"Alles PR", schimpfte Carlo Ancelotti über den Ödegaards Transfer zu Real Madrid in seiner Biographie. Der heutige Trainer des FC Bayern bekam in der spanischen Hauptstadt von Präsident Florentino Perez die Aufgabe, den jungen Norweger in mindestens drei Spielen einzusetzen. Ancelotti gab ihm eines.
Viel besser wurde die Situation für Ödegaard auch bei den nachfolgenden Trainern nicht. Erst Rafa Benitez, dann Zinedine Zidane und immer noch keine Einsätze im ersten Team für den blutjungen Norweger. Im Fall Zidane trat sogar das Gegenteil ein: Der Franzose soll sich mit Perez über Einsätze des Talents gestritten haben.
Der Präsident wollte Ödegaard auf der Vorbereitungstour im Sommer sehen, Zidane soll das laut verschiedenen Medienberichten entschieden abgelehnt haben. Und dann wäre da noch die vertraglich festgelegte Beteiligung am Training der ersten Mannschaft, während der Spieler in der Castilla Spiele bestreiten soll.
Ein Schritt nach oben?
Keine leichte Situationen für den heute 18-Jährigen. Im Winter reagierten alle Beteiligten: Ödegaard wurde für eineinhalb Jahre an den SC Heerenveen verliehen. Eine Gemeinde in den Niederlanden, die weniger Einwohner hat als Ödegaards Geburtsort Drammen.
Ein Rückschritt? Nicht, wenn es nach dem Spieler selbst geht. "Jetzt habe ich Chancen auf Einsätze in der niederländischen ersten Liga. Also ist es ein Schritt nach oben", führte Ödegaard in der Sport Bild an. Tatsächlich stand er seit seinem Wechsel in jedem möglichen Spiel auf dem Rasen, wenn auch nur zweimal über 90 Minuten.
In den Niederlanden, praktisch im Land der Talentförderung, soll Ödegaard nun nicht nur seine fußballerische Entwicklung vorantreiben, sondern auch ohne Nebengeräusche erwachsen werden können. So Reals Plan, nachdem der junge Norweger in Spanien schnell ins Fadenkreuz der aggressiven Medienlandschaft rutschte.
Aufmerksamkeitsradius verkleinert sich
Das lange Wechseltheater um Ödegaard, die diskutierten Vertragsklauseln, das Training mit den Profis, das Debüt als jüngster Spieler der Königlichen in der Primera Division - all das hat Ödegaard von Anfang an in eine Position gerückt, die eine große Angriffsfläche bietet. In den Niederlanden sollte Ödegaard das erst einmal wieder verdrängen.
Das hat zumindest teilweise funktioniert. International ist er etwas in Vergessenheit geraten, die Aufmerksamkeit gilt derzeit anderen. Jetzt geht es um Kylian Mbappe oder Alexander Isak und eben nicht mehr um Martin Ödegaard. Das heißt jedoch nicht, dass Ruhe eingekehrt ist.
Mit seinem Talent ist er noch immer ein Politikum. Aktuell allerdings mehr in den Niederlanden und Norwegen als auf der großen Europa-Bühne. Derzeit wird etwa diskutiert, warum Norwegens A-Nationaltrainer Lars Lagerbäck den 18-Jährigen in der U21 sieht, anstatt ihm weitere Einsätze auf höchstem Level zu ermöglichen.
Lagerbäck und das Nationalteam
"Er ist jetzt an der richtigen Stelle in den Niederlanden", führte Ex-Nationalspieler Jahn Ivar Jacobsen an. Aber unter Lagerbäck ginge es mehr um das Kämpfen und Laufen, weniger um die fußballerische Kreativität. "Lagerbäcks Art von Fußball erfordert auch Spieler vom Typ Lagerbäck", so Lars Tjaernas vom Aftenposten.
Wirklich ruhig ist es also nicht geworden um Ödegaard. Die Dinge drehen sich nur inzwischen mehr um sportliche Belange: kein Ausnahmeverdiener mehr im B-Team eines Weltklubs, sondern ein Talent unter vielen der Eredivisie.
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Dort kann Ödegaard inzwischen seine Fähigkeiten gut einbringen. Denn von seiner technischen Exzellenz, der herausragenden Spielübersicht und auch von seiner Kreativität hat er nichts eingebüßt. Noch immer ist er ein Talent, das im obersten Regal eingeordnet werden muss. Es ist nur von den Königlichen gut versteckt worden.
Der Typ zwischen den Fronten
Ob das letztlich im Sinne von Hans Ödegaard und Florentino Perez war, darf bezweifelt werden. Definitiv darf es aber im Sinne des Spielers selbst sein, der eine Rückkehr nach Madrid fest im Blick hat: "Meine Zeit bei Real ist noch nicht vorbei. Ich möchte in Heerenveen auf Top-Niveau Erfahrung sammeln, um dann 2018 einen neuen Anlauf zu nehmen."
Bis dahin allerdings wird er ein Mann zwischen den Fronten bleiben. Zwischen dem Gezerre der Machthabenden und dem eigenen Interesse, sich als Fußballer weiterzuentwickeln und seinen Traum zu erfüllen.
In Spanien war er der Typ, der bei der ersten Mannschaft trainierte und am Wochenende einem anderen den Platz im B-Team wegnahm. Der Typ, der mit zwei Millionen Euro Jahresgehalt mit Abstand aus dem Mittel herausragte. In Heerenveen ist er zumindest bis 2018 nur ein 18-jähriger Norweger. Und ein exzellenter Kicker.
Martin Ödegaard im Steckbrief