Dynamo Moskau: Der russische BVB?

SID
Kevin Kuranyi liegt mit Dynamo Moskau auf Rang drei der Tabelle in Russland
© Getty

Kevin Kuranyi brach im Sommer 2010 seine Zelte in Deutschland ab und spielt nun für Dynamo Moskau in Russland. In seiner SPOX-Kolumne berichtet der 29-Jährige regelmäßig von seinen Erlebnissen im fernen Russland. Dort ist die Saison schon auf die Zielgerade eingebogen. Kuranyi ist mit Dynamo Moskau heiß gelaufen, jetzt kommt es zum Super-Clash gegen Zenit St. Petersburg. Die weiteren Themen: Die Wasserschlacht von Samara, eine besondere Ehrung und Zukunftspläne.

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Priwjet is Moskwi, hallo aus Moskau!

Entgegen aller Klischees ist es hier in diesen Tagen angenehm warm. Aber meine Teamkollegen und ich würden es gerade auch nicht merken, wenn die Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt wäre.

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Der Grund: Wir sind richtig heiß. Heiß auf das Topspiel gegen Zenit St. Petersburg am Samstag. Aber lasst mich die sportliche Lage kurz erklären. Derzeit steht Zenit auf Platz eins, Zweiter ist ZSKA Moskau mit zwei Punkten Rückstand, danach kommen schon wir mit drei Zählern Abstand zum Ersten.

Eine kleine Sensation

Der Spitzenreiter ist also auf Schlagdistanz. Ich möchte jetzt ja nicht die Superlative auspacken, aber dass wir auch nach dem 26. Spieltag noch ganz oben mitmischen, ist eine kleine Sensation.

Schließlich hat Dynamo vor dieser Saison nicht groß eingekauft, so wie viele andere Klubs. Stattdessen wurde auf viele junge Spieler gesetzt.

Und Andreij Woronin ist zusammen mit mir so etwas wie der Anführer dieser Truppe. Wir werden hier dafür gelobt, den schönsten Fußball der Liga zu spielen und von Journalisten oft mit Borussia Dortmund aus dem Meisterjahr verglichen.

Aus sportlicher Sicht ist dieser Vergleich für mich sehr schmeichelhaft - aber jedes Mal wenn ich es höre, zucke ich ein wenig zusammen. Nach so vielen Jahren auf Schalke sicherlich ein natürlicher Reflex.

4:0 gegen ZSKA!

Aber zurück zur Liga. Nach einem durchwachsenen Start inklusive Trainerwechsel sind wir hier voll durchgestartet und seit vielen Wochen in den Top drei - zusammen mit ZSKA und Zenit, den absoluten Ausnahmeteams der letzten Jahre. Und jeder wartet darauf, dass wir eine Schwächephase bekommen und dort oben rausfallen.

Aber wir tun diesen Gefallen niemandem. Die letzten großen Unkenrufe, dass unser Weg zu Ende sei, gab es im September vor dem letzten Topspiel gegen ZSKA. Das war über Monate die dominierende Mannschaft der Liga, mit zig Punkten Vorsprung auf die Konkurrenz.

Dann kamen sie zu uns - und wir haben sie mit 4:0 besiegt. Ohne überheblich klingen zu wollen: wir hätten an diesem Tag noch höher gewinnen können. Deshalb sehe ich auch dem Spiel gegen Zenit gelassen entgegen. Seit ich hier bin, haben wir kaum ein Topspiel verloren, weil wir uns immer leichter tun, wenn ein Gegner kommt, der mitspielt.

Aber leider gibt es nicht nur Topspiele. Und zwischendurch gibt es auch Partien, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Das kurioseste habe ich wegen einer Gelbsperre verpasst: die Wasserschlacht in Samara. Als ich die ersten Bilder vor dem Fernseher gesehen hatte, war ich mir nicht sicher, ob die aus dem Stadion oder städtischen Schwimmhalle stammen.

Kuriose Niederlage gegen Anschi

Der Platz stand zum Großteil unter Wasser, was einer Mannschaft wie unserer, deren Stärke das schnelle Kurzpassspiel ist, alles andere als entgegenkommt.

Samara hat dagegen einen Ball nach vorne gedroschen, das Tor des Tages gemacht - und wir standen da wie die begossenen Pudel. Nicht auszudenken, wenn wir diese drei Punkte auch noch auf dem Konto hätten. Aber man muss es positiv sehen: niemand ist ertrunken.

Ein paar Spieltage zuvor haben wir bei Anschi Machatschkala ein Spiel verloren, wie es kurioser nicht sein kann. Oder anders formuliert: Ich habe noch nie solch eine Schiedsrichterleistung erlebt und solche Fehlentscheidungen zuvor auch nicht für möglich gehalten.

Apropos Anschi. Wenn die sportlichen Schlagzeilen Dynamo gehören, dann gehören die restlichen Anschi. Der Klub aus dem Kaukasus hat in dieser Saison mit seinen Transfers europaweit für Aufsehen gesorgt. Die Highlights: Zu Saisonbeginn im März kam Roberto Carlos (38) und im Sommer-Transferfenster Juri Schirkow (27/FC Chelsea) und Samuel Eto'o (30/Inter Mailand).

Wie von Stuttgart nach Moskau...

Und jede Woche werden weitere Topspieler als potenzielle Neuzugänge gehandelt. Punktemäßig hat die bisherige Offensive allerdings noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Derzeit steht Anschi auf Platz acht. Kürzlich wurde deshalb der Coach entlassen und Roberto Carlos fungiert mittlerweile als Spielertrainer.

Kurios ist auch, dass Anschi nicht zu Hause in Dagestan am Kaspischen Meer trainiert, sondern in Moskau. Nur zu den Heimspielen fliegen sie ins fast 2200 Kilometer entfernte Machatschkala ein. Zum Vergleich: das ist ungefähr die Entfernung von Stuttgart nach Moskau.

Zum Schluss noch ein paar persönliche Worte: Mir geht es hier bestens. Zum Erfolg der Mannschaft kommt eine schöne Auszeichnung dazu.

Am vergangenen Samstag wurde ich zum besten Spieler der Liga im Monat September gekürt - Grundlage waren die Benotungen. Privat läuft es genauso rund. Meine Familie und ich fühlen uns sehr wohl. So wohl, dass ich es nicht für ausgeschlossen halte, unser Russland-Abenteuer zu verlängern.

Bis bald,

Euer Kevin

 

 

 

 

 

Kevin Kuranyi, geboren am 2. März 1982 in Rio de Janeiro, gehört zu den besten Stürmern Deutschlands. Von 2001 bis 2005 spielte er als Profi für den VfB Stuttgart, danach wechselte er zum FC Schalke 04. Seit Sommer 2010 trägt Kuranyi nun das Trikot von Dynamo Moskau. Für die Nationalmannschaft war er bislang 52 Mal im Einsatz. Mehr Informationen über Kevin Kuranyi gibt es unter www.kevin-kuranyi.de

Kevin Kuranyi im Steckbrief

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