Mahnende Worte hallten im Februar durch den Saal "Islas Baleares" des Hotels "Melia" und Mark van Bommel war mittendrin.
"Ich möchte davor warnen zu glauben, die Wiese sei schon gemäht - das ist sie nämlich nicht. Inter ist eine Mannschaft mit hoher Qualität und viel Willen", sprach Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge nach dem knappen 1:0-Sieg im Hinspiels des Champions-League-Achtelfinals in San Siro vor Mannschaft, Sponsoren und Journalisten ins Mikrophon.
Van Bommel hatten die Bayern als Gast eingeladen, er saß beim Mitternachtsbankett in unmittelbarer Nähe der Profis. Denn obwohl der 33-Jährige einige Wochen zuvor zum AC Milan gewechselt war und das Fußballgeschäft oft Animositäten mit sich bringt, konnte man sich noch in die Augen sehen.
Van Bommel verließ das Dinner dann auch prompt mit der Mannschaft und zog sich mit den Ex-Mitspielern in den Loungebereich zurück, ganz so, als wäre er noch Teil des Teams.
"Kein Spiel wie jedes andere"
Am Wochenende feiert van Bommel nun Wiedersehen. Nicht mit dem FC Bayern, sondern mit Inter. Dem Team, das Rummenigges Warnung im Rückspiel ernst machte. Dem Team, das auf Milan, seit van Bommel in Italien ist, sieben Punkte aufgeholt hat und nun zum Überholvorgang ansetzt.
Dem Team seines Nationalmannschaftskollegen Wesley Sneijder, der ihm im Januar schon vom "Derby della Madonnina" vorschwärmte, als sich van Bommel vor seinem Wechsel nach Mailand erkundigte. "Das Derby ist kein Spiel wie jedes andere", meinte van Bommel bereits vor seiner offiziellen Vorstellung in Mailand Ende Januar.
"Ich habe mit Wesley gesprochen und freue mich jetzt schon darauf." Damals hatte Milan im zentralen Mittelfeld verletzungsbedingten Notstand - ein erfahrener Mann sollte den Rossoneri Stabilität verleihen. Einer, der auf Anhieb weiß, was zu tun ist. Einer, der die Mitspieler führen kann. Van Bommel eben.
Zlatans anerkennende Worte
Milan-Boss Adriano Galliani holte sich vor dem Transfer sogar den Rat von Zlatan Ibrahimovic ein - bis dato eher ein erbitterter Kontrahent des Niederländers. "Er hat mit sofort das Okay gegeben. Er sagte: 'Sehr gut, an van Bommel ist nur schwer vorbei zu kommen".
Trainer Massimiliano Allegri begründete den Schachzug, van Bommel aus München loszueisen und mit einem Halbjahresvertrag auszustatten, dagegen so: "Er ist ein wichtiger Spieler mit internationalem Renommee und der beste, der auf dieser Position auf dem Markt war."
Einen Tag später spielte der Niederländer schon im Pokalspiel gegen Sampdoria mit. Wild gestikulierend und die Mitspieler anleitend, wie man es aus München kennt. "Es ist relativ einfach, sich hier zu integrieren", meinte van Bommel ein paar Wochen später. "Dass ich hier mit großartigen Spielern zusammenspielen kann, macht vieles einfacher. Sie helfen mir, wo es nur geht."
Ein entscheidender Unterschied
Dass van Bommel in seinem ersten Serie-A-Spiel gegen Catania neun Minuten nach der Pause gleich mal mit Gelb-Rot vom Platz flog, lastete man ihm nicht negativ an. "Für diese Fouls gibt es in Deutschland keine Gelbe Karte. Er spielt eben sehr aggressiv", tat Allegri den Platzverweis als simple Anpassungserscheinung ab.
Nachdem van Bommel im Spiel darauf gesperrt pausieren musste, spielte er in jeder weiteren Liga-Partie von Beginn an und tat dabei das, was er am besten konnte: dirigieren, Löcher stopfen, Bälle erobern, den Takt vorgeben.
Einen entscheidenden Unterschied zur Spielweise des FC Bayern und der niederländischen Nationalmannschaft hatte van Bommel bereits schnell ausgemacht: In der Serie A ist das Spiel raumgreifender.
"Man muss mehr laufen und wird in mehr Zweikämpfe verwickelt, daran muss ich mich erst noch gewöhnen", stellte er bereits Mitte Februar fest. "In der Nationalmannschaft habe ich zum Beispiel 20 bis 25 Balleroberungen pro Spiel. Hier sind es weniger, weil die Spieler insgesamt mehr Platz haben. Es ist ein komplett anderer Stil."
Zentraler Abräumer vor der Abwehr
Dazu spielt Milan ein anderes System, als er es zuvor gewohnt war. In Allegris 4-3-1-2 fand sich van Bommel bei seinem Debüt in Genua prompt auf der rechten Seite wieder. Eine Position, die er seit seinen Anfangstagen beim FC Bayern nicht mehr gespielt hatte. "Er hat ein bisschen gebraucht, um sich einzufinden", bilanzierte Trainer Allegri nach der Partie.
In den folgenden Spielen etablierte sich van Bommel dann als zentraler Spieler vor der Abwehr. Beim 1:0-Sieg gegen Juventus Turin spielte er einen klassischen Abräumer, holte viele Bälle, las das Spiel des Gegners und war sich auch für taktische Fouls nicht zu schade.
Allegri lobte ihn anschließend als "sehr intelligenten Spieler, der den italienischen Fußball bereits verinnerlicht hat und unsere Defensive gut verstärkt". Das van Bommel alleine aber keine Bäume ausreißen kann, machten dann die letzten beiden Spiele deutlich.
Kampf um die Plätze
Beim 1:1 gegen Bari war er am Gegentor ebenso beteiligt wie beim 0:1 in Palermo. Danach setzte ihn eine hartnäckige Oberschenkelverletzung für die beiden Länderspiele gegen Ungarn außer Gefecht, sodass der 33-Jährige erst am Dienstag wieder voll ins Milan-Training einsteigen konnte.
Und da bis auf Massimo Ambrosini alle Mittelfeldspieler langsam wieder fit sind, entbrennt ausgerechnet vor dem richtungweisenden Derby ein Kampf um die Plätze im Mittelfeld. Denn ein jeder Milan-Spieler weiß: Eine gute Leistung gegen Inter bedeutet einen Stammplatz für die Wochen danach.
Konkret wird sich van Bommel wohl gegen Mathieu Flamini durchsetzen müssen. Gennaro Gattuso ist gesetzt, auf Clarence Seedorfs Dynamik und Übersicht wird Allegri nicht verzichten wollen.
Sieben Verträge laufen aus
Gut möglich also, dass sich der Routinier im Derby plötzlich nur auf der Bank wiederfindet - in bester Gesellschaft von Andrea Pirlo übrigens. Mit dem italienischen Rekonvaleszenten teil van Bommel das Schicksal, dass ihr Arbeitspapier mit Milan-Stempel nur bis 30. Juni 2011 gilt.
Alles Weitere ist noch in der Schwebe. Boss Galliani hatte vor Wochen jedenfalls klar gemacht, dass sich kein Spieler mit auslaufendem Vertrag vor dem Derby zu melden braucht. Gespräche mit den betroffenen van Bommel, Pirlo, Seedorf, Ambrosini, Filipo Inzaghi, Marek Jankulovski und Alessandro Nesta wird es erst im April geben.
Kein Problem für van Bommel, den Gerüchte über eine Rückkehr zum FC Bayern nach dem Scheitern von Louis van Gaal allerdings überrascht hatten.
Spekulationen um Bayern-Rückkehr "logisch"
"Die Situation ist natürlich schon bizarr: Ich gehe und zwei Monate später wird der Trainer entlassen. Logisch, dass dann Spekulationen aufkommen", teilte er dem niederländischen Hörfunksender "Radio 538" mit.
Er selbst habe aber noch nicht entschieden, wie es mit ihm ab Sommer weitergehen soll.
Agent Mino Raiola, der übrigens sechs Tage vor van Bommels Wechsel zu Milan noch sagte, der Mittelfeldspieler bleibe "zu 99,9 Prozent bei Bayern", ließ bisher nur durchsickern, dass PSV Eindhoven van Bommel gerne zurückholen würde. Raiola setzt aber eher auf eine Verlängerung in Mailand.
"Wenn Milan jetzt eine Entscheidung treffen müsste, würden sie ihn behalten", orakelte er. Nach dem Derby wird man mehr wissen.
AC Milan vs. Inter: Die Bilanz gegeneinander