Sehr gut ist nicht gut genug

SPOX
23. Juni 201712:39
Der FC Barcelona steht vor einer schwierigen Aufgabespox
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Der FC Barcelona steht nach einer enttäuschenden Saison mit "nur" dem Copa-del-Rey-Titel vor einer schwierigen Aufgabe: Der Kader soll für den neuen Trainer Ernesto Valverde ausgedünnt, in der Spitze aber auch verstärkt werden. Umso anspruchsvoller, wenn das Ziel nicht sehr gut, sondern sensationell ist. SPOX analysiert die Baustellen und Problemfelder der Katalanen.

Tor

Personal: Marc-Andre ter Stegen, Jasper Cillessen

Offene Position: dritter Torhüter

Kandidaten: -

Situation: Zwischen den Pfosten ist die Situation beim FC Barcelona geklärt. Marc-Andre ter Stegen ist seit dem Abgang von Claudio Bravo zu Manchester City im vergangenen Sommer die unumstrittene Nummer eins. Er absolvierte in der abgelaufenen Saison 46 Pflichtspiele.

Dass die Katalanen mit dem mittlerweile 25-Jährigen auch langfristig als feste Stütze planen, unterstrichen sie Ende Mai, als sie ter Stegens Vertrag um drei weitere Jahre bis Sommer 2022 ausdehnten. Dabei legte der Verein auch die symbolische festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von 180 Millionen Euro fest. Subtext: unverkäuflich.

Auch hinter ter Stegen wird sich in der Saison 2017/2018 nichts ändern. Jasper Cillessen betonte zwar zuletzt gegenüber SPORT, mit den geringen Einsatzzeiten (nur neun Pflichtspiele) unzufrieden zu sein, dementierte allerdings Wechselgedanken: "Ich denke nicht darüber nach, mir Angebote anzuhören."

Zumindest zu Beginn der Saison steht er Barca also noch als treuer ter-Stegen-Stellvertreter zur Verfügung. Allerdings könne es nicht wie bisher weitergehen: "Wenn ich weiterhin so wenig spiele, werden wir im Winter-Transferfenster weitersehen, aber momentan ist ein Wechsel kein Thema."

Offen ist einzig noch, mit welchem dritten Torhüter die Katalanen in die neue Spielzeit gehen. Der Vertrag des bisherigen Backups Jordi Masip läuft aus, eine Verlängerung deutet sich nicht an. B-Keeper Jose Suarez hat ebenfalls noch kein Angebot erhalten.

Genauso wenig spukten allerdings auch Namen von potentiellen Nachfolgern durch den Blätterwald. Die Position hat - logischerweise - keine Priorität. Gut möglich, dass Barca eher einen Nachwuchskeeper befördert, als sich einen Neuzugang ins Haus zu holen.

Abwehr

Personal: Gerard Pique, Javier Mascherano, Samuel Umtiti, Thomas Vermaelen, Marlon, Jordi Alba, Aleix Vidal, Lucas Digne, Douglas, Sergi Roberto

Offene Positionen: rechter Verteidiger, Innenverteidiger-Backup

Kandidaten: Hector Bellerin, Nelson Semedo, Alvaro Odriozola, Joshua Kimmich, Joao Cancelo

Situation: Dreiviertel der Viererkette stehen und sind qualitativ auf höchstem Niveau besetzt. Gerard Pique, Javier Mascherano und Samuel Umtiti dürften sich die beiden Innenverteidiger-Positionen wie bereits in der vergangenen Saison untereinander aufteilen.

Mit der festen Verpflichtung des Brasilianers Marlon, der in der vergangenen Saison auf Leihbasis bereits im Verein war und bei seinen wenigen Einsätzen in der ersten Mannschaft überzeugte, holte Barca darüber hinaus noch ein entwicklungsfähiges Talent als Ergänzung.

Damit sind die Planstellen in der Abwehrzentrale dicht, für die Routiniers Jeremy Mathieu und Thomas Vermaelen (in der vergangenen Saison bereits an die Roma ausgeliehen) ist kein Platz mehr. Beide sollen abgegeben werden.

Auch auf der Position des Linksverteidigers herrscht Klarheit. Jordi Alba bleibt der Platzhirsch, Lucas Digne sein Backup.

Spannend ist die Situation rechts in der Viererkette. Dort genügte Sergi Roberto in 2016/2017 nicht immer allerhöchsten Ansprüchen, während Aleix Vidal zwar phasenweise gut spielte, allerdings auch nicht die nötige Konstanz abrief. Die Verpflichtung eines neuen Rechtsverteidigers scheint die sicherste Aktivität auf dem Sommer-Transfermarkt zu sein.

Die zwischenzeitlich aufgekeimte Hoffnung auf eine Verpflichtung von Bayern Münchens Joshua Kimmich haben die Katalanen schnell wieder verworfen. Stattdessen halten sich seit Wochen hartnäckig Gerüchte über ein Interesse an Arsenals Hector Bellerin. Angeblich bietet der FCB 22 Millionen plus Rafinha für den spanischen Nationalverteidiger.

Die Verhandlungen sind aber seit Wochen ins Stocken geraten. Der 22-Jährige tut sich schwer, weil er einst mit 16 Jahren keine Perspektive in La Masia bekam und deswegen zu den Gunners wechselte, bei denen er den Durchbruch schaffte. Darüber hinaus gibt es offenbar Vorbehalte, ob der teilweise noch nicht allzu abgeklärt wirkende Verteidiger das erhoffte Upgrade darstellen würde. Es ist dennoch realistisch, dass der Transfer letzten Endes zustande kommt.

Alternativ hatten die Katalanen in den vergangenen Monaten Medienberichten zufolge auch Benficas Nelson Semedo und den 21-jährigen Alvaro Odriozola von Real Sociedad gescoutet. Mit Valencias Joao Cancelo soll ebenfalls Kontakt bestehen.

Mittelfeld

Personal: Sergio Busquets, Ivan Rakitic, Andres Iniesta, Rafinha, Denis Suarez, Andre Gomes, Sergio Samper

Offene Positionen: rechter Achter

Kandidaten: Marco Verratti, Ander Herrera, Jean Michael Seri, Paulinho, Renato Sanches

Situation: Im Dreier-Mittelfeld ist Sergio Busquets als alleiniger Sechser vor der Abwehr nicht wegzudenken, als Lenker, Ballverteiler, Ruhepol. Zwar versprühte der mittlerweile 28-Jährige zuletzt nicht mehr die ganz große Magie, die ihn zum Prototypen des perfekten Spielers auf der Sechserposition machte. Dennoch gehört er dort zu den Besten der Welt und ist deshalb auch weiterhin der zentrale Baustein des Barca-Mittelfelds. Mögliche Backups finden sich im Kader.

Auf der Acht stellt sich das Bild etwas anders da. Andres Iniesta ist immer noch genial. Allerdings fällt ihm mehr und mehr die Rolle zu, die Xavi in der Endphase seiner Barca-Zeit hatte: Er ist der X-Faktor in den entscheidenden Spielen, aber eben nicht mehr in über 50 Pflichtspielen pro Saison. Iniesta braucht seine Ruhephasen und hat immer wieder mit kleinen Blessuren zu kämpfen. In den 1b-Spielen können ihn Andre Gomes, Rafinha oder Denis Suarez adäquat ersetzen, sollte er jedoch in der wichtigen Saisonphase ausfallen, wird es eng.

Rechts daneben ist Ivan Rakitic ein Achter auf sehr gutem Niveau. Zuletzt kochte jedoch die Frage hoch: Ist sehr gut noch gut genug? Oder will Barca eher sensationell gut?

Die Tendenz im Verein geht offenbar dahin, Rakitic für ein gutes Geld abzugeben und sich auf allerhöchstem Niveau noch einmal zu verstärken. Aber wenn das mal so einfach wäre...

Der absolute Wunschspieler und wohl auch die erhoffte Verbesserung der Qualität ist Paris Saint-Germains Marco Verratti, auch beim FC Bayern lange Zeit ganz oben auf der Liste.

Laut Barcas Ex-Sportdirektor Patrick Kluivert möchte Verratti auch unbedingt zu den Katalanen wechseln, allerdings verweigert sich PSG. Schließlich hat der Italiener erst im vergangenen Sommer bis 2021 verlängert. Sollte der Deal doch noch über die Bühne gehen, beliefe sich die Ablöse wohl auf an die 100 Millionen Euro - Geld, das auch der große FCB erst einmal generieren müsste, schließlich lebte man im vergangenen Sommer über den Verhältnissen.

Sollte der Verratti-Transfer nicht klappen, scoutet Barca offenbar Ander Herrera, Jean Michael Seri oder Paulinho. Auch der Name Renato Sanches fiel bereits in verschiedenen Medien. Bei all diesen Spielern darf allerdings die Klasse bezweifelt werden, ein Upgrade zu Rakitic darzustellen. Die Tendenz geht dahin, dass Barca nur tätig wird, sollte eben das gewährleistet sein.

Ein Verkauf von Gomes hätte wohl große Einnahmen bedeuten können, nach einer enttäuschenden Saison des Neuzugangs lehnte Barcelona aber mehrere Angebote für den Portugiesen ab.

Auch im eigenen Unterbau haben die Katalanen wieder einmal einige Rohdiamanten wie Carles Alena oder Wilfrid Kaptoum. Allerdings ist seit Jahren kaum eine Durchlässigkeit gegeben, sodass es für diese schwierig werden dürfte, sich oben festzuspielen. Auch der von einer Leihe zurückkehrende Sergi Samper wird keine Perspektive haben.

Sturm

Personal: Lionel Messi, Luis Suarez, Neymar, Paco Alcacer, Arda Turan, Munir El Haddadi, Cristian Tello

Offene Position: Offensiv-Allrounder für beide Flügel

Kandidaten: Gerard Deulofeu, Ousmane Dembele

Situation: Die Lage im Angriff ist kompliziert. Weil sie eigentlich so unkompliziert ist. Denn der erste Anzug gehört zu den besten Offensivreihen im Weltfußball. Lionel Messi, Luis Suarez und Neymar sind gesetzt, was auch kommen möge. Das wird in der kommenden Saison so sein und wohl auch darüber hinaus.

Entsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach Kaderergänzungen. Einen Neuzugang zu finden, der einerseits das Niveau hat, im Fall der Fälle nicht massiv abzufallen, sich andererseits aber auch damit zufriedengibt, auf der Bank zu sitzen, ist eine Herkulesaufgabe.

Da für die Mittelstürmerposition Paco Alcacer als Backup bereitsteht, geht es bei der Suche in erster Linie um einen Offensivallrounder, der möglichst auf beiden Flügeln spielen kann.

Qualitativ prädestiniert für die Rolle wäre Borussia Dortmunds Ousmane Dembele, der seit Wochen immer wieder mit den Katalanen in Verbindung gebracht wird.

Wenngleich der BVB mehrfach betont hat, den 19-Jährigen nicht verkaufen und erst bei einem Angebot ab "90 Millionen plus X" nachdenken zu wollen, häuften sich zuletzt die Gerüchte - bis hin zu angeblichen Fix-Meldungen.

In diesem Sommer ist der Transfer für die Katalanen jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit nicht finanzierbar.

Deshalb ergänzt aller Voraussicht nach Gerard Deulofeu den Kader für die kommende Saison. Der 23-Jährige hatte in den letzten Jahren beim FC Everton teilweise stagniert, sich in der vergangenen Saison bei seiner Leihstation Milan allerdings in einem Maße gesteigert, dass Barca Medienberichten zufolge eine Rückkaufoption in Höhe von zwölf Millionen Euro ziehen wird. Damit ist es an Deulofeu, sein Einverständnis zu geben.

Sportlich ebenfalls auf hohem Niveau könnte Munir El Haddadi die offensiven Positionen ausfüllen. Das Eigengewächs kommt nach einer ordentlichen Entwicklung in Valencia zurück. Unter Luis Enrique hatte er keine Perspektive, ein Gespräch mit Ernesto Valverde könnte über seine Zukunft in Barcelona entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist bei Munir ein Verkauf.

Auf der Streichliste steht indes Arda Turan. Der Türke hat nicht überzeugt, ist bei den Fans nicht übermäßig beliebt und machte zuletzt mit seinem unrühmlichen Rücktritt aus der türkischen Nationalmannschaft Schlagzeilen. Sollte ein Abnehmer gefunden werden, dürfte Barca ihm keine Steine in den Weg legen. Am heißesten ist die Spur zum FC Arsenal.

Nicht zu vernachlässigen bleiben die Gerüchte um Lucas Lima. Der Brasilianer vom FC Santos würde den Kader aber demnach erst im Winter verstärken, wenn sein Vertrag in Brasilien ausgelaufen ist. Ob er aber das Niveau mitbringt, erster Backup für Neymar oder Messi zu sein, ist fraglich.