Riesen-Mercato, Riesen-Kader

SPOX
10. August 201617:26
Juventus Turin hat große Ambitionen in der Champions Leaguegetty
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Juventus Turin hat einen ereignisreichen Sommer hinter sich und war an den zwei teuersten Transfers direkt beteiligt. Doch wie stellt sich das Team von Max Allegri nun ohne Paul Pogba, dafür aber mit Gonalzo Higuain für die neue Saison (ab 20. August live auf DAZN) auf? SPOX macht den Kadercheck.

Torhüter: Gianluigi Buffon, Neto, Emil Audero

Einfacher geht es wohl nicht. Gianluigi Buffon. Punkt. Selbst mit mittlerweile 38 Jahren thront Buffon über allem bei Juventus Turin. Er ist Meinungsführer, Führungsspieler, Kapitän, Identifikationsfigur, letzter Halt und nicht zuletzt einer der besten Torhüter der Welt. Dass er dabei mit seiner unverwechselbaren, stets fairen und offenen Art voran geht, steht völlig außer Zweifel.

Vertreten wird er im Ernstfall von Neto. Der 27-jährige Brasilianer ist ein guter Torwart und immer da, wenn es bei Buffon nicht reicht. 2015 kam er ablösefrei nach Turin und ist seitdem zuständig für die Coppa Italia. Ein ordentlicher Rückhalt, wenn auch nicht überragend. Sollte Buffon seine Karriere beenden, scheint es unwahrscheinlich, dass Juventus auf Neto als erste Wahl setzt. Aber das ist ohnehin noch Zukunftsmusik.

Ganz weit entfernte Zukunftsmusik ist Emil Audero. Der 19-Jährige hat gute Anlagen, doch was ihn derzeit am wertvollsten macht, ist sein Hintergrund als ehemaliger Spieler der Juventus-Akademie. Mit Beginn der Saison 2016/17 gelten strenge Regeln in Italien für die Kadergestaltung.

Maximal 25 Spieler sind erlaubt, U21-Spieler ausgenommen, um seine Mannschaft zusammenzustellen. Vier müssen dabei aus der eigenen Jugend stammen, weitere vier müssen zumindest für einige Jahre im italienischen Jugendsystem ausgebildet worden sein. Dementsprechend wird Audero gemeldet, obwohl er eigentlich als U21-Spieler frei von dieser Regelung wäre, doch anders würde Juventus die vier Spieler aus der eigenen Jugend nicht erreichen. Ein Faktor, den es auch im weiteren Verlauf der Kaderanalyse zu beachten gilt.

Innenverteidigung: Leonardo Bonucci, Medhi Benatia, Giorgio Chiellini, Daniele Rugani, Andrea Barzagli

BBC steht nicht nur bei Real Madrid auf dem Platz und gewann im letzten Jahr die Champions League, BBC schnürt auch regelmäßig die Schuhe für Juventus Turin. Die Kombination aus Bonucci, Chiellini und Barzagli war in der letzten Saison absolut unantastbar und wurde nur in den seltensten Fällen - meist Sperren oder Verletzungen - aufgehoben.

Die Abwehr ist erfahren und gehört zu den besten der Welt. Drei beinharte Verteidiger, die schon alles gesehen haben und so auch bei der EURO 2016 bestens harmonierten. Doch im Sommer fügte Juventus dem BBC ein weiteres B hinzu und stellte mit Benatia vom FC Bayern München einen weiteren Verteidiger an, der gut ins Profil passt.

Mit 29 Jahren ist er etwas jünger als die Konkurrenten Barzagli (35) und Chiellini (31), dafür aber ebenso erfahren und körperlich robust. Bleibt er von Verletzungen befreit, ist durchaus davon auszugehen, dass er seine Einsätze bekommen wird. Am wahrscheinlichsten für Barzagli, dessen hohes Alter ihm manche Pause verschaffen wird.

Nummer fünf im Bunde ist Daniele Rugani. Der 22-Jährige ist ein ordentlicher Backup und kommt dazu aus der eigenen Jugend. Langfristig soll er auf jeden Fall einen Platz in der ersten Mannschaft finden, vorerst heißt es aber zusehen. Zumindest in den meisten der Fälle.

Linksverteidiger: Patrice Evra, Alex Sandro, Paolo De Ceglie

Als Patrice Evra von Manchester United zu Juventus Turin wechselte, zeigten sich viele skeptisch. Es bleibt allerdings festzuhalten: Die Karriere des 35-jährigen Franzosen fand nochmals neuen Schwung und so scheint auch in dieser Saison einem erneuten Aufwind nichts entgegen zu stehen. Evra beackert die linke Seite noch immer wie eh und je und scheint nicht viel von seinen Qualitäten eingebüßt zu haben.

Im Normalfall führt also nichts vorbei am Franzosen, womit die Rollen klar verteilt wären. Alex Sandro ist der Ersatz für Evra, sollte dieser jemals fehlen oder eine Pause brauchen. Alex Sandro ist mit 25 Jahren ein ganzes Jahrzehnt jünger, bringt aber sehr ähnliche Anlagen mit. Gut möglich, dass sein Konkurrent gelegentlich eine Zwangspause verordnet bekommt, um einerseits Sandro bei Laune und Evra fit zu halten.

Keine Chance scheint dagegen Paolo De Ceglie zu haben. Zuletzt wurde er an Olympique Marseille verliehen, derart überzeugen, dass er gegen Evra oder Sandro eine Chance haben würde, konnte er nicht. Trotz Vergangenheit in der Juventus-Jugend scheint ein Verbleib angesichts der 25-Mann-Grenze momentan undenkbar.

Schon in den Testspielen wurde der 29-Jährige komplett ignoriert. Aus Frankreich brachte er also nicht viel mehr mit, als die zweifelhafte Ehre, zum schlechtesten Spieler der Ligue-1-Saison gewählt worden zu sein. Fraglich, wie es in seiner Karriere weitergeht, im Dress der Bianconeri wird man ihn zumindest nicht mehr sehen.

Rechtsverteidiger: Daniel Alves, Stephan Lichtsteiner, Joel Untersee, Federico Mattiello

Nicht viel anders wird es Joel Untersee und Federico Mattiello gehen. Beide sind zu alt, um in die unregulierte U21-Abteilung zu fallen, beide sind weit entfernt vom Niveau ihrer internen Konkurrenten. Das ist allgemein in der kommenden Saison unglaublich hoch, hat Juventus doch mit Alves und Lichtsteiner zwei der Top-Rechtsverteidiger der Welt im Kader stehen.

Alves zog es ablösefrei vom FC Barcelona nach Turin, den Italienern spielte die Abenteuerlust des Brasilianers in die Karten. Doch das deutet bereits an: Er will mit 33 Jahren nochmals etwas anderes sehen und mit einer Laufzeit bis 2018 ist sein Vertrag nicht gerade langfristig angesetzt. Es ist und bleibt eine Oldie-Abwehr, die Juventus stellt.

Daran ändert auch Lichtsteiner nichts. Der Schweizer hat 32 Jahre auf dem Buckel. Diese merkt man ihm auf dem Platz nur bedingt an und doch dürfte sich Juventus bald nach frischem Blut auf der rechten Außenbahn umsehen. Juan Cuadrado ist dafür ein Kandidat, ebenso aber aber Mattia De Sciglio vom AC Milan.

Sollten die Vertragsverhandlungen mit Lichtsteiner scheitern, könnte sich Juventus noch in diesem Sommer zum Verkauf entscheiden, ehe das Arbeitspapier im Sommer 2017 ausläuft. Glaubt man Sky Italia, würde dann bald ein 20-Millionen-Angebot bei Milan für De Sciglio hineinflattern. Doch wahrscheinlicher scheint derzeit eine Verlängerung und damit eine Verschiebung des Problems auf den nächsten Sommer.

Defensives Mittelfeld: Mario Lemina, Mauricio Isla, Rolando Mandragora, Luca Marrone, Claudio Marchisio, Sami Khedira, Stefano Sturaro, Kwadwo Asamoah, Ouasim Bouy

Namen lesen und durchzählen. Neun Spieler hat Juventus Turin im defensiven Mittelfeld zur Verfügung, darunter Namen wie Claudio Marchisio oder Sami Khedira. So. Und trotzdem besteht hier womöglich die größte Baustelle des Kaders, denn die neun Namen lassen sich schnell reduzieren.

Da wäre Mauricio Isla, der zuletzt an Olympique Marseille verliehen war und dort, im Gegensatz zu Mario Lemina, nicht den Eindruck hinterließ, Juventus bei seiner Rückkehr verstärken zu können. Der Chilene wird Turin verlassen müssen, findet sich dabei aber in bester Gesellschaft wieder. Neben Isla steht auch Bouy auf der definitiven Abschussliste.

Manch einer wird den Marokkaner noch aus der Bundesliga kennen, doch seit dem Gastspiel beim Hamburger SV hat sich nicht viel geändert an seiner Situation. Bouy pendelt von Leihe zu Leihe und wird sich mit bald endendem Vertrag im Juli 2017 allerspätestens nach einem neuen Verein umsehen.

Mandragora fällt mit 19 Jahren nicht in die Kaderregulierung und ließ während seiner Leihe bei Pescara gute Ansätze erkennen. Wenn es keine Leihe wird, kann er sich ein paar wenige Einsätze ausrechnen. Dafür muss er aber an Sturaro und Asamoah vorbei, die ebenfalls als Ersatzspieler in die Saison gehen dürften.

Blieben noch Claudio Marchisio und Sami Khedira, die das Starterpaar bilden dürften. Dahinter wartet direkt Lemina, der schon im letzten Jahr von Marseille ausgeliehen worden war. Luca Marrone ist ein weiterer im Klub ausgebildeter Spieler und kann aufgrund seiner Vielseitigkeit auch in der Defensive eingesetzt werden. Spieler wie er füllen den Kader.

Dennoch soll noch Verstärkung her nach dem Abgang von Paul Pogba Richtung Manchester United. Die Namen, die derzeit kursieren sind durchaus nicht zu verachten: Luiz Gustavo (VfL Wolfsburg), Nemanja Matic (FC Chelsea), Alex Witsel (Zenit St. Petersburg) und Blaise Matuidi (PSG).

Offensives Mittelfeld: Miralem Pjanic, Roberto Pereyra, Hernanes

Deutlich spärlicher sieht da die Besetzung im offensiven Mittelfeld aus. Miralem Pjanic ist dort der Stareinkauf schlechthin, er wird ohne Frage eine Schlüsselrolle in der Saison der Bianconeri einnehmen. Für 32 Millionen Euro vom AS Rom gekommen, wird der Bosnier fortan die Fäden hinter der Abwehr ziehen.

Echte Konkurrenz hat er dabei nur bedingt. Roberto Pereyra ist ein vielseitiger Spieler, der bei Trainer Allegri dementsprechend immer eine Stein im Brett hat. Anders dagegen sieht es bei Hernanes aus. Im letzten Jahr noch einer der wichtigeren Einkäufe im Sommer, würde man sich inzwischen gerne wieder vom Brasilianer trennen.

Nie konnte er das von ihm geforderte Niveau erreichen, mit Pjanic wurde sein Nachfolger bereits verpflichtet. Hernanes ist ohne Zweifel auf dem Markt, besonders wenn man sich die Kaderrestriktionen besieht, die einen Abschied aus den vier Namen Sturaro, Asamoah, Pereyra und Hernanes nahe legen.

Angriff: Marko Pjaca, Mario Mandzukic, Simone Zaza, Paulo Dybala, Gonzalo Higuain, Mame Thiam

Die einfachste Personalie vielleicht vorweg: Mame Thiam wird Juventus verlassen. Der Senegalese erhielt keine Rückennummer und spielt damit nicht die geringste Rolle in den Plänen von Allegri. Danach wird es allerdings ganz, ganz schwer. Während der Trainer selbst immer wieder betont, wie zufrieden er mit der Offensive ist, dürfte ihm doch auch bewusst sein, dass es schwer bis unmöglich wird, alle bei Laune zu halten.

Marko Pjaca macht es ihm verhältnismäßig noch leicht. Der Neuzugang aus Kroatien ist einer derer, die nicht registriert werden müssen, da er die Altersgrenze so eben noch kratzt. Dazu kann er, wie Allegri betont, mehrere Positionen spielen und soll phasenweise auch im offensiven Mittelfeld für Miralem Pjanic zum Einsatz kommen. Auch Einsätze auf den Flügeln sollen nicht unmöglich sein.

Bleibt allerdings die Frage nach der Besetzung im wirklichen Sturm weiterhin ungeklärt. Gonzalo Higuain wird nach seinem 90-Millionen-Transfer kaum auf der Bank Platz nehmen, Paulo Dybala nach seiner letzten Saison und den Leistungen in der Vorbereitung ebenfalls nicht.

Doch wie bewegt man dann Mario Mandzukic und Simone Zaza dazu, sich auf die Bank zu setzen? Die Antwort dürfte in der Dreifachbelastung gefunden werden, die schlicht Pausen für die Stammbesetzung voraussetzt. Mandzukic bringt dann eine deutlich höhere Präsenz im Strafraum mit, etwa gegen kleine Mannschaften aus der Serie A TIM, die sich im eigenen Sechzehner verschanzen.

In der Vorbereitung zeigte sich immer wieder das Muster Halbraumflanke Alves auf Mandzukic, Ablage Mandzukic auf Dybala, Dybala Schuss aufs Tor. Nur eine von vielen Möglichkeiten, die sich dem Team mit dieser Qualität und Quantität anbieten wird. Wenn irgendetwas das Prunkstück Abwehr noch in den Schatten stellt, dann ist es die Offensive.