Dass es durchaus auch kritische Fragen geben würde, wusste Angel Di Maria nur zu gut, als er bei der offiziellen Vorstellung am Donnerstagabend das Podest betrat, um den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Dass er deshalb ziemlich aufgeregt war, versuchte er zwar zu verbergen - das nervöse Händefalten und Däumchendrehen verrieten ihn aber schon gleich zu Beginn.
Warum er United nach nur einem Jahr, als Rekordtransfer der Premier League, schon wieder verlassen habe, wurde er unter anderem gefragt. "Die Saison ist nicht so gelaufen, wie sie sollte. Dass ich schon wieder gewechselt bin, ist aber nicht allein meine Entscheidung gewesen. Der Verein war bereit, mich zu verkaufen", erklärte der unsichere Argentinier, der merklich immer wieder froh war, wenn er die nächste Frage der Reporter ad acta legen konnte.
Erst als die Fragerunde für beendet erklärt und Di Maria sein neues Trikot mit der Nummer 11 in die Kamera halten durfte, grinste er wieder. Die erste Bewährungsprobe hatte er hinter sich gebracht.
Kritiker unterstellten Geldgier
Kaum ein Spieler war auf dem Transfermarkt in den letzten beiden Jahren derart präsent wie Di Maria. Der teuerste ist er sowieso. 2014 überwies Manchester United 75 Millionen Euro an Real Madrid; der Preis, den Paris an die Red Devils zahlt, liegt bei etwa 65 Millionen.
Kritiker, darunter auch Ex-Real-Coach Carlo Ancelotti, unterstellen ihm Geldgier. Dort, wo es die meiste Kohle gibt, fühle er sich am besten aufgehoben.
Carles Rexach, Mitglied des sportlichen Führungsstabs beim FC Barcelona, hat seine ganz eigene Theorie. Real habe Di Maria abgegeben, weil er zu hässlich sei.
"Florentino Perez sieht sich den Weltmarkt an und baut sich dann sein Team der Galaktischen zusammen, das jeder anhimmelt. "Ronaldo ist das Flaggschiff - und damit kann Perez Real als internationale, attraktive Marke verkaufen. Vicente del Bosque und Di Maria sind dafür nicht geeignet, weil sie zu hässlich sind", sagte Rexach im März.
Van Gaal musste es probieren
Die wahren Gründe von Di Marias Fluktuation bleiben im Verborgenen, weil es immer zwei Versionen gibt. Der Spieler sprach von mangelnder Wertschätzung in Madrid und in Manchester habe ihm das Vertrauen des Trainer gefehlt.
Dass das Tandem Di Maria/van Gaal nicht funktioniert würde, hätte man erahnen können. Di Maria ist ein absoluter Instinkt-Fußballer, der sich ungern in ein Schema pressen lässt. Mit diesem Spielertyp hatte Konzept-Trainer und Disziplin-Fanatiker van Gaal schon immer seine Probleme.
Im Fall Di Maria war der Niederländer aber überzeugt, es probieren zu müssen. Di Maria hatte drei Jahre in Madrid größtenteils überzeugt und sich unter Mourinho und Ancelotti zu einem der angesagtesten Offensivspieler entwickelt. Im Champions-League-Finale 2014 wurde er zum Man of the Match gewählt.
Verlorenes Jahr in Manchester
Doch Di Marias Jahr in England war ein verlorenes. Nach einem guten Start mit sieben Scorerpunkten in den ersten sechs Premier-League-Spielen verletzte sich der Argentinier Ende November gegen Hull City am Oberschenkel und fiel sechs Wochen aus.
Im Anschluss kam er nie mehr in Tritt und stand in den letzten zehn Saisonspielen nie mehr in der Startelf. Van Gaal gab Ashley Young und Marouane Fellaini den Vorzug als Sturmpartner von Wayne Rooney. Sein drittes und letztes Ligator erzielte Di Maria am 7. Spieltag.
Traumduo? Die Saison 2014/15 von Di Maria und Wayne Ronney
Van Gaals Nadelstich
Van Gaal signalisierte den United-Chefs frühzeitig, dass er nicht länger mit Di Maria arbeiten wolle. Der Verein gab dem Spieler die Erlaubnis, mit Paris zu verhandeln. Doch van Gaal ließ es sich nicht nehmen, Di Maria noch eins auszuwischen.
Weil er angeblich ohne Erlaubnis nach Katar zum Medizincheck reiste und ein Foto seines Aufenthalts auf Instagram stellte, wies van Gaal das United-Board an, die Ablöseforderung für Di Maria von 61 auf 65 Millionen Euro zu erhöhen. PSG müsse eine "Louis angry fee" drauflegen, schrieb die Sun.
Summen interessieren PSG bekanntlich peripher. Der Katar-Klub will in den nächsten Jahren die Champions League gewinnen und hat dafür in den letzten Jahren viele große Namen geholt.
Ein sportliches Konzept hinter den Transfers war nicht immer erkennbar, wobei der Kader insgesamt homogener zusammengestellt wirkt als beispielsweise der von Manchester Ctiy. Aber das von Real Madrid adaptierte Modell, jedes Jahr mindestens einen dicken Fisch präsentieren zu wollen, verpflichtet eben. In diesem Sommer ist Di Maria der große, neue Star.
Er war auf dem Markt und PSG ist der logische Abnehmer. Dass er in Manchester nicht funktioniert hat, spielt für den französischen Meister keine Rolle. Wie van Gaal ist auch Paris bereit, ein gewisses Risiko einzugehen. Di Maria hat zu viel Talent; das ist allemal einen Versuch wert.
Flexibel einsetzbar
"Wir sind sehr stolz, dass sich Angel für unseren Klub entschieden hat", sagte Präsident Nasser Al Khelaïfi. "Er ergänzt mit seinem Namen die große Community an Spielern aus Südamerika und - was noch wichtiger ist - die große PSG-Familie. Mit dem Transfer von Di Maria zeigt unser Klub erneut, dass wir den Gipfel im europäischen Fußball anstreben."
Großer Klub, große Familie, große Ambitionen. Und eine große Konkurrenz für Di Maria. Die Flügel sind mit Javier Pastore, Ezequiel Lavezzi, Lucas und Edinson Cavani bereits stark besetzt. "Über meine Position auf dem Platz entscheidet der Trainer. Er weiß, welche Position ich bevorzuge. Wichtig wird sein, was ich auf dem Platz beitragen kann. Jeder muss seinen Teil beitragen - Ibra, Cavani, wir alle müssen etwas zum Wohle der Mannschaft beisteuern", so Di Maria auf der PK.
Sollte PSG-Coach Laurent Blanc mit Di Maria eher auf den Halbpositionen im Mittelfeld planen, müsste sich der Neuzugang gegen Marco Verratti und Blaise Matuidi durchsetzen.
Blanc bevorzugt ein 4-3-3, in dem Di Maria beide Flügel der offensiven Dreierreihe besetzen kann. In Madrid spielte er im Laufe seiner dritten und letzten Saison unter Anceotti im 4-2-3-1 eine zentralere, defensivere Rolle.
CL-Sieg oberstes Ziel
Bis zu seinem Debüt wird es noch dauern, die Saisoneröffnung gegen Lille verpasst Di Maria. Auf "zwei bis drei Wochen" bezifferte er seine voraussichtliche Ausfallzeit auf der Pressekonferenz am Donnerstag. Für ihn persönlich kommt es aber ohenhin auf die wirklich wichtigen Spielen an.
"Paris hat schon viel zu lange kein Champions-League-Halbfinale erreicht. Ich möchte dazu beitragen, dass diese Serie ein Ende hat. Mein Ziel ist klar: ich möchte zum zweiten Mal diesen Pott gewinnen." Natürlich gefiel das auch Klubpräsident Nasser Al-Khelaifi, der auf der PK rundum strahlte: "Wir sind nicht mehr weit von unserem Ziel entfernt, die Königsklasse zu gewinnen. Angel ist ein weiteres Plus auf unserem Weg dorthin."
Was die Ambitionen angeht, passt Di Maria schon mal perfekt zu Paris Saint-Germain.
Angel di Maria im Steckbrief