg.
Mittelfristig wird der Traditionsklub aber eindeutig an Profil gewinnen und dank Sullivan und Gold zumindest wieder aufregender wirken.
Simon Jordan, der mit dem Duo seit vielen Jahren konkurrierenden Boss von Crystal Palace, muss sich dagegen Sorgen machen.
"Wenn ich noch einmal ein Interview von David Gold lese, in dem erzählt, wie er als armer Junge aus dem East End nach oben gekommen ist, spieße ich mich auf einem seiner Dildos auf", hat Jordan einst verkündet. Aua. Das dürfte schmerzhaft werden.
News und Termine von West Ham United
Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 16 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim früheren Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungierte Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 36-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.