Die Jagd ist eröffnet

Nino Duit
18. August 201621:44
Wer kann Juventus Turin im Kampf um den Scudetto gefährlich werden?getty
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Fünf Mal in Folge sicherte sich Juventus Turin zuletzt den Titel in der Serie A TIM. Vier Klubs schicken sich nun an, die Alte Dame vom Thron zu stoßen. Der SSC Neapel will Rache für den Higuain-Transfer nehmen, der AS Rom vertraut auf eine spezielle Taktik auf dem Transfermarkt, Inter kämpft um seinen Kapitän und beim AC Milan bricht eine neue Ära an.

SSC Neapel

Die wichtigsten Zugänge: Arkadiusz Milik (Ajax / 32 Mio.), Piotr Zielinski (Udinese / 14 Mio.), Lorenzo Tonelli (Empoli /10 Mio.), Emanuele Giaccherini (Sunderland / 1,5 Mio.)

Die wichtigsten Abgänge: Gonzalo Higuain (Juventus / 90 Mio.)

Auftakt: Pescara (A), Milan (H), Palermo (A), Bologna (H), Genua (A)

Letzte Saison: Platz 2 (80:32 Tore, 82 Punkte)

Es hätte doch alles so schön sein können. In der vergangenen Saison führte Napoli lange die Tabelle an und kam Juventus gefährlich nahe. So nahe, wie seit 1990 nicht mehr. Damals ging Diego Armando Maradona noch für den SSC auf Torejagd. Er wischte dem Norden eins aus, er verwandelte Neapel in ein Jubelmeer und holte den Scudetto in den Süden.

Als sein legitimer Nachfolger wurde zuletzt Gonzalo Higuain betrachtet. Wie Maradona ist er Argentinier und wurde von den Fans fast genauso angehimmelt wie die Vereinslegende selbst. Higauin schoss Neapel mit 36 Tore in 35 Spielen auf Rang zwei. In dieser Saison sollte es dann endlich klappen, Juve vom Thron zu stoßen. Mit den Treffern von Higuain.

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Und dann das. Zynisch riss ausgerechnet das verhasste Juve selbst dem SSC Neapel sein emotionales Herz heraus und verpflichtete Higuain. Die Reaktionen darauf waren sogar für das chronisch hysterische Neapel ziemlich hysterisch. Hass und Wut in neuen Dimensionen.

Nüchtern betrachtet ist dieser Wechsel aber nicht die absolute Tragödie, als die sie dargestellt wird. Relativ geräuschlos holte Napoli für ein knappes Drittel der Higuain-Millionen mit Arkadiusz Milik einen ebenso jungen und entwicklungsfähigen wie treffsicheren Stürmer als Nachfolger. Der 22-jährige Pole erzielte in der vergangenen Saison 21 Ligatreffer für Ajax.

In der 4-3-3-Formation von Trainer Maurizio Sarri wird Milik Higuain als Stoßstürmer ersetzen. Systembedingte Auswirkungen hat der Transfer von Higuain somit keine. Der Rest des perfekt eingespielten Teams, das sich größtenteils im besten Fußballeralter befindet, blieb zusammen. Es hat die Philosophie von Trainer Sarri - anders als zum Beginn der vergangenen Saison - mittlerweile gänzlich verinnerlicht. Der einzige Unterschied ist, dass der Zielspieler nicht ganz so prominent ist, nicht 1,84 m groß sondern 1,86 m, aus Polen statt aus Argentinien kommt und nicht auf den Namen Higuain, sondern Milik hört.

In den restlichen Mannschaftsteilen verstärkte sich Napoli mit Serie-A-TIM-erfahrenen Akteuren in der Breite. Für das Mittelfeld kam Piotr Zielinski von Udinese, für die Flügel Emanuele Giaccherini von Sunderland und für die Innenverteidigung Lorenzo Tonelli von Empoli.

Prognose: Obwohl Napoli mit Higuain seinen Top-Torjäger verloren hat, wurde das Team nicht unbedingt schwächer. In der Breite sogar besser. Higuain-Nachfolger Milik wird sicherlich Eingewöhnungszeit benötigen, in einem perfekt eingespielten Kollektiv sollte dies aber nicht allzu lange dauern. Juve verlor mit Paul Pogba seinen Taktgeber und erscheint schlagbarer als zuletzt. "Jeder von uns hat Träume. Wir leben von Träumen und spielen auch, um sie zu vollenden", sagt Mittelfeldmotor Jorginho. Welcher Traum er meint, weiß jeder. Nach 27 Jahren könnte es wieder so weit sein.

Alles zum SSC Neapel

AS Rom

Die wichtigsten Zugänge: Gerson (Fluminense / 16,6 Mio.), Mohamed Salah (Chelsea / 15 Mio., war ausgeliehen), Stephan El Shaarawy (Milan / 13 Mio., war ausgeliehen), Edin Dzeko (Manchester City / 11 Mio., war ausgeliehen), Diego Perotti (Genua / 9 Mio.), Antonio Rüdiger (Stuttgart / 9 Mio., war ausgeliehen), Alisson (Internacional / 8 Mio.), Juan Jesus (Inter / Leihgebühr 2 Mio.), Federico Fazio (Tottenham / Leihgebühr 1,2 Mio.), Thomas Vermaelen (Barcelona / kostenlose Leihe)

Die wichtigsten Abgänge: Miralem Pjanic (Juve / 32 Mio.), Adem Ljajic (Torino / 8,5 Mio.), Dodo (Inter / 7,8 Mio, war verliehen), Lucas Digne (Paris / war ausgeliehen)

Auftakt: Udinese (H), Cagliari (A), Sampdoria (H), Florenz (A), Crotone (H)

Letzte Saison: Platz 3 (83:41 Tore, 80 Punkte)

Mohamed Salah, Stephan El Shaarawy, Edin Dzeko, Antonio Rüdiger - die Zugänge der Roma lesen sich äußerst vielversprechend. Hat aber auch einiges gekostet, das Quartett. 48 Millionen Euro legte AS auf den Tisch. Einzig: Verstärkungen sind sie für die Mannschaft keine, denn sie alle kickten auch schon in der vergangenen Saison für die Roma.

Viele Vereine nutzen Leihen, um junge Talente zu testen. Wirklich tragende Säulen, die lediglich ausgeliehen sind - Schlüsselspieler auf Zeit praktisch -, sind bei internationalen Top-Vereinen dagegen äußerst rar. Die Roma betreibt diese Transferpolitik exzessiv wie kaum ein anderer Klub. Mit Salah (14), Dzeko (acht) und El Shaarawy (acht) waren drei der vier gefährlichsten Schützen der vergangenen Serie-A-TIM-Saison lediglich geliehen. Nun nahm AS eben Geld in die Hand, um sie zu binden.

Darüber hinaus wurde die Defensive mit Tormann Alisson und den beiden renommierten Innenverteidigern Federico Fazio und Thomas Vermaelen verstärkt. Der nominelle Stammkeeper Wojciech Szczesny stimmt all das positiv: "Ich glaube, dass es in der Liga einen Zweikampf zwischen Juve und der Roma geben wird."

Das Gros der letztjährigen Startelf von Trainer Luciano Spalletti wurde gehalten. Einzig Mittelfeldspieler Miralem Pjanic, den es für 32 Millionen Euro zu Juventus zog, muss ersetzt werden. Dieser Verlust soll in näherer Zukunft als Team abgefangen werden. Kritisch würde es einzig werden, sollte wie zuletzt spekuliert auch Radja Nainggolan den Verein verlassen.

Irgendwann soll dann Gerson in die durch Pjanic vakant gewordene Position im zentralen Mittelfeld hineinwachsen. 16 Millionen Euro investierte die Roma in den 19-jährigen Brasilianer. Ungemein talentiert soll er sein, Effizienz konnte er bisher aber noch nicht nachweisen. Eine Saison absolvierte Gerson in der brasilianischen Eliteklasse bisher für Fluminense. In 31 Spielen gelangen dem offensiven Mittelfeldspieler ein Treffer und vier Assists. Die Bilanz von Pjanic in der vergangenen Saison: zehn Treffer und zwölf Assists.

Prognose: Am 24. Januar war es, als die Roma bei Juventus zu Gast war und mit einer 0:1-Pleite wieder heimfahren musste. Seitdem marschierte AS durch die Liga, blieb mit lediglich drei Remis und 14 Siege ungeschlagen, erklomm Platz drei und fing fast auch noch Napoli ab. Kurz: Die Roma befand sich in der vergangenen Rückrunde in hervorragender Form. Nun stellt sich die Lage ähnlich dar wie bei Verfolger-Kollege Napoli: Ein wichtiger Spieler ist nach Turin gewechselt, der Rest des Teams blieb zusammen und ist eingespielt. Keine schlechte Ausgangsposition im Kampf um den Scudetto.

Alles zum AS Rom

Inter Mailand

Die wichtigsten Zugänge: Antonio Candreva (Lazio / 22 Mio.), Dodo (Roma / 7,8 Mio., war ausgeliehen), Christian Ansaldi (Genua / 6 Mio.), Marcelo Brozovic (Dinamo Zagreb / 5 Mio., war ausgeliehen), Ever Banega (Sevilla / ablösefrei), Caner Erkin (Fenerbahce / ablösefrei)

Die wichtigsten Abgänge: Juan Jesus (Roma / Leihgebühr 2 Mio.), Adem Ljajic (Roma, von dort Torino / war ausgeliehen)

Auftakt: Chievo (A), Palermo (H), Pescara (A), Juventus (H), Empoli (A)

Letzte Saison: Platz 4 (83:41 Tore, 67 Punkte)

Mauro Icardi. Ein Name, der die Transferspekulanten der breiten italienischen Sportpresse-Landschaft in diesem Sommer seit Wochen in Verzückung versetzt. Wenn mal noch ein paar Seiten zu füllen sind, kein Problem. Um Icardi darf immer spekuliert werden. Napoli, Tottenham, Arsenal, Chelsea - jeder Verein, der was auf sich hält, wurde in diesem Sommer bereits mit einem Icardi-Transfer in Verbindung gebracht.

Mitte August ist der Argentinier aber immer noch Kapitän von Inter Mailand. Die Vereinsverantwortlichen wollen ihn unter allen Umständen halten. Sie wollen ein Team um den Stürmer aufbauen, das in den kommenden Jahren um den Titel mitspielen kann und so an die glorreiche Zeit zwischen 2005 und 2010 anknüpfen. Damals holte Inter fünf Titel in Serie.

Bei drei dieser Meisterschaften stand Roberto Mancini an der Seitenlinie, 2014 wurde er zurückgeholt. Der Erfolg stellte sich jedoch nicht wieder ein - im Laufe der aktuellen Saisonvorbereitung trennten sich Klub und Trainer einvernehmlich. Differenzen bezüglich der Transferpolitik, so der Grund.

Mit Frank de Boer holte sich Inter einen umworbenen Trainer als Nachfolger. Viermal gewann de Boer mit Ajax Amsterdam bereits die niederländische Meisterschaft, jetzt sah er sich bereit für den Sprung in eine große Liga.

Der kurzfristige Einstieg birgt aber durchaus Risiken. De Boer übernimmt eine Mannschaft, die nicht von ihm zusammengestellt wurde. Es wird wohl dauern, bis die Spieler seine Philosophie verinnerlicht haben. Vereinslegende Javier Zanetti konnte die Handschrift des neuen Trainers nach einem 2:0-Testspielsieg gegen Celtic aber bereits erkennen: "Die Jungs haben sofort das auf den Platz gebracht, was Frank möchte: Protagonisten in jeder Partie zu sein."

Das liest sich ebenso vielversprechend wie die Tatsache, dass es Inter (bisher) schaffte, seine Leistungsträger zu halten. Mit Antonio Candreva und Ever Banega verstärken sogar zwei spannende Spieler den Kader.

Speziell Banega könnte zum Taktgeber der Mailänder werden. Zuletzt gewann der Argentinier mit dem FC Sevilla zweimal in Folge die Europa League. Inter schaffte es, den ballsicheren Mittelfeldspieler ablösefrei zu verpflichten. Nun soll er Ivan Perisic und Candreva mit Zuspielen füttern. Und natürlich Icardi. Sofern er denn bleibt.

Prognose: Inter verstärkte seine Mannschaft sinnvoll und scheint für die kommende Saison gerüstet. Der Trainerwechsel in der Vorbereitung ist eine Unwägbarkeit. Der Saisonverlauf wird stark davon abhängen, wie schnell de Boer seine Ideen wird vermitteln können. Für einen ernsthaften Angriff auf Juventus reicht das Potenzial wohl noch nicht aus, die langersehnte Rückkehr in die Champions League ist aber durchaus möglich.

Alles zu Inter Mailand

AC Milan

Die wichtigsten Zugänge: Gianluca Lapadula (Pescara / 9 Mio.), Gustavo Gomez (Lanus / 8,5 Mio.), Jose Ernesto Sosa (Besiktas / 7,5 Mio.)

Die wichtigsten Abgänge: Stephan El Shaarawy (Roma / 13 Mio., war verliehen), Jeremy Menez (Bordeaux / ablösefrei), Kevin-Prince Boateng (Las Palmas / ablösefrei), Alessandro Matri (Sassuolo / ablösefrei, war verliehen), Fernando Torres (Atletico Madrid / ablösefrei, war verliehen). Mario Balotelli (Liverpool / war ausgeliehen), Philippe Mexes (vereinslos), Alex (vereinslos)

Auftakt: Torino (H), Napoli (A), Udinese (H), Sampdoria (A), Lazio (H)

Letzte Saison: Platz 7 (49:43 Tore, 57 Punkte)

Kurz nachdem Silvio Berlusconi den AC Milan 1986 kaufte, beendete der Klub die Saison als Tabellensiebter. Nun, knapp 30 Jahre später, war Milan in der Endabrechnung wieder auf Rang sieben angekommen. Und Berlusconi sagte: "Ich habe den AC Milan verkauft." Worte, die einen der größten Einschnitte der Vereinsgeschichte besiegelten.

Unter Berlusconi und dank seiner finanziellen Zuwendungen gewann Milan etliche Meisterschaften. Fünf Mal erklommen die Mailänder auch den europäischen Gipfel, holten den Landesmeistercup und später die Champions League. Im Sommer 2016 beginnt nun eine neue Ära. Chinesische Investoren wollen den großen AC zu altem Glanz verhelfen.

Im aktuellen Kader ist von Glanz jedoch wenig bis nichts zu sehen. Künftig glänzen nicht einmal mehr die Ohrringe eines Mario Balotelli oder Kevin-Prince Boateng. Die extrovertierten Stars verließen den Verein. Statt großer Namen soll es in Zukunft große Taten zu bewundern geben.

"Ich habe von ihnen Investitionen über 400 Millionen Euro in zwei Jahren verlangt", sagte Berlusconi über die neuen Eigentümer. Mit einer Transfer-Großoffensive des AC ist also zu rechnen. In diesem Wechselfenster tat sich bisher jedoch nur wenig. Besser gesagt: So gut wie nichts.

Die prominenteste Personalie betrifft den Trainerposten. Mit Vincenzo Montella übernahm der sechste Trainer innerhalb von zwei Jahren die Mannschaft. Nach Engagements bei der Roma, Catania, Florenz und Sampdoria verfügt er immerhin über reichlich Serie-A-TIM-Erfahrung.

Auf dem Spieler-Transfermarkt herrscht dagegen weitestgehend Flaute. Der prominenteste Neuzugang ist Jose Ernesto Sosa von Besiktas, der vielversprechendste wohl Gianluca Lapadula. In der vergangenen Saison schoss der 26-jährige Stürmer Pescara mit 27 Treffern und elf Assists zum Aufstieg. Bei Milan soll er gemeinsam mit dem einzig verbliebenen Star Carlos Bacca für Treffer sorgen. Der Kolumbianer will das internationale Geschäft erreichen, mit dem Titel zu kokettieren, traut er sich nicht: "Mein Wunsch ist es, mit dem schwarzroten Trikot in Europa zu spielen."

Milan - das ist derzeit ein Verein in der Schwebe zwischen ruhmreicher Vergangenheit, trostloser Gegenwart und möglicherweise vielversprechender Zukunft. Alles hängt von den neuen Investoren und ihrem Willen, den Verein auf Vordermann zu bringen, ab.

Prognose: Wie in den vergangenen Jahren lebt der AC Milan auch in dieser Saison vorrangig von seinem großen Namen. Mit der aktuellen Mannschaft kann Juventus nicht gefährdet werden, eine Champions-League-Qualifikation käme schon einer Sensation nahe. Womöglich wird das Team aber noch kostspielig verstärkt, dann ist Vieles möglich.

Alles zum AC Milan