Merhaba aus Istanbul,
die Saison ist endlich vorbei. Es war eine lange, turbulente und anstrengende Saison mit 40 Spieltagen in der Liga, zusätzlich vielen Spielen im Europapokal und im türkischen Pokal. Die Gemütslage ist eine Mischung aus Erleichterung, dass es vorbei ist, Enttäuschung aufgrund der Platzierung, aber auch positive Gewissheit, dass wir die Europa League erreicht haben. Auch wenn man nach dieser schwierigen Saison damit glücklich sein könnte, muss ich klar sagen, dass es sehr enttäuschend und sehr wenig ist, was herausgesprungen ist.
Immerhin ist das Ausscheidungsspiel, das am 20. Mai stattfinden sollte, ausgefallen, weil auch Bursaspor, Sieger der Europa- Playoffs, über den türkischen Pokal die Europa League erreicht hat. Es ist schön, dass wir auf diesen Nervenkrimi verzichten können. Aber wichtig ist auch, dass wir nach dieser kräfteraubenden Saison einfach eine Woche länger Urlaub haben.
Wenn ich meine persönliche Saison Revue passieren lasse, war es fast wie in der Vorsaison, als ich zunächst kaum gespielt habe. Ich hatte erst vom Trainer nicht das Vertrauen, habe mich aber dann wieder hereingekämpft und den Leuten bewiesen, dass ich für die Mannschaft wichtig bin. Bis zu meinen Verletzungen habe ich eine richtig gute Saison gespielt. Danach habe ich gemerkt, dass ich körperliche Defizite hatte, aber in den Playoffs ging es dann schon wieder.
Es war für die ganze Liga eine sehr ereignisreiche Saison, die später gestartet werden musste und ständig vom Thema Manipulationsskandal begleitet wurde. Ich muss an dieser Stelle jeden Spieler aller Klubs - sowohl 1. als auch 2. Liga - ein dickes Lob aussprechen, wie sie sich trotzdem auf den Sport konzentriert und auf einem sehr guten Niveau gespielt haben. Die Spannung und der Spaß waren trotz turbulenter Zeit jederzeit da. Großen Respekt dafür an alle!
Respekt gebührt auch Galatasaray und Fenerbahce, die am Samstag ein echtes Finale ausgetragen haben. Es waren die beiden erfolgreichsten Vereine der ganzen Saison im direkten Duell. Gegenüber uns und Trabzonspor muss man fairerweise sagen, dass sowohl Gala und Fener nur zwei Wettbewerbe gespielt haben, während Trabzon und wir noch Europapokal gespielt haben. Das hat sich vor allem An Ende auf die Performance ausgewirkt. Nichtdestrotz ist Galatasaray verdient Meister geworden, weil sie in der regulären Saison einfach massig Punkt gesammelt haben.
Leider kam es nach dem Spiel zu unschöne Szenen. Fenerbahce-Fans sind auf den Platz gestürmt, Galatasaray konnte seinen Meisterpokal erst gegen Mitternacht entgegennehmen. Ich habe das Spiel und die Ereignisse im TV gesehen. Es ist schade, weil das zum einem für Fenerbahce negative Folgen für die neue Saison haben wird und zum anderen, weil es wieder Negativschlagzeilen für den türkischen Fußball gibt.
Das ist total unnötig. Die Fans in der Türkei sind emotional und fanatisch, was größtenteils super ist, weil man eine Unterstützung erfährt, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Aber einige Leute müssen einfach lernen, dass es viel mehr bringen würde, ihre Mannschaft zu unterstützen und alles andere weglässt. Dass es Sinn macht, bis zum Ende zu unterstützen, zeigte Manchester City am Sonntag.
Jetzt freue ich mich erst einmal auf den Samstag, wenn Bayern und Chelsea das Champions-League-Finale in München spielen. Das Spiel werde ich mir auf jeden Fall anschauen. Ich hatte in den letzten Tagen immer wieder SMS-Kontakt zu meinem Kumpel Mario Gomez. Meine ganze Familie drückt ihm ganz besonders, aber auch dem FC Bayern die Daumen, dass es gegen Chelsea klappt. Als Deutscher muss man da Patriot sein und für Bayern halten. Sie haben eine tolle Champions-League-Saison gespielt, deswegen traue ich es ihnen zu, dass sie das Spiel gewinnen, auch wenn Chelsea kein leichter Gegner ist.
Klar haben sie mit Holger Badstuber, David Alaba und Luiz Gustavo wichtige Ausfälle, aber das gilt für Chelsea mit Raul Meireles, Ramires, John Terry und Branislav Ivanovic auch.
Das EM-Fieber hat mich dagegen noch nicht so gepackt. Ich spiele lieber selbst, als vor dem Fernseher Fußball zu schauen, was ich grundsätzlich kaum mache. Natürlich werde ich mir das eine oder andere Spiel anschauen, zumal jetzt der Urlaub ansteht. Ich bin noch ein paar Tage in Istanbul, fliege dann nach Deutschland, weil ich dort ein Kindergeburtstag und die Taufe meiner Tochter vor mir habe. Danach gibt's Urlaub mit Freunden und der Familie.
Danach melde ich mich an dieser Stelle auch wieder und wünsche allen eine tolle Zeit!
Bis dahin
Euer Roberto
Roberto Hilbert, geboren am 16. Oktober 1984 in Forchheim, spielte acht Mal für die deutsche Nationalmannschaft. Nach seiner erfolgreichen Zeit beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth wechselte Hilbert 2006 zum VfB Stuttgart und wurde in seiner ersten Saison auf Anhieb Stammspieler und deutscher Meister. Seit Beginn der Saison 2010/2011 spielt Hilbert für den türkischen Spitzenklub Besiktas. Weitere Informationen zu Roberto Hilbert gibt es auf seiner Facebook-Seite.