Dass erfolgreiche Trainer nicht immer gute Fußballer gewesen sein müssen, ist hinlänglich bekannt. Jose Mourinho beispielsweise absolvierte keine 20 Spiele in der ersten portugiesischen Liga. Inzwischen gilt er als einer der besten Trainer der Welt. The Special One hatte das Glück, an der Seite eines international erfolgreichen Trainers zu arbeiten und sich so seine Meriten im Big Business zu verdienen.
Als Übersetzer von Bobby Robson und Co-Trainer von Louis van Gaal machte der junge Mou auf sich aufmerksam. Dass solch ein Werdegang im Trainerleben kein Einzelfall ist, zeigt auch der Weg von Herve Renard, dem neuen Trainer des OSC Lille. Ohne das Zusammenkommen mit seinem Förderer und Mentor, wäre aus Renard wohl kein erfolgreicher Fußballtrainer geworden.
Der heute 46-Jährige hat es der schicksalhaften Begegnung mit Claude Le Roy zu verdanken, dass er der erste Trainer ist, der mit zwei verschiedenen Nationen den Afrika Cup gewann.
Renard war ebenfalls kein großartiger Fußballer, kickte in der Jugendakademie des AS Cannes mit Spielern wie Marcel Desailly und dem heutigen französischen Nationalcoach Didier Deschamps. Dort begriff er schnell, dass er nicht die Klasse hatte, um sich im Profifußball durchzusetzen.
"An die komme ich nicht ran"
"Ich merkte: An die komme ich nicht ran, die sind viel besser als ich. Ich war bestenfalls ein durchschnittlicher Drittligaspieler", sagte Renard einmal. Darum konzentrierte er sich auf die Trainertätigkeit und übernahm 1999 den unterklassigen Verein SC Draguignan. Anschließend lernte er Le Roy kennen, der bereits in Afrika tätig war. Unter anderem führte er Kamerun 1998 zur WM in Frankreich. Le Roy nahm Renard unter seine Fittiche.
Gemeinsam mit ihm ging Renard 2002 nach China zu Shanghai COSCO Huili, dort hatten beide allerdings überschaubaren Erfolg. Das Duo zog weiter zu Cambridge United, wo Renard 2004 nach dem Aus von Le Roy zum Cheftrainer befördert wurde. Allerdings wurde er nach nur 25 Spielen entlassen. Der junge Coach kehrte nach Frankreich zurück und verdiente sich damals sein Geld mit Gebäudereinigung. "Diese Zeit, als ich jeden Morgen um drei Uhr aufstehen musste, um arbeiten zu gehen, vergesse ich nie. Diese Zeit hat mich auch gelehrt, meine heutigen Erfolge im Fußball richtig einzuordnen und nicht abzuheben."
Da allerdings auch sein Engagement in Frankreich daraufhin nicht wirklich von Erfolg gekrönt wurde, half ihm abermals sein Mentor. Le Roy, der zu dieser Zeit Ghana trainierte, installierte ihn als Co-Trainer.
Abschied aus Sambia mit Groll
Seine erste Tätigkeit als Chefcoach in Afrika begann er 2008, als er Nationaltrainer Sambias wurde. Dort feierte er seine ersten Erfolge und führte die Nationalmannschaft erstmals seit 1996 in die K.o.-Phase des Afrika Cups. Dennoch verlängerte er seinen auslaufenden Vertrag beim sambischen Fußballverband nicht, sondern wurde Nationaltrainer Angolas. Eine Entscheidung, die er beinahe bereut hätte. So galt seinem Engagement in Angola angeblich lediglich finanziellem Interesse.
Als er kurz darauf gefeuert wurde, schien sein Trainerstern schon wieder zu verglühen. Doch im afrikanischen Fußball können sich Dinge schneller ändern, als man zu Gedenken vermag. Galt er 2010 in Sambia eigentlich als Persona non grata, kehrte er dort nach einer kurzen Tätigkeit als Vereinstrainer von USM Algier vor dem Afrika Cup 2012 auf den Trainerstuhl zurück.
Als krasser Außenseiter angereist, kämpfte sich das Team um den ehemaligen Bundesliga-Profi Chris Katongo bis ins Finale gegen die Elfenbeinküste. Deren Truppe war geschmückt mit Stars wie Yaya Toure und Didier Drogba. Doch Renard glaubte an sein Team: "Wir werden unterschätzt, weil unsere Spieler nicht bei großen Klubs unter Vertrag stehen. Aber wir sind wirklich sicher: Wir können es schaffen. Wir glauben an uns".
"Fußball ist magisch, oder?"
Der Coach sollte Recht behalten. Der Underdog siegte in Gabun verdient im Elfmeterschießen, auch weil Drogba in der regulären Spielzeit einen Strafstoß in den Nachthimmel ballerte. Vor dem Finale sagte Renard: "Acht Jahre lang habe ich den Müll rausgetragen. Jetzt stehe ich als Trainer im Endspiel des Afrika-Cups. Fußball ist magisch, oder?" Nach diesem Sensationserfolg wurde er zu Afrikas Nationaltrainer des Jahres 2012 gewählt.
Zunächst aber sollte er abermals sein Glück in Frankreich versuchen. 2013 kam das Angebot vom FC Sochaux. Renard nahm an, mit der Hoffnung, sich im europäischen Fußballgeschäft durchzusetzen - scheiterte jedoch erneut. Mit dem bitteren Gang in die Zweitklassigkeit verließ er Frankreich wieder und heuerte in Afrika an. Ausgerechnet mit den Elefanten wurde er unsterblich. Er übernahm die Elfenbeinküste und führte die etwas in die Jahre gekommene Truppe zum langersehnten Triumph.
Gelingt in Lille der Durchbruch in Europa?
Nun also soll endlich der Durchbruch in Europa gelingen. In diesem Sommer übernahm Renard den OSC Lille, der im vergangenen Jahr einen enttäuschenden achten Platz belegt hatte. Mit ihm soll das nun wieder besser werden. Allerdings verlief auch dieser Wechsel nicht ganz geräuschlos. Lille nahm die Verhandlungen mit Renard auf, obwohl über die Zukunft des damaligen Coachs Rene Girard noch gar nicht entschieden war. Auch dem ivorischen Verband stieß dieses Vorgehen auf. "Ich möchte klarstellen, dass ich beim ersten Treffen fragte, was mit dem aktuellen Trainer passieren wird. Ich bedauere, dass das an die Öffentlichkeit gelang", sagte Renard diesbezüglich.
In Lille möchte er nun aber langfristig erfolgreich arbeiten. "Ich brauchte etwas anderes. Die Sache hat mit Geld nichts zu tun. Die Herausforderung ist sportlich. Ich brauche das, um voranzukommen", sagte Renard RMCTV. Es ist sein dritter Versuch in seinem Geburtsland. Man darf gespannt sein, ob er nun erfolgreich ist. Doch wer weiß, vielleicht hat sein Mentor bald wieder andere Ideen für ihn. Le Roy trainiert seit 2013 nun die Republik Kongo. Wieder auf dem Kontinent, auf dem Renard seine bisher einzigen Erfolge feierte. Wobei, Mourinho dürfte wohl auch nicht mehr zu van Gaal zurückkehren.
Herve Renard im Steckbrief