Ibrahimovic zurück beim AC Milan: Das letzte Kapitel der Zlatan-Story?

Von Stefan Petri
Von 2010 bis 2012 stürmte Ibrahimovic schon einmal für den AC Milan.
© getty

Zlatan Ibrahimovic kehrt zurück in die Serie A, am Freitag wird er beim AC Mailand vorgestellt: Das Abenteuer MLS ist beendet, mit nunmehr 38 Jahren will es der Schwede noch einmal in Europa wissen. Ob er an die Erfolge vergangener Tage anknüpfen kann, ist fraglich. Dennoch ist es ein Unterfangen ohne großes Risiko - für beide Seiten.

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Es könnte nicht viel schlechter laufen beim AC Milan. Glanz und Gloria vergangener Tage sind verblasst, die Paolo Maldinis und Pippo Inzaghis nur noch eine schöne Erinnerung. Der letzte Meistertitel datiert aus der Saison 2010/11, zuletzt machte man nur noch als Chaos-Klub von sich reden: Financial-Fairplay-Verstöße, Ausschluss aus der Europa League, sportliche Bedeutungslosigkeit. Mit Marco Giampaolo hat man in dieser Saison bereits einen Trainer entlassen, Nachfolger Stefano Pioli ist noch schlechter.

Und zu allem Übel hat Stadtrivale Inter wieder eine Spitzenmannschaft aufzuweisen. Die Blauen sicherten sich mit 42 Punkten die Herbstmeisterschaft vor Juve - Milan ist mit 21 Zählern bei kümmerlichen 16 erzielten Toren gerade einmal halb so gut.

Was liegt da näher, als nach einem Heilsbringer Ausschau zu halten. Einem vertrauten Gesicht, dass an bessere Tage erinnert, und sich selbst mit einer "Platz-da-hier-komm-ich"-Mentalität regelmäßig als Messias und Lichtgestalt inszeniert, wenig subtil zwar, aber ungeheuer effektiv.

AC Milan in der Krise - Ibrahimovic als Heilsbringer

Es dauerte eine Weile, bis beide Parteien zueinander fanden, obwohl Ibrahimovic seine Dienste in nahezu jede Himmelsrichtung feilbot und Milan eindeutig Verstärkungen im Angriff brauchte. "Je länger man spielt, desto härter wird es", zeigte sich Milan-Direktor Zvonimir Boban Mitte Dezember noch skeptisch, was eine Verpflichtung anging. "Er ist 38 und hat jetzt zwei Monate nicht gespielt." Er hoffe, dass der Schwede die richtige Entscheidung treffe - "auch für sich selbst." Man müsse die nächsten Spiele abwarten, Ibra sei "keine Lösung wie all die anderen."

In der Tat passte der eigentlich nicht zur ausgerufenen Transferstrategie in Milanello, die den klammen Kassen und den Financial-Fairplay-Problematiken geschuldet war: Auf die Jugend wollten Klubboss Ivan Gazidis und Co. setzen, wenn möglich keine Spieler über 25 verpflichten. Den Kader hatte man zu Beginn der Saison auf ein Durchschnittsalter von 25 Jahren und acht Monaten verjüngt, Platz zwei in der Liga.

Zu vielen Toren hatte das jedoch nicht geführt. Stammstürmer Krzystof Piatek steht bei vier Toren, Jungstar Rafael Leao hat gerade mal einen Treffer erzielt. Bei Transferflop Ante Rebic, von Eintracht Frankfurt gekommen, grüßt die Null. Und als Milan zwei Tage vor Heiligabend mit 0:5 in Bergamo unterging - die höchste Schlappe in diesem Jahrtausend - waren die Bedenken verflogen. Zumal Ibra von seinen hohen Gehaltsforderungen abrückte: Bis zum Saisonende soll er 3,5 Millionen Euro verdienen, dazu kommt eine erfolgsabhängige Option für die Spielzeit 2020/21.

Ibrahimovic-Transfer: Mailand kann nur gewinnen

Für Milan ist es ein Transfer ohne großes Risiko. Eine Klubikone kommt zurück in die Modemetropole, und es fühlt sich nach mehr an als nur PR-Coup. Von 2010 bis 2012 hatte Ibra für Milan gespielt, sein Penthouse in der Stadt soll er über die Jahre immer behalten haben. "Ich kehre zu einem Klub zurück, vor dem ich großen Respekt habe, und in die Stadt Mailand, die ich liebe", sagte er, und versprach, alles dafür zu tun, um die Wende zu schaffen.

Wie groß sein sportlicher Wert noch ist, wird sich herausstellen. Trainer Stefano Pioli wird ihm einige Wochen geben, um die nötige Matchfitness aufzubauen, über die Jokerrolle sollte er zumindest anfangs nicht hinauskommen. Alles, was darüber hinausgeht, wäre in den letzten Monaten ein Bonus. Für die Marketing-Abteilung des Klubs ist es ein Coup: Tickets, Trikots, Einschaltquoten - wo Zlatan ist, da ist das Interesse der Öffentlichkeit nicht weit.

Im schlimmsten Fall kommt er über die Rolle eines Einwechselspielers für die Schlussviertelstunde nicht hinaus, bleibt blass und die Wege der beiden Partien trennen sich im Sommer zum zweiten Mal ohne großes Aufsehen. Im besten Fall sorgt der Altmeister für spektakuläre Momente und Tore - und Zitate -, agiert im Training als leuchtendes Vorbild und nimmt Druck von der jungen Mannschaft.

Zlatan Ibrahimovic: Die Stationen seiner Karriere

ZeitVerein
01/1999 - 07/2001Malmö FF
07/2011 - 08/2004Ajax Amsterdam
08/2004 - 08/2006Juventus
08/2006 - 07/2009Inter Mailand
07/2009 - 08/2010FC Barcelona
08/2010 - 07/2012AC Mailand
07/2012 - 07/2016Paris Saint-Germain
07/2016 - 03/2018Manchester United
03/2018 - 01/2020Los Angeles Galaxy
ab 01/2020AC Mailand

Ibrahimovic in der Serie A: Wie ein älterer Cristiano Ronaldo

Und Zlatan Ibrahimovic selbst? Hat sich der Mann mit dem unerschöpflichen Selbstbewusstsein zu viel vorgenommen? Könnte sein Denkmal in Milan in einem halben Jahr ähnlich ramponiert sein wie das in seiner Heimat?

Unwahrscheinlich. Schließlich hat die Tatsache, dass es im Frühjahr 2018 nach mehreren Verletzungen nicht mehr für Manchester United reichte, nicht an seinem Mythos gekratzt, ebensowenig die zwei Saisons in relativer Anonymität in Los Angeles. Der Zlatan-Kult ist ungebrochen, er geht längst über die Leistungen auf dem Rasen hinaus.

Dass er auch dort abliefert, ist nicht auszuschließen, vorausgesetzt, er bekommt die nötigen Bälle serviert. Natürlich darf man keine Laufwunder erwarten, aber im Strafraum ist sein Abschluss immer noch exzellent, die Fitness des Taekwondo-Kämpfers legendär. In dieser Hinsicht erinnert er stark an Cristiano Ronaldo, auch wenn seine Karriere natürlich noch ein gutes Stück weiter fortgeschritten ist.

Der Vorteil der Serie A: Das Tempo ist bei weitem nicht so hoch wie in der Premier League. Der Nachteil: Die Abwehrreihen sind noch kompromissloser. Kann sich Ibrahimovic noch gegen die Chiellinis und Bonuccis dieser Welt durchsetzen? Wenn ja, ist es ein letzter Triumph in seiner glanzvollen Karriere. Wenn nicht, dürfte er sich im Juli in Richtung Katar oder Japan verabschieden, im Gepäck ein paar flotte Zlatan-Sprüche über Löwen und Lichtgestalten. Und die Fans werden lächeln und/oder mit den Augen rollen. Und hoffen, dass das letzte Kapitel der Zlatan-Story noch nicht auserzählt ist.