Spongebobs Freund und Ibras Erbe?

Von Marco Kieferl
Technisch bringt Michy Batshuayi das komplette Paket auf den Rasen
© getty

Michy Batshuayi gilt als Shootingstar der bisherigen Saison in der Ligue 1 und ist so etwas wie die personifizierte Schadensbegrenzung von Olympique Marseille. Vor gut einem Jahr erregte er noch das Interesse von Borussia Dortmund, nun klopft die große Fußballwelt an seine Tür. Den aktuellen Lauf verdankt der 22-Jährige einem ganz eigenwilligen Talisman, der auch gegen den AS Monaco wieder zum Einsatz kommen könnte (21 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE).

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"Wer wohnt in 'ner Ananas, ganz tief im Meer?", wurden und werden Millionen von kleinen Fans vor der Kinderserie Spongebob Schwammkopf gefragt. "Michy Batshuayi!", würden in diesen Tagen die meisten Anhänger von Olympique Marseille antworten. Denn während Bob L'Eponge, wie die Zeichentrickfigur in Frankreich heißt, schon bessere Einschaltquoten hatte, verhilft ihm ein junger Belgier in der Ligue 1 derzeit zu neuem Glanz.

Batshuayi dürfte zum Zeitpunkt der europäischen Erstausstrahlung etwa neun Jahre alt gewesen sein, seine Vorliebe für Spongebob unterstreicht der Stürmer aber auch heute noch mit Rucksäcken, Twitterposts und Unterhosen, die er nicht selten als Glücksbringer während des Spiels anhat.

Verstecken konnte und wollte Batshuayi diese Vorliebe nie - bei den traditionell weißen Hosen von OM ist das mit gelben Boxershorts auch schwer machbar. Doch während ihm andernorts derlei Kindereien angelastet werden würden, hat ihn genau das in seiner zweiten Saison im Süden Frankreichs zur Kultfigur werden lassen.

Santini: Bathuayi wie Ibra

Allen voran überzeugt Batshuayi nämlich mit Leistung - und gilt in einer schwierigen Saison als einer der wenigen Lichtblicke in Marseille. Mit neun Toren und vier Vorlagen ist Batshuayi an 65 Prozent aller OM-Tore beteiligt. Man mag sich kaum vorstellen, wo der Tabellenzwölfte ohne ihn stehen würde.

Nach den Abgängen von Leistungsträgern wie Florin Thauvin, Dimitri Payet, Giannelli Imbula und Andre Ayew befindet sich Olympique in einem Jahr des Umbruchs. Batshuayi galt nach einer geglückten Premierensaison mit zehn Toren von vornherein als Hoffnungsträger, dass er Toptorschütze Andre-Pierre Gignac nach dessen Abgang gen Mexiko derart effektiv ersetzen würde, ahnten aber auch die Verantwortlichen in Marseille nicht.

Prominente Fürsprecher hat der Mann aus Brüssel bereits zur Genüge. Frankreichs ehemaliger Nationaltrainer Jacques Santini höchstselbst verglich ihn sogar mit dem König von Paris: "Ich würde nicht sagen, dass Batshuayi sich auf einem viel niedrigeren Niveau als Ibrahimovic befindet. In einigen Monaten könnten sich die Leistungskurven beider Spieler kreuzen."

Vom Zlatanieren weit entfernt

Doch Batshuayi ist für diesen ganz großen Vergleich noch zu sehr Rohdiamant. "Zlatanieren" kann er noch nicht, auch wenn vielversprechende Ansätze bereits vorhanden sind. Zumindest in der französischen Torschützenliste befinden sich Batshuayi und Ibrahimovic als Zweitplatzierte auf Augenhöhe, nur Lorients Benjamin Moukandjo ist derzeit besser.

Mit elf Toren und fünf Vorlagen machte Batshuayi bereits im Alter von 18 Jahren bei Standard Lüttich auf sich aufmerksam. Spätestens ein Jahr danach wurden auch europäische Topklubs wie Borussia Dortmund auf ihn aufmerksam. Das lag zum einen an stattlichen 26 Scorerpunkten in 38 Begegnungen, zum anderen aber auch an den technischen Fähigkeiten des heute 22-Jährigen.

Batshuayi ist beidfüßig, schnell und verfügt für einen Stürmer über bemerkenswerte Fähigkeiten im Dribbling, mit denen er sich auch selbst Chancen kreieren kann. Die Kehrseite der Medaille: Noch überdreht der Belgier zu oft im Eins gegen Eins und rennt sich an schlechten Tagen gerne reihenweise an den Verteidigern fest.

Arsenal? Batshuayi bevorzugt OM

Olympique Marseille bekam angesichts der großen Konkurrenz im Sommer 2013 etwas überraschend den Zuschlag und kam mit einer Ablöse von sechs Millionen Euro verhältnismäßig günstig weg. Batshuayi kam in der ersten Spielzeit zwar nicht an Gignac vorbei, füllte seine Backup-Rolle mit zehn Toren in 28 Pflichtspielen aber äußerst erfolgreich aus.

Dank seines aktuellen Laufs ist der Mann mit kongolesischen Wurzeln mittlerweile nicht nur unumstrittener Stammspieler, sondern wird auf dem Transfermarkt auch bereits bei 30 Millionen Euro Ablöse gehandelt. Atletico Madrid, vor allem aber Arsenal und Newcastle United wird bereits verstärktes Interesse zum Jahreswechsel nachgesagt.

Bathuayi selbst will davon nichts wissen und schwor OM gegenüber Telefoot die Treue: "Meine Zukunft liegt in Marseille. Mit den unfassbaren Anhängern und dem tollen Stadion kann ich mir derzeit keinen besseren Verein für mich vorstellen."

Marseille fordert 50 Millionen

Marseilles finanzielle Mittel sind jedoch begrenzt. Bereits in den vergangenen Jahren hat OM Leistungsträger wie Thauvin, Remy, Azpilicueta und nicht zuletzt Franck Ribery und Didier Drogba gewinnbringend verkauft.

Präsident Vincent Labrune macht den Fans in der L'Equipe auch im Fall Batshuayi wenig Hoffnung: "Unsere Fans sollten sich nicht zu sehr an unsere Topspieler gewöhnen, schließlich werden diese nicht ewig im Stade Velodrome spielen."

Knapp 50 Millionen Euro sollen die Verantwortlichen für Batshuayi ausgerufen haben. Sollte jemand für einen hochtalentierten, aber eben noch ungeschliffenen Rohdiamanten auch nur annähernd so viel Geld bieten, wäre ein Wechsel wohl für alle Seiten von Vorteil - auch für Batshuayi.

Wilmots: Batshuayis größter Kritiker?

Anfang diesen Jahres feierte er sein Debüt in Belgiens Nationalmannschaft. Durch den großen Andrang im Sturm mit Hochkarätern wie Christian Benteke und Romelu Lukaku oder Talenten wie Divock Origi sind Plätze im EM-Kader jedoch rar gesät. Im November konnte Batshuayi immerhin seinen zweiten Einsatz für die Roten Teufel verbuchen. Gegen Italien und Gigi Buffon erzielte er bereits sein zweites Länderspieltor.

Auch wenn er sich momentan durch einen Stammplatz in Marseille perfekt anbieten kann, dürfte ein großer Verein seinem Ansehen bei Nationaltrainer Mark Wilmots langfristig nicht schaden. Das ehemalige Schalker Kampfschwein wirkt ohnehin noch nicht hundertprozentig von Batshuayi überzeugt.

"Ich möchte einen Angreifer, der nicht nur ans Toreschießen denkt, sondern auch am Spiel teilnimmt. Gegen Lille hat Batshuayi acht von zehn Bällen verloren, das ist zu viel", kritisierte Wilmots nach dem vermeintlichen Galaauftritt gegen die Squadra Azzurra: "In der letzten halben Stunde gegen Italien hatte er keinen einzigen Ballverlust, aber dafür bei einer Ecke geschlafen. Ein Fehler, der für uns bei der Europameisterschaft tödlich sein kann."

Molenbeek ist mehr als Terror

"Ich werde sicherlich nicht vier gelernte Stürmer für die Europameisterschaft in Frankreich nominieren. Im Moment habe ich sogar fünf, das ist ein wahres Luxusproblem", droht Wilmots dem Traum Batshuayis von einer EM in seiner neuen Heimat.

Vielleicht ist der 22-Jährige mit seiner positiven Verrücktheit und dem sportlichen Erfolg für Belgien aber aktuell viel wichtiger. In einer Zeit, in der in Brüssel die höchste Terrorwarnstufe gilt, zeigt Batshuayi, dass der berüchtigte Stadtteil Molenbeek, aus dem der Angreifer stammt, auch positive Geschichten schreiben kann.

Michy Bathuayi im Steckbrief

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