"Wir müssen ein Omelett aus den Eiern machen, die wir haben." Mit diesem Spruch löste Paulo Sousa zwar keinen Hype a la "The normal One"-Klopp aus, gewann aber gewaltig an Sympathie bei seinem neuen Klub.
Zu Beginn schien der Portugiese nicht willkommen zu sein. Schmährufe mit Bezug auf seine aktive Zeit bei Juventus wurden sogar laut.
Doch der 45-Jährige erarbeitete sich das Vertrauen der Fans schnell - durch seine Nähe zu den Anhängern und öffentliche Trainingseinheiten. Hauptsächlich aber durch den großartigen Erfolg der Violetten.
Einfach Florenz sein
Florenz ist Tabellenführer der Serie A TIM und hat erst ein Spiel verloren. Der 4:1-Erfolg gegen Inter war ein historischer. Zum ersten Mal seit sieben Jahren steht der AC wieder an der Spitze.
Der Ex-Klub von Mario Gomez führt die Tabelle beeindruckend mit 14:4 Toren an und hat die beste Defensive der Liga. Die verbesserte Verteidigung ist bisher der Schlüssel zum Erfolg der Fiorentina.
"Dieser erste Platz in der Tabelle macht uns glücklich, aber wir haben noch nichts erreicht. Zu Beginn der Saison haben wir uns zum Ziel gesetzt, Spaß zu haben und einfach Florenz zu sein", erzählte Daniele Prade, Manager des Tabellenführers, gegenüber Sky Sport 24.
Weg frei für BV20
Vor dieser Saison konnte man wahrlich nicht von einer solchen Erfolgsgeschichte träumen. Denn wie so viele Top-Vereine in Italien mussten sich die Lilien einem umfangreichen Wandel unterziehen. 30 Neuzugängen und Rückkehrern stehen sogar noch mehr Abgänge gegenüber. Mit Stefan Savic, Alberto Aquilani, Mohamed Salah, Joaquin, Neto und Mario Gomez hat man wichtige Stammspieler verloren.
Vor allem Aquilani, einst Herz und Regisseur der Mannschaft, wurde als schmerzlicher Verlust prophezeit. Doch der Erfolg beweist das Gegenteil: Florenz holte zwar keinen namhaften Ersatz für Aquilani, dafür aber einen passenden.
Vor allem mit Nikola Kalinic und Jakub "Kuba" Blaszczikowski konnte man sich in der Offensive unerwartet gut verstärken. "Der beste Tranfer, den wir gemacht haben? Paulo Sousa. Danach kommen alle Spieler", entgegnete Prade.
Der Neu-Coach hat Florenz im Sturm erobert. Der ehemalige Teamchef des FC Basel identifiziert sich bereits mit dem Verein: "Wir sind hier zwar sehr viele Ausländer, aber wir haben nur ein Herz und sprechen nur eine Sprache: Und die ist viola."
"Großes Potenzial"
Unter Sousa machen nicht nur die Neuen einen guten Eindruck. Einige altbekannte Gesichter blühen seit Sousas Amtsantritt richtig auf. Borja Valero beispielsweise avancierte mit dem Abgang seines jahrelangen Partners Aquilani zum absoluten Leader und Strippenzieher im zentralen Mittelfeld. Mit Milan Badelj an seiner Seite, der ihm den Rücken freihält, entwickelte sich der Spanier zum echten Spielmacher.
Im von Sousa häufig eingesetzten 3-6-1-System kommt auch Josip Ilicic in seiner nun zentraleren Rolle besser zur Geltung. Der Slowene überzeugte bisher mit drei Toren und zwei Assists. Sogar die langwierige Verletzung von Top-Stürmer Giuseppe Rossi und den Abgang Gomez' konnte Florenz auffangen.
Nikola Kalinic hat sich mit vier Toren und drei Vorlagen in der Liga ausgezeichnet eingefügt. Der Mittelstürmer kam vom Europa-League-Finalisten Dnipro Dnipropetrovsk und überzeugt mit seinem intensiven Laufpensum und seiner Beidfüßigkeit. "Kalinic hat mich beeindruckt. Er hat das Potenzial, großartige Dinge in Florenz zu erreichen", lobte ihn auch der ehemalige AC-Star Luis Oliviera im Radio Blu.
Das Ende von Tiki Taka
Die Spielweise der Fiorentina hat sich unter Sousa gewaltig verändert. "Die Zeiten des spanischen Ballgeschiebes sind vorbei. Die Mannschaft ist gut organisiert, sie wirkt aggressiv und hungrig", schrieb die Gazzetta dello Sport. Sousas Idee von Fußball ist zwar auch ballbesitzorientiert, jedoch lässt er schnell und vertikal spielen.
Die Defensivarbeit beginnt bei den Violetten schon bei Kalinic in der Sturmspitze. Frühes Pressing und die clevere Raumaufteilung trieben den ein oder anderen Gegner schon an den Rand der Verzweiflung. Die Laufwege im Mittelfeld werden gut zugestellt. Aus den resultierenden Ballverlusten profitieren die Florentiner dann oft mit ihrem schnellen Umschaltspiel.
"Das Spiel von Florenz zeichnet sich durch hohe Geschwindigkeit und Attraktivität aus und ist sicher in der Defensive", analysierte Alberto Cavasin, Ex-Trainer von Sampdoria, zuletzt im italienischen Radiosender Crc. GegenüberTuttosport wiederum bestätigte der ehemalige Florentiner Renzo Ulivieri: "Er ist ein seriöser Trainer. Er hat seine Philosophie etabliert, aber kann genauso gut auf wechselnde Umstände reagieren."
Neben dem bei Sousa beliebten 3-6-1 mit zwei offensiven Mittelfeldspielern hinter der Spitze spielt der italienische Tabellenprimus oft auch im 4-3-3-System. Die Breite und Variabilität des Kaders gibt das her. Außerdem hat Sousa den Konkurrenzkampf wieder belebt, wodurch sich ihm einige Rotations-Optionen bieten. Lediglich Linksfuß Marcos Alonso bestritt wettbewerbsübergreifend jedes Spiel.
Im engeren Kreis
Für Jose Mourinho ist der Erfolg seines Landsmannes schnell erklärt: "Er ist großartig. Er hat hart gearbeitet, um hier hinzukommen. Es gibt Trainer, die sofort zu einem großen Klub kommen. Paulo hat sich das alles verdienen müssen." Die langjährige Erfahrung des Coaches lässt hoffen, dass der ACF die aktuellen Leistungen auch konstant halten kann.
"Da ist eine Rieseneuphorie in Florenz. Wir alle hoffen, dass wir die Meisterschaft holen", sagte Kalinic. Die Liga ist allerdings sehr stark und ziemlich ausgeglichen. Das weiß auch Carlo Ancelotti. Der Ex-Coach der Königlichen spricht den Lilien im Interview mit der Corriere dello Sport aber durchaus Chancen zu: "Florenz spielt sehr gut und überrascht die Großen."
Der AC Florenz in der Übersicht