Als Nachfolger von Titelhamster Pep Guardiola hat Tito Vilanova eine schwierige Aufgabe übernommen. Für die Profis des FC Barcelona ändert sich dagegen wenig: Pep und Tito sind in vielen Dingen deckungsgleich - mit einer Ausnahme.
Albert Benaiges kommt immer etwas vertrottelt daher. Der schläfrige Blick in diesem riesen Gesicht, der Bauch, der immer dicker wird, das Doppelkinn, das den Hals verdeckt.
ImagoBenaiges ist optisch eine Mischung aus Vicente del Bosque und der verstorbenen Trainerlegende Valerij Lobanowski. Ein Knuddelbär, der eigentlich in die Kneipe gehört und nicht auf einen Trainingsplatz mit Fußballern. Der Klingelton seines Handys könnte nicht besser passen - es ist die Hupe eines Lastwagens.
Doch Albert Benaiges ist in den letzten 25 Jahren die vielleicht wichtigste Person gewesen beim derzeit weltweit angesagtesten Klub der Welt: dem FC Barcelona. Über zwei Jahrzehnte war Benaiges Chef von La Masia, Barcas Talentschmiede. Er hat Guardiola, Puyol, Xavi, Messi, Iniesta und Co. aufwachsen sehen und ihnen das Fußballspielen beigebracht.
Mit Iniesta aufs Klo
"Bei uns galt immer: wer den Ball hat, ist der König des Spiels. Passen, schauen, bewegen mit und ohne Ball, immer den Kopf oben halten - das war die Schule von Albert Benaiges", sagt Xavi über seine Erfahrungen mit dem Chef.
2011 quittierte Benaiges seinen Dienst bei Barca. Mittlerweile koordiniert er die Nachwuchsarbeit von Al Wasl FC in Dubai. "Meine Mutter ist 2009 gestorben und ich wollte mein Leben ändern. Weg aus Barcelona, rein in eine neue Welt", sagte Benaiges.
Auch wenn Benaiges Barcelona den Rücken gekehrt hat, ist ein großer Teil seines Herzens bei Barca geblieben.
"Ich habe Iniesta aufs Klo begleitet, wenn er Durchfall hatte. Das sind meine Jungs. Nicht nur die, die es bei Barca geschafft haben, sondern alle. Ist doch klar, dass ich mit vielen Leuten bei Barca ständig in Kontakt bin", sagt Benaiges. Auch mit Tito Vilanova, Barcas neuem Cheftrainer.
"Am Anfang war ich etwas überrascht, dass sie Tito genommen haben. Ich habe gedacht, dass nach Guardiola vielleicht etwas neues ausprobiert wird. Aber nach zehn Minuten nachdenken wurde mir klar, dass das Schwachsinn wäre", sagt Benaiges "Barca TV".
"Tito kennt den Laden in- und auswendig, er hat schon unter Pep sehr viel Verantwortung übernommen. Tito steht für Kontinuität und er hat mit Jordi Roura und Altimira (Vilanovas Co- bzw. Konditionstrainer, d. Red.) Leute, die Barca verkörpern wie kaum andere."
Ehrlichkeit, Demut, Perfektion
Benaiges schätzt vor allem Vilanovas Akribie in der Trainingsarbeit. "Wir haben mal drei Wochen lang das Cadet B Team betreut. Tito hat den Jungs in kürzester Zeit ein Positionsspiel eingebläut, das die dann auch nahezu perfekt beherrscht haben."
Von der Persönlichkeit her unterscheidet sich Vilanova kaum von Vorgänger Guardiola. Ehrlichkeit, Demut und der Hang zur Perfektion, wenn es um Fußball geht sind Titos Zutaten für eine erfolgreiche Barca-Zukunft. Auch die Philosophie ist identisch.
"Ich werde ein paar Dinge verändern, aber versuchen, den Barca-Style zu konservieren. Alles andere wäre auch frevelhaft und töricht", sagte Vilanova, der mit Europameister Jordi Alba den Wunschspieler bekam. "Jordi ist bei Barca groß geworden, er hat sich in Valencia sehr stark entwickelt und bei der EM gezeigt, welch phantastische Qualitäten er besitzt", sagte Vilanova über den Königstransfer.
Es dürfte Vilanova in die Karten spielen, dass Alba mit Spanien bereits in der Vorrunde der Olympischen Spielen gescheitert ist; so kann der Linksverteidiger früher als geplant ins Training einsteigen. Alba soll aber - neben der Beförderung von klubeigenen Talenten wie Marc Batra oder Marc Muniesa - nicht der einzige Neuzugang bleiben.
Titos Ziel: Defensive stärken
Vilanova will noch einen Spieler verpflichten, der idealerweise in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld spielen kann. Die Defensive stärken - das hat sich der neue Coach auf die Fahnen geschrieben und in dieser Hinsicht unterscheidet er sich etwas von Guardiola.
"Für meinen Geschmack haben wir in der letzten Saison zu viele Gegentore kassiert und nach dem Ballverlust insgesamt nicht so gut nach hinten gearbeitet", sagte Vilanova. Englische Medien berichteten am Montag, dass Daniel Agger vom FC Liverpool ein heißer Kandidat sei. Als Ablösesumme stehen 15 Millionen Euro im Raum.
Das Gros der Mannschaft bleibt aber gleich. Und das gefällt den Superstars.
"Wir haben mit dieser Mannschaft in den letzten Jahren sehr viele Erfolge gefeiert. Und ich bin mir sicher, dass wir in der kommenden Saison wieder erfolgreich sein werden. Das Halbfinal-Aus in der Champions League schmerzt noch immer. Wir werden versuchen, diesen Titel wieder nach Barcelona zu holen", sagte Lionel Messi.
Der Argentinier hat nach einer schwierigen letzten Saison wieder neue Motivation. "Ich war ausgelaugt, ich war tot. Aber jetzt freue ich mich auf die neue Saison", so Messi.
Messi: "Ich spüre keine Veränderung"
Dass ein neuer Cheftrainer die Verantwortung übernommen hat, merkt der "Floh" auf dem Trainingsplatz nicht.
"Ich spüre überhaupt keine Veränderung. Wir arbeiten mit Trainern, mit denen wir schon in der Vergangenheit gearbeitet haben. Die Intensität ist die gleiche, die Übungen sind uns vertraut. Der einzige Unterschied ist, dass nicht mehr Guardiola die Ansprachen hält, sondern Vilanova."
Am Montag durfte Vilanova auch die Europameister Victor Valdes, Gerard Pique, Cesc Fabregas, Pedro, Sergio Busquets, Andres Iniesta und Xavi wieder begrüßen. Alle überstanden den medizinischen Check ohne Beanstandung. Und auch Kapitän Carles Puyol darf nach seiner Knie-OP ab sofort wieder mitmischen.
Keine Lust auf Ärger mit Mourinho
Nach einer Europatour mit Spielen gegen Paris Saint-Germain, Manchester United und Steaua Bukarest beginnt die Saison für Barca am 18. oder 19. August mit einem Heimspiel gegen Real Sociedad, bevor am 23. August das erste Highlight ansteht: Supercopa-Hinspiel gegen Meister Real Madrid.
Im letzten Jahr hatte Vilanova im Supercup eine äußerst unagenehme Begegnung mit Jose Mourinho. Der Real-Coach hatte Tito nach einem Gerangel der Spieler an der Seitenlinie einen Finger ins Auge gebohrt. Auf weitere Scharmützel mit seinem Madrider Kollegen hat Vilanova in Zukunft keine Lust.
"Ich respektiere Herrn Mourinho und seine Arbeit. Ich habe keine Probleme mit ihm und habe auch nicht vor, in Zukunft welche zu bekommen", sagte Vilanova.
Als Nachfolger des in Barcelona verehrten Titelsammlers Guardiola hat Vilanova in seiner Premierensasion auch wichtigere Dinge zu tun.
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