Zvonimir Boban, Davor Suker, Luka Modric, Mario Mandzukic. Die Liste der kroatischen Ausnahmespieler, die sich, bevor sie den Lockrufen der europäischen Top-Klubs erlagen, einst das Trikot von Dinamo Zagreb überstreiften, ist lang.
Als ein gewisser Marko Pjaca im zarten Alter von neun Jahren mit seiner Trainingstasche das erste Mal vor dem Trainingsgelände des bedeutendsten Klubs seines Landes stand, hatte er sich das Ziel gesetzt, es seinen "Vorfahren" gleichzutun und eines Tages vielleicht auch ein Plätzchen in dieser klangvollen Aufzählung zu finden.
Dass für das Erreichen der "Destination Profifußballer" so manches Mal Umwege in Kauf genommen werden müssen, erkannte der junge Marko schnell. Sowohl Kampfgeist, als auch Nehmerqualitäten waren dem Sohn eines Wrestlers und einer Judoka ohnehin schon in die Wiege gelegt.
Nachdem er sich in der C-Jugend von Dinamo auf der Bank wiederfand, zog er ohne großes Murren weiter, das große Ziel nie aus den Augen verlierend. Den Lohn dafür erntete er schon zwei Jahre später, als er mit 16 Jahren für den Stadtrivalen NK Lokomotive Zagreb sein Debüt in Liga eins feiern durfte.
Besser spät als nie
Das erste Etappenziel war erreicht, doch Pjaca wollte mehr. Eine Alternative zum Fußball, beispielsweise in einer der Branchen seiner Eltern, gab es für den gebürtigen Zagreber ohnehin nie: "Ich wollte immer Fußballer werden. Keiner weiß, wer der beste Wrestler der Welt ist. Im Fußball ist das nicht so - die ganze Welt kennt die besten Spieler und die halbe Welt kennt die guten Spieler. Meine Eltern haben das verstanden."
Verstanden hatte mittlerweile auch Pjacas Ex-Verein. Mit seinen explosiven Antritten und herausragenden Fähigkeiten im Dribbling sorgte der Linksaußen, der ebenso auf der rechten Bahn als auch der Zehn zum Einsatz kommen kann, in der HNL mehr und mehr für Aufsehen und so kam es schließlich, wie es kommen musste.
Die Verantwortlichen von Dinamo Zagreb rieben sich verdutzt die Augen und müssen sich gefragt haben: Wie konnten wir dieses Ausnahmetalent damals eigentlich so einfach ziehen lassen? Offenbar fand man darauf keine logische Erklärung, entschädigte den Nachbarklub mit einer Million Euro und holte den "verlorenen Sohn" wieder ins Maksimir-Stadion.
Lob von Pep
Beim zweiten Anlauf an alter Wirkungsstätte zeigte Pjaca sofort, welch ein Fauxpas dem kroatischen Rekordmeister damals unterlaufen war. Nachdem er in den ersten beiden Spielen jeweils als Torschütze glänzte, war er aus der Startelf eigentlich schon nicht mehr wegzudenken. Kurz darauf ließ er in der Europa League sein bisheriges Karrierehighlight folgen: Beim 4:3-Erfolg über Celtic Glasgow spielte Pjaca den Schotten mit seiner enormen Geschwindigkeit und einem außergewöhnlichen Trickreichtum Knoten in die Beine.
Ganz nebenbei garnierte er seine bärenstarke Leistung mit einem Dreierpack, der dritte Treffer war ein fulminanter Fernschuss in den rechten Knick, Marke Traumtor. "Ich bin kein bescheidener Mensch, aber ich muss zugeben, dass ich mich mit diesen drei Toren heute selbst überrascht habe", sagte Pjaca nach der Partie.
Nicht gerade bescheiden äußerte sich vergangene Saison dagegen der damalige Bayern-Coach Pep Guardiola - nach der 0:2-CL-Niederlage der Kroaten gegen den FCB - über das Dinamo-Juwel. Der Katalane bezeichnete Pjaca als "außergewöhnliches Talent" und prophezeite dem Youngster eine "große Karriere". Kaum verwunderlich also, dass auch die Münchner vor einiger Zeit an einer Verpflichtung interessiert waren. Doch der Dribbelkünstler wählte (mal wieder) einen anderen Weg.
Alte Dame sucht jungen Außen
Mit Juventus Turin hat Marko Pjaca für seinen nächsten Karriereschritt ein anderes europäisches Schwergewicht auserkoren. Als klassischer Außenbahnspieler hat man es bei Juve nicht leicht, das hat die Vergangenheit gezeigt. Aber: Pjaca ist eben kein typischer Flügelflitzer.
Der Kroate, der von der U 17 an alle Juniorenauswahlen seines Landes durchlief, ist das, was ab und an als "inverser" Flügelspieler bezeichnet wird. Pjaca kommt über links, um in der Nähe des Sechzehners nach innen zu ziehen und mit seinem starken rechten Fuß den Torabschluss zu suchen.
Dank seiner körperlichen Robustheit und einer für seine Position ungewöhnlichen Körpergröße von 1,86 Meterm ist er den meisten Außenverteidigern physisch hoch überlegen.
Jordi Alba kann davon ein Lied singen. Bei der EM schenkte Kroatien-Coach Ante Cacic Pjaca gegen die Spanier einen Einsatz über die volle Distanz - und wurde belohnt. Der 21-Jährige brachte den Barca-Verteidiger und seine Abwehrkollegen mehrere Male in Verlegenheit. Acht Mal ging Pjaca gegen die Iberer ins Dribbling - siebenmal kam er durch.
Das Ende vom Lied ist bekannt: Kroatien schnappte Spanien mit einem 2:1 den Gruppensieg weg, Pjaca leitete den Konter zum Siegtor durch Ivan Perisic ein. Gegen die Portugiesen kam er erst in der 110. Minute in die Partie und musste miterleben, wie Cristiano Ronaldo & Co. ins Viertelfinale einzogen.
CR7 als Musterbeispiel?
Sucht man nach einem vergleichbaren Spieler im Weltfußball kommt man - rein von der Spielanlage und den körperlichen Voraussetzungen her - nicht an besagtem Cristiano Ronaldo vorbei.
Um mit dem dreimaligen Weltfußballer auf Augenhöhe zu kommen, fehlt Pjaca selbstverständlich noch eine ganze Menge. Beispielsweise geht seinem Spiel neben einem präziseren Abschluss eine wichtige Komponente fast gänzlich ab, die CR7 zum komplettesten Angreifer der Welt machen: das Kopfballspiel.
Kann der 21-Jährige in den nächsten Jahren seine Sprungkraft und vor allem sein Timing in der Luft verbessern, dazu den Strafraum noch häufiger suchen, dürfte er schon bald jede Abwehrreihe der Welt vor einen Berg an Problemen stellen. Zeit für diesen Entwicklungsschritt bleibt noch jede Menge, Pjaca wagt den Sprung ins Ausland früher als sämtliche seiner prominenten Vorgänger. Von Boban bis Mandzukic.
Marko Pjaca im Steckbrief