Er hat Spanien zum Weltmeister und damit unweigerlich zur besten Mannschaft des Planeten geformt. Vicente del Bosque hat sich nach Jahrzehnten vergeblicher Anläufe mit dem Welt-Titel zuletzt und den Triumphen mit Real Madrid längst unsterblich gemacht.
Er ist die Ikone des spanischen Fußballs und eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Fußballs weltweit. Sein Wort hat Gewicht - umso erfreulicher ist es also, dass der 60-Jährige in einem Interview mit dem "Kicker" über den deutschen Fußball und dessen junge Protagonisten geradezu schwärmt.
"Auf die deutschen Spieler kann man sich immer verlassen. Sie sind Profis im wahrsten Sinne: physisch stark, aber auch sehr gut geschult, taktisch und immer mehr auch fußballerisch. Das zeigt die junge Generation deutlich."
"Özil ist schlicht brillant"
Besonders die beiden Real-Spieler Mesut Özil und Sami Khedira haben es del Bosque in ihrer ersten Saison bei den Königlichen, für die er selbst 30 Jahre lang gearbeitet hatte, angetan. "Beide sind Spieler, die den Unterschied ausmachen können. Khedira ist dabei mehr der klassische Typ, absolut mannschaftsdienlich, aber sehr effizient. Und Özil ist schlicht brillant."
Die positive Entwicklung in Deutschland führt del Bosque auf den gelungenen Mix zwischen Alt und Neu zurück.
"Deutschland hat seinen ureigenen Charakteristiken wie 'Wettkampfhärte' und 'Turniermannschaft' nun auch die spielerische Qualität zugefügt. Schweinsteiger, Lahm, Kroos, Götze, das sind alles erstklassige Akteure, die neben den alten Stärken eine völlig neue Würze mit ins Spiel bringen."
Sahin wird Real helfen
Dem Ex-Dortmunder Nuri Sahin, der sich nach seiner Verletzung in der Vorbereitung langsam an die erste Mannschaft von Real herangekämpft hat, traut del Bosque eine ähnliche Entwicklung in Madrid zu wie Khedira und Özil.
"Er ist ein guter Spieler, bringt alle Anlagen mit. Die große Unbekannte ist, wie so ein junger Spieler auf so einen großen Klub wie Madrid reagiert. Aber er hat großartige Kollegen, die ihm das Einleben erleichtern. Ich bin mir sicher, dass er gut einschlägt und ein wichtiger Spieler für Real Madrid sein wird."
Primera Division muss auch umdenken
Für die anstehende Saison in der Primera Division, deren Start auf Grund des Spielerstreiks um mindestens eine Woche verschoben wurde, sieht del Bosque das Duell der ewigen Rivalen um den Titel.
"Ich sähe es gerne, wenn auch andere Klubs Chancen hätten. Auch Malaga, Sevilla, Bilbao oder Valencia haben Nationalspieler. Aber so wie es aussieht, werden sie letztlich keine Chance haben. So lange Barca und Real immense wirtschaftliche Vorteile haben, wird sich vermutlich nichts ändern."
Der Streik sei ein gutes Zeichen dafür, dass sich die großen mit den Kleinen solidarisierten, so del Bosque. Allerdings sieht der Coach der Seleccion auch in der vermeintlich besten Liga der Welt einige Dinge in Schieflage - vor allen Dingen im wirtschaftlichen Bereich, mehrere Vereine stecken mitten in Konkursverfahren.
"Wir dürfen nicht über alle Klubs den Stab brechen. Es gibt auch solche, die gut wirtschaften. Generell sollte aber wohl ein Umdenken stattfinden. Fußballerisch ist bei uns vieles positiv, aber es bedarf auch wirtschaftlich einer Restrukturierung."
"Xavi? Ich gebe ihm kein Verfallsdatum"
Auch seine Mannschaft sieht er im Hinblick auf die anstehenden Aufgaben bestens gerüstet. Die Hoffnung der Konkurrenz, Spanien könnte nach den beiden Titeln zuletzt irgendwann satt werden, erstickt del Bosque gleich wieder im Keim.
"Es ist sogar umgekehrt. Wir sind nun Weltmeister und die Spieler sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Ich habe überhaupt keine Angst, dass sie satt werden könnten." Als Grund führt del Bosque den enormen Konkurrenzkampf an, der durch den offenbar immerwährenden Strom an neuen Talenten auf einem unglaublich hohen Niveau gehalten wird.
Dieser Reichtum sorge "für eine gesunde Anspannung und Konzentration bei den Arrivierten." Im Test gegen Italien (1:2) debütierte zuletzt Barcas Thiago Alcantara, "auch Namen wie Sergi Gomez, Gerard Deulofeu oder Pablo Sarabia darf man sich merken".
Dazu sieht er Spielmacher Xavi, der mittlerweile 31 ist und immer öfter auch über kleinere Wehwehchen klagt, noch lange nicht auf dem absteigenden Ast. "Ich gebe ihm kein Verfallsdatum!"
Für die Europameisterschaft im kommenden Jahr hat del Bosque mehrere Nationen auf dem Zettel. "Man hat gesehen, wie knapp es war bei der WM gegen Deutschland und Holland. Es gibt keinen Favoriten."
Vicente Del Bosque im Steckbrief