"Ohne Fans wäre Schalke nichts"

David Helm
10. Mai 201623:35
Timon Wellenreuther gab beim FC Schalke 04 sein Bundesliga-Debütgetty
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U21-Keeper Timon Wellenreuther ist eines der größtes Torhüter-Talente in Deutschland. Gegner wie Cristiano Ronaldo und Arjen Robben bissen sich an dem Ex-Schalker die Zähne aus. Seit dem letzten Sommer ist er ausgeliehen und Stammtorhüter in Spanien. Im Interview mit SPOX spricht er über unfaire Kritik, die Schalke-Bank und den Absturz des RCD Mallorca.

SPOX: Herr Wellenreuther, Sie sind seit beinahe einem Jahr beim RCD Mallorca angestellt. Wie lebt es sich in Deutschlands 17. Bundesland?

Timon Wellenreuther: Leider kann ich die Schönheit der Insel gar nicht in vollen Zügen genießen, da ich meistens auf dem Trainingsplatz stehe. Ich habe große sportliche Ziele und an ein Party-Leben ist deshalb natürlich nicht zu denken. Wenn ich Zeit habe, schaue ich mir lieber die Stadt Palma und die Sehenswürdigkeiten der Insel an. Da bietet Mallorca unglaublich viel.

SPOX: Wie 'deutsch' ist der Alltag auf der Insel?

Wellenreuther: Es laufen einem ständig Deutsche über den Weg, das ist schon auffällig. Zahlreiche Restaurants oder Hotels werden auch von Deutschen geführt, sodass sofort heimische Gefühle aufkamen. Unabhängig davon habe ich mich hier problemlos einleben können.

SPOX: Sie haben mit 19 Jahren das Abenteuer Ausland gewagt. Wie schwer fiel Ihnen dieser Schritt?

Wellenreuther: Da ich bereits mit 17 Jahren von zu Hause ausgezogen und nach Gelsenkirchen gegangen bin, war es für mich keine komplett neue Situation, mich auf eine neue Umgebung einzustellen. Zum Glück ist man auf Mallorca nicht aus der Welt und ein Flug dauert lediglich zwei Stunden, was meine Eltern und Freunde nutzen und mich ab und zu besuchen kommen.

SPOX: Ihr Wechsel von Schalke nach Mallorca ging sehr schnell über die Bühne. Warum?

Wellenreuther: Es war durchaus überraschend. Mallorcas Manager Miguel Angel Nadal hat Roberto di Matteo angerufen und Di Matteo hat sehr positiv über mich gesprochen. Daraufhin hat mich RCD Mallorca kontaktiert und mir sein Interesse mitgeteilt. Für mich kam eine Ausleihe auf Anhieb in Frage, weil ich unbedingt spielen und nicht bei Schalke auf der Bank sitzen wollte. Als die Gespräche mit dem Klub allesamt positiv verliefen, dachte ich mir: 'Warum soll ich hier nicht einfach mal ein Jahr spielen und schauen was passiert'.

SPOX: Gab es noch andere Interessenten?

Wellenreuther: Es gab durchaus mehrere Angebote, aber Mallorca plante von Anfang an als Nummer eins mit mir, wodurch mir die Entscheidung sehr einfach fiel. Dieses Vertrauen hat mir ein extrem gutes Gefühl gegeben, es war die beste Option.

SPOX: Wie wurden Sie vor Ort aufgenommen?

Wellenreuther: Sehr gut. Da die Mallorquiner aber nur wenig Englisch sprechen, musste ich recht schnell Spanisch lernen. In der Mannschaft fiel mir die Integration glücklicherweise leichter, weil dort zumindest ein paar Kollegen Englisch sprechen können.

SPOX: Hat es Ihnen geholfen, dass Mallorca mit Utz Claasen einen deutschen Präsidenten hat?

Wellenreuther: Eher weniger, weil wir bisher kaum Kontakt hatten. Das liegt daran, dass er beruflich meistens international unterwegs ist. Aber immer wenn ich etwas gebraucht habe, hat er sich bestens um mich gekümmert.

SPOX: Claasen will RCD Mallorca zu einer internationalen Marke machen. Wie realistisch ist dieses Vorhaben?

Wellenreuther: Sehr realistisch. Mit Robert Sarver und Ex-NBA-Star Steve Nash, denen auch die Phoenix Suns (NBA-Franchise, Anm. d. Red.) gehören, haben zusätzlich zwei Amerikaner Anteile des Klubs gekauft. Sie haben viel Geld investiert und wollen hier etwas aufbauen. Möglichst bald soll der Aufstieg gelingen.

SPOX: In der laufenden Saison steckt Ihr Team allerdings im Abstiegskampf. Haben Sie sich das letzten Sommer anders vorgestellt?

Wellenreuther: Unser Anspruch war ganz klar, oben mitzuspielen. Aber die über 15 neuen Spieler mussten sich erst zusammenfinden. Dann gab es auch noch zwei Trainerwechsel. Die Liga bewegt sich insgesamt auf einem sehr ausgeglichenen Niveau. Bisher hat uns leider auch das nötige Glück gefehlt, auch mal einen Big Point einzufahren und dadurch mehr Selbstvertrauen für die anstehenden Aufgaben zu tanken.

SPOX: Sind Sie mit Ihrer persönlichen Entwicklung zufrieden?

Wellenreuther: Absolut! Ich habe bereits 29 Spiele absolviert, das ist sehr wichtig für mich. Ich bin jung und brauche Spielpraxis. Außerdem ist das Torwarttraining hier anders und ich profitiere sehr davon, dass ich sowohl in Deutschland als auch in Spanien trainiert und gespielt habe.

SPOX: Ihre Leihe läuft am Ende der Saison aus. Wie geht es weiter?

Wellenreuther: Das steht noch nicht fest. In meinem Vertrag ist eine Kaufoption für RCD Mallorca verankert. Jetzt müssen wir einmal abwarten, wie es weitergeht. Gespräche werden geführt. Schalke hat ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.

SPOX: Klingt das vielleicht nach Abschied?

Wellenreuther: Es ist noch nichts entschieden und grundsätzlich kann es in viele Richtungen gehen. Aber mein Ziel ist klar, ich will weiterhin spielen. Die Bank ist für mich deshalb nicht die erste Option. Schalke ist zwar ein geiler Klub, aber es wird schwierig, dort zu spielen, weil Ralf Fährmann in dieser Saison nochmal einen großen Schritt gemacht hat.

SPOX: Sie betonen regelmäßig Ihre Verbundenheit zu Schalke. Was zeichnet den Verein aus?

Wellenreuther: Der Verein ist unfassbar: Es ist einzigartig, wie die Fans diesen Verein leben, so etwas ist einfach nur geil. Ohne die Fans wäre der Fußball auf Schalke nichts. Für den Klub zu spielen, ist aber gleichzeitig auch eine riesige Herausforderung. Ich wünsche mir natürlich, auf Schalke die Nummer eins zu werden, aber im Moment ist Ralf Fährmann einfach zu gut. Zum Glück bin ich noch jung, vielleicht kann ich es in ein paar Jahren schaffen.

SPOX: Bei Schalke feierten Sie bislang Ihre größten Erfolge. Wissen Sie noch, was Sie am 18. Februar 2015 gemacht haben?

Wellenreuther: Ja klar, da stand ich im Hinspiel gegen Real Madrid im Tor - das war der Höhepunkt meiner noch jungen Karriere. Auch das Rückspiel im Santiago Bernabeu werde ich nie vergessen. Diese beiden Spiele haben mir gezeigt, was mein Ziel ist: Ich will auf diesem Niveau spielen und gegen Stars wie Cristiano Ronaldo auf dem Platz stehen. Bereits ein paar Wochen zuvor hatte ich ja das erste Highlight meiner Karriere erlebt.

SPOX: Das Spiel gegen den FC Bayern in der Allianz Arena...

Wellenreuther: Genau. Im Februar 2015 habe ich gegen die Bayern mein Debüt gegeben. Das war mit Abstand das überwältigendste Gefühl meiner Karriere. Als ich in der Halbzeit erfahren habe, dass ich aufs Feld muss, konnte ich das kaum fassen.

SPOX: Als Sie wenige Wochen später gegen Werder Bremen und Hertha BSC keine glückliche Figur machten, schwenkte die Stimmung um und es gab viel Kritik. Wie gingen Sie damit um?

Wellenreuther: Ich gebe nicht viel darauf, was in den Medien über mich geschrieben wird, sondern versuche mein Ding durchzuziehen. Allerdings hat mich die Kritik schon getroffen und war nicht ganz fair. So ist es aber im Fußball. Mal bist du der Held, dann bist du der Buhmann.

SPOX: Haben Sie intern weiterhin Rückendeckung erhalten?

Wellenreuther: Ja, intern schon. Aber ich bin auch nicht der Typ, der in solchen Phasen bemuttert werden will. Da musste ich einfach durch. Außerdem war ohnehin klar, dass Ralf Fährmann wieder spielt, wenn er fit ist. Aber klar, kein Torwart sitzt gerne auf der Bank.

SPOX: Generell war die Zeit zwischen Februar und März letzten Jahres wohl die ereignisreichste in Ihrer Karriere...

Wellenreuther: In dieser Phase passierte sehr viel, sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League. Aber im Endeffekt war es perfekt für mich, weil ich in den zehn Spielen auf Top-Niveau unfassbar viel gelernt habe und sowohl sehr positive als auch negative Erfahrungen machen konnte.

SPOX: Derzeit überwiegen die positiven Nachrichten: Im Verein sind Sie Stammkeeper und auch in der U21-Auswahl von Horst Hrubesch sind Sie gesetzt. Wie groß ist die Hoffnung auf Olympia?

Wellenreuther: Da ich seit September acht Einsätze absolviert habe, ist die Hoffnung sehr groß. Olympia? Es wäre eine absolute Ehre, Deutschland in Brasilien zu repräsentieren. Wir sind richtig stark besetzt und wer weiß: Vielleicht schaffen wir sogar den ganz großen Wurf.

SPOX: Die A-Nationalmannschaft ist angesichts der großen Konkurrenz aktuell kein Thema. Wie bitter ist es aus Ihrer Sicht, dass Deutschland eine 'Torhüter-Nation' ist?

Wellenreuther: Auf der Torhüterposition sind wir insgesamt noch breiter besetzt als auf allen anderen Positionen. Das macht es unglaublich schwierig, sich im Verein oder der Nationalmannschaft als Nummer eins zu etablieren. Gerade deshalb werde ich weiter hart an mir arbeiten, damit ich als Stammtorwart spielen kann. Vor zwei Jahren noch war es ein Traum, der sich realisiert hat. Aber klar, bei der Nationalmannschaft ist Manuel Neuer eine Wand.

SPOX: Was zeichnet ihn aus?

Wellenreuther: Manuel Neuer ist mein absolutes Vorbild. Er hat ein überragendes Offensivspiel und jeder Torhüter kann etwas von ihm lernen. Ich persönlich versuche, mir viel von ihm abzuschauen. Aber auch in Spanien kann ich mich gut weiterentwickeln: Noch mehr als in Deutschland wird hier großer Wert auf Reflexe gelegt und das kommt mir zugute.

SPOX: Spielpraxis ist für Sie ein entscheidender Faktor. Wäre eigentlich ein Wechsel zum Karlsruher SC nicht die einfachste Lösung gewesen? Immerhin ist ihr Vater dort Präsident...

Wellenreuther: Gerade deshalb wollte ich weg vom KSC und mich bei einem anderen Club durchsetzen und eigene Erfahrungen sammeln. Das war genau der richtige Schritt. Deswegen kommt eine Rückkehr vorerst nicht in Frage. Aber wer weiß, was in ein paar Jahren ist...