Franck Ribery wird schon nach zwei Tagen in Florenz als Legende verehrt. Der Hype um seinen Wechsel überdeckt die hohen Erwartungen an ihn. Zwar birgt das Engagement des 36-Jährigen bei der Fiorentina ein Risiko, die Chancen sind aber noch viel größer - nicht nur für Ribery und Florenz.
SPOX blickt aus drei verschiedenen Blickwinkeln auf den Wechsel.
Franck Riberys Wechsel aus der Perspektive des Franzosen
Zweite spanische Liga bei 40 Grad Celsius in der Weltmetropole Doha - für sieben Millionen Euro jährlich. So beschrieb ein gewisser Xavi einst sein Dasein als Fußball-Rentner bei Al Sadd. Ribery hätte es sich ähnlich bequem machen können.
Doch das kam für ihn nie in Frage. Eher hätte er seine aktive Karriere wie Arjen Robben beendet und wäre mit seiner Familie in München geblieben. Am Mittwoch aber unterschrieb Ribery einen Zweijahresvertrag beim italienischen Erstligisten AC Florenz. Einen Tag darauf sagte er auf seiner ersten Pressekonferenz als Firenzer: "Fußball ist mein Leben, ich liebe diesen Sport und deshalb habe ich mich entschieden, in Europa zu bleiben."
Mit seinen 36 Lenzen beginnt Ribery eine neue Herausforderung - und das ist der Wechsel nach Florenz allemal. Die Hoffnungen, die Fans und Klub-Verantwortliche in die Bayern-Legende setzen, sind hoch. Das spricht für den Ehrgeiz des Routiniers. Doch kann der Franzose diesen Erwartungen überhaupt noch gerecht werden?
Ribery beschreibt Empfang als "außergewöhnlich"
Fiorentina-Trainer Vincenzo Montella bezeichnete Ribery nach dessen erster Trainingseinheit als "etwas eingerostet". Reißt Ribery seinen Legenden-Status nach seiner Ära beim FC Bayern nun unnötig ein? Vielleicht. Davon ist aber nicht auszugehen. Dass der Flügelstürmer immer noch den Unterschied machen kann, zeigte er nicht zuletzt bei seinem letzten Tor für die Bayern. Zudem arbeitet er von Jahr zu Jahr härter und disziplinierter, achtet akribisch auf seinen Körper. Sein Kumpel und Bayern-Physio Gianni Bianchi bezeichnete Ribery jüngst als "Kriegsmaschine".
Ribery geht es aber auch um den Spaß am Spiel, um Leidenschaft und Emotionen. Italien ist dabei nicht die schlechteste Wahl. Bei seiner Ankunft am Flughafen von Florenz wurde Ribery frenetisch umjubelt. "Das war sehr besonders, außergewöhnlich. Die Leidenschaft der Menschen erinnert mich an Marseille. Florenz ist eine Stadt, die den Fußball lebt. Das treibt mich noch mehr an, alles für die Fiorentina zu geben", sagte er. Und das Wichtigste: Ribery kann seine Familie mit nach Italien nehmen, seine Frau Wahiba hat mitentschieden.
Franck Riberys Wechsel aus der Perspektive der Fiorentina
Seit dem 25. Juni beschäftigte sich Florenz mit einer möglichen Ribery-Verpflichtung. Die Idee beruhte auf dem Rat des ehemaligen Fiorentina- und Bayern-Knipsers Luca Toni. "Er riet mir, mich auf Franck Ribery zu konzentrieren", verriet Viola-Sportdirektor Daniele Prade.
Bis zur letztlichen Vertragsunterschrift verstrichen 57 Tage, fast zwei Monate - eine lange Zeit. Dass Florenz diesen Prozess mitmachte und so viel Energie in den Transfer investierte, zeugt von der Wertschätzung für Ribery, die letztlich den Unterschied ausmachte: "Ich habe viel Motivation und Vertrauen gespürt."
Was sich die Viola von einem 36 Jahre alten Fußballer erwartet, ist klar: Erfahrung, spielerische Klasse und ein wenig Glamour. "Ribery wird sein Charisma und seine Persönlichkeit einbringen und an die jungen Spieler weitergeben, deshalb haben wir ihn geholt", sagte Prade. Das Risiko geht gleich Null, schließlich kostete der Routinier keinen Cent Ablöse.
Mit Ribery, Kevin-Prince Boateng und Milan Badelj (einst beim HSV unter Vertrag) holte Florenz drei Ü30-Spieler. Dennoch ist es der zweitjüngste Kader der Serie A. In der Vorsaison kam die Fiorentina im Schnitt sogar noch rund drei Jahre jünger daher.
So jung und talentiert der Kader aber auch war, so unerfahren war er. Prades Auftrag für diesen Transfersommer war es deshalb, Reife in die Mannschaft zu bringen. Die fehlte der Viola spürbar. Drei Punkte trennten ACF vom Abstieg. Nach dieser Horror-Saison als Tabellensechzehnter will Florenz mit der richtigen Mischung aus Talent und Erfahrung wieder ins obere Tabellendrittel - und wenn möglich, sogar nach Europa. "Dieser Klub hat große Ambitionen und ich hoffe, wir landen unter den ersten drei oder fünf", sagte Ribery.
SPOXRibery und Boateng für mehr Spiel- und Teamkultur
Mit Boateng und Ribery soll wieder mehr Spielkultur im Stadio Artemio Franchi etabliert werden, und mehr Teamkultur abseits des Platzes. Das ist auch wichtig, um das Supertalent in den eigenen Reihen zu halten: Federico Chiesa. Dem war die sportliche Talfahrt sowie die miese Stimmung im Verein anzumerken, in Italien gingen viele Experten von einem Wechsel in diesem Sommer aus. Durch die Ankunft von Ribery und Boateng könnte der 22-Jährige schnell wieder seinen Spaß am Fußball finden.
Sofort helfen kann Ribery aber nicht: "Ich habe viel allein trainiert, aber nicht mit dem Team und das ist etwas anderes. Ich fühle mich gut in meinem Körper und meinem Kopf, aber ich bin noch nicht bereit. Ich brauche noch ein paar Tage, um in Form zu kommen."
Franck Riberys Wechsel aus der Perspektive des FC Bayern
Was die Bayern hier zu suchen haben? Nun, der deutsche Rekordmeister bleibt auf ewig mit dem Namen Ribery verbunden. Vor den Transfers von Ivan Perisic und Philippe Coutinho war der Franzose immer wieder ein Thema. Hätte man ihm nicht doch noch ein Vertragsjahr zugestehen sollen? Er kann als Rollenspieler ja immer noch wichtig sein.
Wie Physiotherapeut Bianchi im Interview mit Gianluca Di Marzio von Sky Italia verriet, hatte Ribery sogar ein solches Angebot vom FC Bayern vorliegen. Er lehnte es jedoch ab, zu klein war ihm die angebotene Rolle hinter Kingsley Coman und Serge Gnabry - der ehrgeizige und stolze Ribery eben.
Nicht ohne Grund betonte der 36-Jährige auffällig oft, wie wichtig ihm der Zweijahresvertrag bei der Fiorentina sei. Der "Film FC Bayern", von dem Ribery bei seinem emotionalen Abschied sprach, sei aber noch nicht vorbei. Ribery kann sich einen Job beim deutschen Rekordmeister vorstellen, etwa als Sportkoordinator, "um einen Trainer zu unterstützen, mit dem ich gut auskomme".
imago imagesFederico Chiesa mithilfe von Ribery zum FC Bayern?
Riberys Verbundenheit zum FC Bayern ist ungebrochen. Genau das birgt bei seinem neuen Abenteuer in Florenz auch eine kleine Chance für den FC Bayern. Für die Münchner ist Chiesa noch immer ein wahnsinnig interessanter Spieler. Wer könnte da bessere Worte für den FC Bayern einlegen als Ribery?
Möglicherweise lotst der Franzose das italienische Supertalent nach München - so wie es Luca Toni mit Ribery jetzt machte. Zu diesem Zeitpunkt ist es ein Gedankenspiel. Aber aus dem Blickwinkel des FC Bayern stellt Riberys Wechsel zumindest auch eine kleine Chance dar.