Lyons Messi dreht die Uhr zurück

Nabil Fekir streckte den Fans von Saint-Etienne beim 5:0-Sieg von Olympique Lyon sein Trikot entgegen
© getty

Nabil Fekir löste durch seinen Messi-Jubel gegen AS Saint-Etienne einen Platzsturm und eine Welle der Empörung aus. Der Offensivmann von Olympique Lyon ahmte den Spieler nach, mit dem er seit einiger Zeit verglichen wird. Zeit, die es aufzuholen gilt.

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56,2 Kilometer Luftlinie trennen den Parc Olympique Lyonnais vom Stade Geoffroy-Guichard. Häufig wird beim Duell zwischen Olympique Lyon und AS Saint-Etienne daher vom einzigen echten Derby Frankreichs gesprochen.

An diesen beiden Spieltagen läuten die Alarmglocken der Police Nationale. Inmitten dieser Jahrzehnte bestehenden Rivalität zwischen Bourgeoisie (OL) und Arbeitervolk (ASSE) stellt sich ein 24-Jähriger vor den gegnerischen Fanblock und streckt sein Trikot provokativ in den Nachthimmel.

Kein Problem, könnte man meinen, das haben Lionel Messi und Cristiano Ronaldo schließlich auch schon gemacht. Falsch gedacht. Nach dem Messi-Torjubel von Nabil Fekir am vergangenen Sonntag eskalierte die Situation. Die Provokation löste einen Platzsturm aus. Die Spieler verschwanden zügig im Kabinentrakt. Die Aufregung war groß. "So ein Depp", schimpfte OL-Trainer Bruno Genesio. Minutenlang war das Spiel, in dem es fünf Minuten vor Schluss bereits 5:0 für die Gäste aus Lyon stand, unterbrochen.

Ein Spielabbruch konnte verhindert werden. Der Depp, Nabil Fekir nämlich, blieb in der Kabine. Unreif, unnötig, verantwortungslos - ein gewaltiger Shitstorm brach aus. Die nächste Provokation ließ nicht lange auf sich warten. "Das war kein Spaß. Ich wollte nur an das gesetzliche Mindestalter für den Porno-Film erinnern, den ich mit meinem Tor gerade gedreht hatte", sagte Fekir, der bei OL die Nummer 18 trägt, unmittelbar nach der Partie.

Nabil Fekir: Genie und Wahnsinn

Später ruderte der Franzose jedoch zurück: "Wenn ich gewusst hätte, was das auslöst, hätte ich es nicht gemacht." Es sei einfach eine instinktive Handlung gewesen, erklärte Fekir.

Die Aktion könnte ein Nachspiel haben, der französische Ligaverband berät am Donnerstag über mögliche Konsequenzen. Den Wahnsinn hätte Fekir als Mann des Spiels und Doppeltorschütze dabei gar nicht nötig gehabt - gerade beim Stand von 5:0. Doch das ist Fekir. Ein polarisierender, aber genialer Fußballer. Das viel besungene Genie, das Seite an Seite mit dem Wahnsinn existiert, lässt Fekir in dieser Saison regelmäßig aufblitzen.

Und damit verwirklicht der Dreh- und Angelpunkt der OL-Offensive seine Ankündigungen vor der Saison. "Ich werde versuchen, den Unterschied zu machen", hatte Fekir im Interview mit der L'Equipe gesagt. Er ist nun das Gesicht des Klubs und blüht in dieser Rolle auf.

Nach den Abgängen von Alexandre Lacazette (FC Arsenal), Corentin Tolisso (Bayern München) und Maxime Gonalons (AS Rom) stand Lyon eine Revolution bevor. Dank Fekir zieht sich Olympique bisher jedoch bestens aus der Affäre. Dank seiner elf Tore und vier Assists gelang dem Abonnementmeister von gestern (sieben Titel von 2002 bis 2008) der beste Saisonstart seit fünf Jahren.

Was macht Fekir plötzlich zu diesem Entscheider? Jahrelang war der gebürtige Lyoner lediglich der kongeniale Partner im Schatten Lacazettes. Nun steht Fekir selbst im Rampenlicht. Diese Entwicklung Schritt hat mehrere Gründe.

Fekir will verlorene Zeit einholen

Zum einen spielt sein Körper endlich wieder mit. "Während meines Urlaubs habe ich hart gearbeitet. Das ist mein Job, mein Leben. Mein dringlicher Wunsch, die Zeit aufzuholen, die ich durch meine schwere Verletzung verloren hatte, mag da auch eine Rolle spielen", sagte der Linksfuß vor der aktuellen Spielzeit im Interview mit der L'Equipe und meinte seinen Kreuzbandriss vom Herbst 2015, der ihn für knapp 40 Spiele außer Gefecht gesetzt hatte.

Auch in der vergangenen Saison musste sich Fekir mit mehreren kleinen Wehwehchen herumschlagen. Diese hätten sich auf seine gesamte Saisonleistung ausgewirkt. Fekir spielte inkonstant und fand sich hin und wieder auf der Bank wieder.

In dieser Saison läuft hingegen nichts ohne Fekir. Durch die Abgänge stellte Genesion auf 4-2-3-1-System um, in dem Fekir eine klare Rolle als klassischer Spielmacher einnimmt. Weg von der Außenbahn setzt er seine Mitspieler herausragend in Szene und ist dabei selbst enorm torgefährlich. 41 Prozent seiner Torchancen verwertet er und ist damit treffsicherster Franzose in den europäischen Top-Ligen.

Fekir ist Lyons eigener Messi

"Er hat mich sehr überrascht, auch wenn ich das natürlich gehofft habe. Ich habe ihn immer als Spieler und als Typ geschätzt. Vor seiner langen Verletzungspause habe ich gesagt, er sei unser Messi. Ich bereue diese Aussage nicht", sagte OL-Präsident Jean-Michel Aulas gegenüber Progres.

Das ist nicht der erste Vergleich mit dem fünfmaligen Weltfußballer. Auch der ehemalige Nationalspieler Bernard Lacombe sowie Laurent Koscielny attestierten ihrem Landsmann Ähnlichkeiten zu Messi.

Fekir selbst betonte bereits im April, dass er noch weit vom Level des Argentiniers entfernt sei. "Aber es schmeichelt mir", wurde der Shootingstar auf UEFA.com zitiert.

Führt Fekirs Weg nach Barcelona?

Der Messi-ähnliche Spielstil gepaart mit der neu hinzugewonnenen Effizienz des 24-Jährigen hält die Gerüchteküche in Alarmbereitschaft. Europas Creme de la Creme streckt die Finger nach Fekir aus, allen voran offenbar der FC Barcelona. Messi selbst soll sein Mini-Me laut Diario Gol als Transferziel empfohlen haben, falls der Deal mit Philippe Coutinho nicht zustande kommen sollte.

Fekir, um den sich bereits im Sommer etliche Gerüchte rankten, will davon (vorerst) nichts wissen: "Lyon ist meine Stadt, das ist mein Herzensverein und ich will alles für ihn geben." Ohnehin hat eine WM-Teilnahme zunächst oberste Priorität, nachdem Fekir die EM im eigenen Land aufgrund seiner Verletzung verpasste.

Was danach passiert, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Fekirs Vertrag in Lyon läuft noch bis 2020. Zudem kündigte Aulas an, alles dafür geben zu wollen, "dass er so lange wie möglich hierbleibt".

Fekir scheint die neue Rolle bei OL gut zu Gesicht zu stehen. Im US-Sport-Jargon wäre von einem Franchise-Player die Rede, einem Spieler, um den herum das Team aufgebaut wird, einem Spieler wie Messi eben.

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