"Der Hund hilft mir schon"

Von Interview: Jochen Tittmar
Ein Königlicher: Christopher Schorch wechselte von der Hertha zu Real Madrid
© Imago

Christopher Schorch ist das passiert, wovon Millionen Fußballspieler träumen: Er hat ein Angebot von Real Madrid bekommen. Im Sommer 2007 wechselte der 20-Jährige von Hertha BSC Berlin für eine Million Euro zu den Königlichen.

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Dort lieferte Schorch als Innenverteidiger überzeugende Leistungen in Reals B-Team ab, so dass ihm Ex-Coach Bernd Schuster für den kommenden Sommer bereits den Sprung in den Profikader in Aussicht stellte.

Im SPOX-Interview verrät der Abwehrspieler, wie nun sein Trainingsalltag aussieht, warum Guti einmalig ist und was es mit der Fußball-Version von Aggro Berlin auf sich hat.

SPOX: Herr Schorch, erzählen Sie doch einmal, wie der erste Tag in Madrid ablief.

Schorch: Ich kam am Flughafen an und da waren viele Presseleute und Fernsehsender. Die wollten nur hören, wie geil das alles für mich ist und wie dankbar ich bin. Für mich war das komisch, ich kannte das alles noch nicht. Nach dem letzten Medizincheck ging es für mich gleich ins Trainingslager.

SPOX: Man soll Ihnen gleich ein 300qm-Appartement und einen Audi Q7 angeboten haben.

Schorch: Das stimmt. Aber was soll ich mit so einem Schiff? Ich hatte ja noch nicht mal den Führerschein. Das Appartement habe ich auch nicht genommen. Ich wollte etwas Kleineres und hab was Eigenes gesucht. Jetzt passt alles.

SPOX: Kommen wir zum Sportlichen. Haben Sie in Spanien schon mal einen Waldlauf gemacht?

Schorch: Das, was ich hier gelaufen bin, bin ich in Deutschland niemals gelaufen. Die Vorbereitung war bestimmt zweimal so hart wie in Deutschland. Ich hatte heute meinen Abschlusstest nach Muskelfaserriss - und was die mit mir gemacht haben, das war nicht mehr schön (lacht).

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SPOX: Wie ist das Training in Spanien im Vergleich zu Deutschland?

Schorch: Spanien ist ja bekannt für das Technische. Wir trainieren meistens zwei bis drei Stunden. Wir arbeiten spezifisch auf den Einzelnen abgestimmt mit Videoanalysen, jedes Training wird aufgezeichnet. Als ich hier ankam, saß ich erstmal mit dem Trainer zusammen, der hat mir eine Stunde lang erzählt hat, was ich alles falsch mache. Ich dachte eigentlich, dass ich wusste, wie man als Innenverteidiger spielt. Aber es gab spezifisches Training nur für die Viererkette, wie man sich bewegt, wie man zusammensteht. Auch beim Krafttraining bekommt jeder einen Plan und darf nicht mehr oder weniger machen, sonst kriegt man hier Probleme. Es wird auf alles penibel geachtet. Jeden Tag wird das Gewicht kontrolliert, jeden Monat wird Fett gemessen und die Blutwerte kontrolliert.

SPOX: Wie oft hat Bernd Schuster mit Ihnen gesprochen und Sie über Ihre Perspektiven in Richtung erste Mannschaft informiert?

Schorch: Wenn ich oben mittrainiert habe, hat er mich schon öfters zur Seite genommen. Ich hatte ja einen ganz guten Lauf. Doch fast zeitgleich mit seiner Entlassung kam meine Verletzung und jetzt muss ich unter dem neuen Trainer Ramos eben wieder bei Null anfangen. Aber so ist das im Fußball. Ich bin geduldig und gebe weiter Gas.

SPOX: Was hat sich an Ihrer persönlichen Perspektive mit dem Wechsel von Schuster zu Juande Ramos geändert? Schuster stellte Ihnen ja in Aussicht, im Sommer zum Profikader zu gehören.

Schorch: Ich bleibe ganz ruhig und mache mir keinen Druck. Ich warte ab, was im Sommer passiert. Ich bin ganz entspannt. Vielleicht geht der Weg ja auch über ein, zwei Jahre per Ausleihe woanders hin. Ich will den nächsten Schritt machen und in der ersten Liga spielen. Ob ich das bei Real schaffe oder über einen Umweg, ist mir eigentlich egal.

SPOX: Hat ein Spanier, der genau die gleichen guten Leistungen zeigt wie Sie, größere Chancen auf eine Berufung in die A-Mannschaft?

Schorch: Würde ich schon sagen. Ich habe das auch mitbekommen. Wenn ein Spanier genau so gut ist wie ein Ausländer, wird der Spanier bevorzugt. Ich mache mir deswegen aber keine Sorgen.

SPOX: Im SPOX-Interview hat Marc-Andre Kruska gesagt, dass er ein Angebot von Real ausgeschlagen hat, weil er sich - vor allem im Hinblick auf die U21-EM - mehr Spielpraxis wünscht, die er bei Reals B-Team nicht gesehen hat. Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?

Schorch: Man sagt ja, dass Real Madrid für die besten Spieler der Welt steht. Das ist im Nachwuchsteam nicht anders. Die Nachfrage nach den Nachwuchsspielern ist groß. Die Spieler, die hier herkommen, müssen schon etwas auf dem Kasten haben. Für mich war es auch schwer am Anfang. Viele haben mich angerufen und gefragt, was das soll, dass ich von Hertha BSC zu Reals B-Team wechsle. Wir reden dann in ein, zwei Jahren, dann sehen wir, was das sollte.

SPOX: Können Sie generell jungen deutschen Talenten empfehlen, nach Spanien zu kommen oder muss man da schon der Typ dafür sein?

Schorch: Man muss der Typ dafür sein. Ich bin mit 15 nach Berlin gegangen und weg von zu Hause. Ich kenne es nicht anders. Das ist für viele aber ein Problem: Das Alleinsein, man ist vollkommen auf sich gestellt. Ich lebe hier auch alleine. Ich habe gar keinen. Außer meinem Hund, den ich mir gekauft habe, damit ich in der Freizeit mal in den Park gehen kann und nicht nur spanisch lerne. Der Hund hilft mir dabei schon. Man entwickelt sich eben auch menschlich sehr weiter.

SPOX: Mal ehrlich: Was war das für ein Gefühl, als Sie zum ersten Mal mit Raul, van Nistelrooy und Co. auf dem Platz standen?

Schorch: Als ich klein war, habe ich davon geträumt. Jetzt lebe ich meinen Traum. Über Raul habe ich einen Vortrag in der Schule gehalten und auf einmal muss ich ihn manndecken. Das war schon Wahnsinn.

SPOX: Wurden Sie gleich akzeptiert oder muss man den Stars die Tore und Wasserkisten hinterher tragen?

Schorch: Ich musste in all der Zeit noch nie etwas tragen. Die haben mich alle harmonisch empfangen. Raul hat mich sogar umarmt. Die sind alle absolut nicht arrogant oder abgehoben.

SPOX: Es heißt, Sie verbringen öfter mal Ihre Freizeit mit Christoph Metzelder. Was wird denn da so gemacht? Sie kommen ja eigentlich aus zwei verschiedenen Generationen.

Schorch: Das ist kein Problem. Wir gehen zusammen einkaufen oder mal etwas essen. Ich bin froh, dass Metze hier ist. Ich kann viel von ihm lernen. Ich weiß aber auch woher ich komme und werde meine Freunde aus der Heimat nicht vergessen. Zurzeit ist ein Kumpel aus Halle bei mir zu Besuch.

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SPOX: Sie schauen neben Metzelder vor allem zu Guti auf. Wieso?

Schorch: Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal beim A-Team mittrainiert habe. Da war noch irgendjemand im Probetraining mit dabei und der hat dann den Ball leichtfertig verloren. Der Guti hat ihn angeschaut, ich dachte, der will ihn umbringen. Der Kerl ist einmalig. Der zerfetzt sich in jedem Training. Viele würden sagen, dass er es nicht mehr nötig hat, aber gerade er ist derjenige, der länger bleibt und im Training wie ein Wilder kämpft.

SPOX: Sie sind früher in Berlin oft mit den Brüdern Boateng, Dejagah, Yelen und Co. zusammen gewesen. Provokativ gefragt: Hat man sich da so gefühlt wie die Fußball-Version von Aggro Berlin?

Schorch: Wenn man in Berlin lebt, muss man sich als Junger schon durchsetzen. Du wirst da eben oft angepöbelt, aber da muss man drüber stehen und darf sich nicht alles anhören. Nicht nur beim Fußball, auch in der Schule. Viele haben das nicht wirklich hingekriegt. Die lassen sich eben nicht alles gefallen. Das ist die Mentalität in Berlin.

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