Der Hinweis war an der Stelle ganz gut angebracht. "Ich bin ein ganz normaler Mensch", sagte Alvaro Odriozola, als er am 20. Januar 2020 beim FC Bayern München vorgestellt wurde. Erst kam er im Privatjet in Oberpfaffenhofen bei München an, wurde dann mit einer knallroten Luxuskarosse zum Medizincheck gefahren. Als er dann am nächsten Tag im Medienstüberl an der Säbener Straße präsentiert wurde, schlüpfte der damals 24 Jahre alte Außenverteidiger in einen grauen Anzug samt weißem Hemd und weinroter Krawatte.
Es hatte was von 100-Millionen-Euro-Transfer, aber eigentlich holten die Bayern nur einen Backup für die rechte Abwehrseite. Und selbst um diese Backup-Rolle musste Odriozola dann kämpfen. 179 Minuten verteilt auf fünf Einsätze sprangen heraus. Da dauerten der Flug und die Anfahrt zum Medizincheck aus München mit dem Privatjet länger. Immerhin durfte er sich dann Triple-Sieger nennen und Fotos mit den Pokalen machen. Liest sich auch gut im Lebenslauf.
Odriozola hat viel gelernt von Joshua Kimmich
Wenn man Odriozola heute zuhört, sind aus der Zeit in München nicht nur Fotos geblieben. Zwar führte er als Ankömmling von Real Madrid ein Bouna-Sarr-Leben beim deutschen Rekordmeister, aber er lernte viel für die Zeit danach. "In der Defensive habe ich viel dazugelernt. Es ist ein neuer Odriozola", sagte er beispielsweise. Auch was die Mentalität angeht, gab es neue wertvolle Erfahrungswerte: "Ich habe vor allem von Joshua Kimmich, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe, gelernt - vor allem von seiner Mentalität. Er ist ein Mensch, der den Fußball mit einer unbeschreiblichen Leidenschaft lebt."
Die Aus- und Weiterbildung zum Mentalitätsmonster half sicher weiter, aber als Erfolg konnte Odrioziola die Bayern-Zeit dann doch nicht verbuchen: "Ich hätte mich gerne mehr als Protagonist gefühlt." Auch bei der Rückkehr zu Real Madrid blieb ihm die Statisten-Rolle: 829 Minuten Einsatz-Zeit in der Liga, obwohl Stamm-Rechtsverteidiger Dani Carvajal lange verletzt ausfiel.
Zinedine Zidane setzte auf den eigentlichen Rechtsaußen Lucas Vasquez. Die Höchststrafe für Odriozola folgte im Frühjahr 2021: Als auch Vasquez verletzt ausfiel, setzte Zidane im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Liverpool (0:0) auf Federico Valverde. Der Mittelfeldspieler aus Uruguay wurde in einem der wichtigsten Spiele der Saison kurzfristig umfunktioniert. Odriozola blieb der Bankplatz.
Ancelotti hielt ihm bei Real Madrid die Tür offen
Für den Basken ist der Kampf um seine Stellung nichts Neues. Bedenkt man, dass Odriozola erst mit 21 Jahren sein Debüt in der höchsten Spielklasse gab, weiß er, wie es ist, geduldig auf die Chance zu warten. Als es im Sommer den Trainerwechsel bei Real Madrid gab und Carlo Ancelotti den Posten übernahm, ergab sich eine Gelegenheit, sich erneut zu zeigen. Doch genau in dieser Phase wurde er positiv auf Corona getestet und war zwei Wochen raus. "In der wichtigsten Phase", wie er selbst sagt.
Bei der Rückkehr suchte Odriozola das Gespräch mit dem Trainer. "Ich habe gesagt, dass ich meine Qualitäten gerne einbringen würde. Ancelotti, den ich sehr schätze, sagte mir, dass er kein Problem hätte, wenn ich bleibe. Aber auch kein Problem, wenn ich gehen wollen würde." Eine Antwort, die man positiv aufnehmen kann - oder auch nicht. Odriozola wusste: "Es war klar, dass ich hier keine 30 Spiele machen werde."
Und Odriozola wollte erstmals Protagonist seines eigenen Schicksals werden und sein Glück nicht in die Hände anderer legen. "Niemand hat mich zu meiner Entscheidung gedrängt", sagt er. Odriozola forcierte einen Wechsel und sagte dann bei der AC Florenz zu: "Ich glaubte, dass ich hier auf meine Spiele komme und als Fußballer wachse." Die Entschlussfreudigkeit hat sich bezahlt gemacht. Der Spanier ist beim Traditionsklub gesetzt, obwohl er auch dort nicht außer Konkurrenz agiert.
Weniger Zeit für seine Pferde
Aber Trainer Vincenzo Italiano schätzt Odriozola, der tatsächlich in Sachen Defensivarbeit dazu gelernt hat und die Defizite, die man ihm beispielsweise auch beim FC Bayern attestierte, längst nicht mehr in dieser Form zeigt. Zum ersten Mal seit seiner Zeit in San Sebastian ist der inzwischen 26-Jährige ein Protagonist. Doch damit will er sich nicht zufriedengeben. "Ich hoffe, dass ich hier Erfolg habe und dann zu Real Madrid zurückkehre."
Bis 2024 ist der Vertrag bei den Königlichen noch datiert. Die Konkurrenzsituation in Madrid hat sich seither nicht großartig verändert. Nach wie vor ist Carvajal die Nummer eins, aber er ist auch nach wie vor anfällig für Verletzungen. Wieder sind es positionsfremde Spieler, die aushelfen, vor allem weiter Vasquez, der sich aber inzwischen rechts in der Viererkette auch recht wohlfühlt. Doch Odriozola wird sich im Sommer zumindest probieren, zumal die Fiorentina auch keine Kaufoption aushandelte.
Das einzige Problem beim Positivtrend der Fußballerkarriere. Es bleibt weniger Zeit für seine große Passion: die Pferde. Odriozola hat Pferde, die Rennen laufen. Ergibt sich die Gelegenheit, ist er vor Ort. "Das ist eine Obsession", sagt er. Bei Real Madrid fand er einst in Sergio Ramos und Gareth Bale gar Gleichgesinnte: "Gareth überlegt sich, ein Pferd zu kaufen." Große Erfolge konnte er auf der Rennbahn noch nicht feiern, wie man hört, aber Odriozola weiß selbst, dass es manchmal eben dauert.