Keine drei Jahre ist es her, als Luca Tonis Karriere vor dem Aus schien. Nach seinem Abschied vom FC Bayern hatte er für Juve und Genua gespielt, ehe er im Januar 2012 den Schritt in die Wüste wählte. Ein Fehler, wie ihm schnell klar wurde. "Geht nicht nach Dubai", erklärte er anschließend. "Ich spiele gerne richtigen Fußball und das ist dort nicht möglich. Der Ort ist schön, die Atmosphäre ist es nicht." Nach nur einem halben Jahr war das Experiment für den Stürmer beendet.
Toni wollte daraufhin nichts mehr vom Fußball wissen, denn im gleichen Sommer ereilte ihn und seine langjährige Freundin Marta ein Schicksalsschlag: Marta hatte eine Totgeburt und erst mit einigen Jahren Abstand erzählte Toni in der Gazzetta dello Sport: "Alle schauten uns an, ohne den Mut zu finden, etwas zu sagen. An diese Augen werde ich mich immer erinnern." Der einstige Nationalspieler schien ganz weit weg vom Fußball, doch Marta appellierte an ihn. Sie ertrage ihn nicht die ganze Zeit zu Hause, verriet Toni später.
"Wieder Lust am Fußball"
Und so verhalf sie dem kleinen Hellas Verona 2013, nachdem Toni für ein Jahr zum AC Florenz, wo er einst den Durchbruch geschafft hatte, zurückgekehrt war, zu einem absoluten Glücksgriff. Der damals 36-jährige Toni bewies, dass das Alter für ihn tatsächlich nur eine Zahl ist und legte in seiner ersten Saison für Verona 20 Tore und elf Vorlagen auf. "Ich habe wieder Lust am Fußball", ließ er die Welt mit seinem unnachahmlich ansteckenden Grinsen wissen.
Die Fiorentina hatte ihm zuvor einen Job im Management angeboten, doch Toni hatte dank seiner Rückkehr nach Italien erkannt, was er wirklich machen will: Fußball spielen, und zwar so lange es geht. Mitte Juni verlängerte seinen auslaufenden Vertrag um ein weiteres Jahr und erklärte: "Ich bin sehr glücklich bei Hellas Verona. Ich freue mich, das Abenteuer in blau und gelb weiter fortzusetzen. Solange ich dieses Gefühl noch habe, möchte ich weiter Fußball spielen."
"Das Geheimnis ist Begeisterung", wird der Routinier zudem nicht müde zu betonen. Toni ist ein Instinktfußballer und eiskalter Vollstrecker, der sich auf dem Platz voll auslebt. Daran hat sich in den letzten 15 Jahren nichts geändert. Nur böse Zungen behaupten, dass sein Hang zur Trainings-und Lauf-Faulheit die Gelenke des Mannes, der erst Ende 20 den Sprung nach Florenz und damit zu einem größeren Klub schaffte, geschont hat und ihm jetzt so den Herbst der Karriere vergoldet.
Das Märchen mit einem Ärgernis
Dabei steckt der 38-Jährige Mitspieler und Umfeld gleichermaßen an. Toni verbreitet nach wie vor eine nicht zu bändigende Lust am Spiel und die italienischen Medien feiern den manchmal so ungelenk wirkenden "großen Alten", wie die Gazzetta dello Sport jüngst titelte. "Mir geht es gut. Wenn ich auf den Platz gehe, fühle ich mich immer noch wie ein Jugendlicher", bestätigte der Ex-Münchner den Eindruck und der Funke springt sofort über, sieht man ihn im gegnerischen Strafraum.
Es sind keine leeren Worte, die Toni erzählt: Auf seine 20-Tore-Saison ließ Hellas' Lebensversicherung in der vergangenen Spielzeit 22 Treffer folgen, womit er sich zum Torschützenkönig der Serie A TIM kürte und strahlte: "Eine fantastische Saison." Nur eine Sache trübt Tonis Verona-Märchen der vergangenen beiden Jahre: Weil er während seiner Zeit beim FC Bayern keine Kirchensteuer gezahlt hat, ein Missverständnis, das auf einen Fehler bei der Erstellung seiner Lohnsteuerkarte zurückzuführen ist, soll Toni 1,7 Millionen Euro nachzahlen.
Der Italiener weigert sich, der Fall ist längst vor Gericht. "Ich bin der Meinung, wenn jemand an Gott glaubt, dann muss er nicht die Kirche bezahlen. Wenn meine Freunde wüssten, dass man so viel zahlt, um Katholik zu sein, würden alle austreten. Hätte ich gewusst, wie teuer es ist, hier Katholik zu sein, wäre ich sofort ausgetreten", machte er seinem Ärger Luft.
Davon abgesehen aber könnte es für Toni nicht besser laufen. In Verona, zwei Stunden von seinem Heimatdorf Stella entfernt, hat der sympathische Stürmer ohne jeden Zweifel sein spätes Glück gefunden. Seine Eltern und seine besten Freunde sind so nach wie vor nur einen Katzensprung entfernt und Toni besucht sie regelmäßig zum Kartenspielen. Mit den sozialen Medien kann er schließlich nach wie vor nichts anfangen und betont, wenn er darauf angesprochen wird: "Ich bin aus einer anderen Ära."
Dzeko: "Hatte mit niemandem Probleme"
Verglichen mit Toni gilt das auch für die Sturmhoffnung von Hellas-Auftaktgegner AS Rom. Edin Dzeko ist nicht nur neun Jahre jünger als Toni, er weiß sich auch sehr wohl in den sozialen Medien zu bewegen. 1,3 Millionen Menschen folgen ihm auf Twitter. Doch auf dem Platz lief es für den Bosnier zuletzt so gar nicht: Auf nur 22 Liga-Einsätze kam er für Manchester City in der Vorsaison, meist lediglich als Joker.
In den letzten fünf Saisonspielen setzte ihn Trainer Manuel Pellegrini überhaupt nicht mehr ein. "Ich hatte mit niemandem Probleme. City ist ein Topklub mit vielen herausragenden Spielern auf jeder Position. Es stimmt aber schon, dass ich im letzten Jahr nur wenige Spiele gemacht habe", gab Dzeko bei seiner ersten Pressekonferenz in der Ewigen Stadt zu. "Ich habe mich verletzt und das hat mir viele Probleme bereitet."
Hartnäckige Wadenprobleme setzten ihn wochenlang außer Gefecht, in der Rückrunde konnte er kaum noch in die namhafte City-Startformation rücken, sein einstiger Stammplatz ist weit weg. Auch wenn Dzeko zunächst nur ausgeliehen ist: Seine Tage bei den Citizens scheinen nach viereinhalb, längst nicht nur von Hochphasen geprägten Jahren, gezählt.
Die Suche nach dem Neustart
Der Schritt von der Premier League in die Serie A TIM stört den Stürmer, der endlich wieder auf dem Platz glücklich werden will, mitnichten: "Die Premier League ist die vielleicht beste Liga der Welt, aber die italienische Liga holt auf. Neue Stadien werden gebaut und hoffentlich kann sie bald wieder ihren einstigen Status erlangen."
Die Roma soll jetzt von den Ambitionen des Ex-Wolfsburgers profitieren. "Ich bin in guter Verfassung", beteuerte Dzeko, "und ich will mein Bestes für dieses Team geben. Ich verfolge den AS Rom, seitdem mein Freund Miralem Pjanic hier spielt. Sie haben viel vor und ich bin sehr froh, hier zu sein und dem Klub beim Erreichen seiner Ziele zu helfen. Ich hatte vier fantastische Jahre in Manchester. Wir haben Titel gewonnen und hatten viele spannende Momente. Aber wenn wir alle hart arbeiten, können wir hier in Rom hoffentlich etwas ähnliches schaffen."
Zumindest der Einstand verlief auch für Dzeko schon wie im Märchen: In seinem ersten Testspiel, ein 6:4-Sieg über Sevilla, traf er prompt doppelt. "Ich denke nicht mehr an die Vergangenheit", fügte der 29-Jährige bei seiner Vorstellung hinzu. "Ich will einen Neustart beim AS Rom." Gegen eine Toni-ähnliche Wiederentdeckung der einfachen Freude am Spiel hätte Dzeko wohl nichts einzuwenden.
Die Serie A TIM in der Übersicht