Auf dem Weg zum neuen Milan

Von Daniel Börlein
Kevin-Prince Boateng (l.) soll das Milan-Spiel künftig lenken
© Imago

Der AC Milan hat einen radikalen Umbruch hinter sich. Neben zahlreichen Routiniers haben mit Thiago Silva und Zlatan Ibrahimovic auch zwei Top-Spieler den Klub verlassen. Weil kein Geld für neue Stars da ist, müssen die Rossoneri improvisieren. Einen Hoffnungsträger gibt es allerdings.

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Nun ist sie also endgültig vorbei, die Zeit, in der man 90 Minuten lang irgendwo auf dem Platz herumlungern konnte und am Ende trotzdem der gefeierte Mann war. Die Zeit, in der man sich nicht kümmerte um Dinge wie Gegenpressing, Anlaufverhalten oder einstudierte Laufwege und dennoch immer richtig stand.

Die Zeit, in der man die eigenen Mitspieler in die Verzweiflung trieb und sie später mit nur einer Aktion wieder versöhnte. Nun ist sie also vorbei, die Zeit von Filippo Inzaghi beim AC Milan.

Über ein Jahrzehnt war Super-Pippo der Torjäger der Rossoneri - gehasst, verdammt, vergöttert. Dass er es nun nicht mehr ist, daran muss man sich erstmal gewöhnen. Doch so ist dieses Milan im Sommer 2012: Man muss sich erst noch daran gewöhnen. Denn nichts ist mehr, wie es einmal war.

Milan-Legenden sind weg

Inzaghi ist längst nicht der einzige Held vergangener Tage, der sich aus Milanello verabschiedet hat. Auch Alessandro Nesta, der langjährige Abwehrchef, ist weg.

Gennaro Gattuso, die Kampfmaschine, die für Milan wohl auch die eigene Mutter umgegrätscht hätte, ebenfalls.

Und natürlich der große Clarence Seedorf, der als einziger Fußballspieler überhaupt mit drei verschiedenen Klubs die Champions League gewann.

Sie alle sind nun Milan-Legenden a. D. und werden das rot-schwarze Trikot nur noch ab und an bei Benefizspielen tragen, genauso wie Gianluca Zambrotta, Massimo Oddo und Mark van Bommel, die ebenfalls gewechselt sind oder ihre Karrieren ganz beendet haben.

Finanzielle Probleme

Das Milan von heute hat mit dem Milan vergangener Tage kaum noch etwas zu tun. Doch wie sieht das neue Milan eigentlich aus? "Wir müssen nun von Grund auf neu anfangen", sagt Coach Massimiliano Allegri, der neben den zahlreichen Routiniers vor allem auch zwei Eckpfeiler verloren hat, mit denen man eigentlich noch Großes vor hatte in Mailand: Thiago Silva und Zlatan Ibrahimovic. Das Duo wechselte im Doppelpack zu Paris St. Germain.

"Die meisten Spieler haben uns aufgrund ihres Alters verlassen", sagt Allegri. "Diese beiden aber wegen der Vereinspolitik." Was der Rossoneri-Coach meint: Milan benötigt dringend Geld und konnte die 65 Millionen Euro Ablöse für Silva und Ibrahimovic deshalb schlicht nicht ausschlagen. Die horrenden Gehaltskosten der letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen.

Mit den Verkäufen und den Einsparungen der Gehälter von Seedorf und Co. sind die größten Löcher nun fürs Erste zwar gestopft, gerade mit Silva und Ibrahimovic hat Milan allerdings auch zwei absolute Ausnahmekönner verloren, die zumindest ansatzweise ersetzt werden wollen.

Gerüchte: Tevez, Dzeko, Rolando

"Der Verein weiß sehr gut, was wir brauchen. Darüber haben wir gesprochen", sagt Allegri. "Der Transfermarkt wird bis zum 31. August noch neue Spieler bringen." Namen kursieren zumindest schon mal genügend.

ManCitys Edin Dzeko und Carlos Tevez seien ganz heiße Kandidaten für den Angriff, heißt es. Auch Arjen Robbens Name fiel bereits. Und Kaka ist in Mailand natürlich immer ein Thema. Für eine Verpflichtung müsste Milan allerdings einen erneuten finanziellen Kraftakt eingehen. Gleiches gilt für Portos Innenverteidiger Rolando, der zwar offen sein soll für einen Wechsel, aber eben auch 15 Millionen Euro kostet.

Handlungsbedarf in der Abwehr

So muss sich Milan nach Alternativen umgucken, nach weniger namhaften - und vor allem preiswerteren. Mit Riccardo Montolivo hat man ein solches Schnäppchen bereits verpflichtet. Der Nationalspieler kam ablösefrei aus Florenz und soll künftig zusammen mit Kevin-Prince Boateng das Mittelfeld der Rossoneri lenken. Auch in Bakaye Traore (kam aus Nancy) setzt man bei Milan Hoffnungen - auch wenn er international ein eher unbeschriebenes Blatt ist.

Dringend Bedarf besteht vor allem in der Defensive. Aus Verona kam mit Francesco Acerbi zwar ein junger Innenverteidiger, doch gerade im Abwehrzentrum ist man mit Philippe Mexes, Daniele Bonera und dem schon 36-jährigen Mario Yepes noch viel zu dünn besetzt.

"Natürlich haben uns viele Spieler verlassen", sagt Bonera fast trotzig, "aber das ist auch die Chance, nun ein neues Team entstehen zu lassen". Der 31-Jährige ist einer der wenigen verbliebenen Routiniers und nun umso mehr gefordert.

"Pato ist die Zukunft"

"Wir erfahrenen Spieler müssen dem Trainer nun auch helfen. Wir müssen schauen, dass wir Schwierigkeiten zusammen bewältigen", so Bonera, der schon ganz genau weiß, wer die abgewanderte Offensiv-Qualität künftig ersetzen soll. "Der Milan-Sturm der Zukunft muss um Pato herum aufgebaut werden. Er ist schon jetzt ein Großer und das, obwohl er noch jung ist. Er hat noch unheimlich viel Potenzial."

Pato soll der Fixpunkt in Milans Offensive werden. Was aus Antonio Cassano und Robinho wird, ist dagegen noch nicht endgültig geklärt. Nicht ausgeschlossen, dass sie ebenfalls noch den Verein verlassen - auch wenn Milan-Boss Galliani davon nichts wissen will.

Ein Hoffnungsträger der Zukunft ist dagegen Youngster Stephan El Shaarawy. Der 19-Jährige überzeugte zuletzt in den Testspielen, darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Stammplatz machen und gibt sich deshalb ganz frech: "Ich finde, dass Klubs generell auf die Jugend setzen sollten."

So etwas hat bei den Rossoneri lange niemand mehr gesagt. Man muss sich eben erst noch gewöhnen an dieses neue Milan.

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